Die Verbraucherorganisation Foodwatch hat den 12. August zum „Kinder-Überzuckerungstag“ erklärt. Kinder und Jugendliche in Deutschland haben an diesem Tag rechnerisch bereits so viel Zucker konsumiert, wie eigentlich für ein ganzes Jahr empfohlen wird.
Für diese Fehlernährung trage die Lebensmittelindustrie eine entscheidende Mitverantwortung, da Hersteller und Handel vor allem überzuckerte Lebensmittel aggressiv an Kinder vermarkten würden, kritisiert Foodwatch. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner müsse sich daher für Werbebeschränkungen einsetzen. Nur noch ausgewogene Produkte dürften an Kinder vermarktet werden, so die Foodwatch-Forderung.
„Kinder essen viel zu viel Zucker. Und das kommt nicht von ungefähr. Die allermeisten Produkte, die etwa mit Comics und Spielzeugbeigaben gezielt an Kinder vermarktet werden, sind maßlos überzuckert. Mit ihrem Marketing für ungesunde Kinderlebensmittel gefährdet die Ernährungswirtschaft die Gesundheit der Kleinsten in unserer Gesellschaft“, erklärte Oliver Huizinga, Leiter Recherche und Kampagnen bei Foodwatch. „Natürlich ist es kein Problem, wenn Kinder mal Süßigkeiten essen. Aber wenn die Lebensmittelindustrie völlig ungehemmt fast ausschließlich Süßigkeiten, überzuckerte Getränke und anderes Junkfood an Kinder vermarktet, darf Ernährungsministerin Julia Klöckner nicht weiter tatenlos zusehen.“
Kinder und Jugendliche in Deutschland essen deutlich mehr Zucker als von Fachorganisationen wie etwa der Weltgesundheitsorganisation, der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und der Deutschen Diabetes Gesellschaft empfohlen wird. Die Organisationen empfehlen, dass Minderjährige maximal 10 Prozent der täglich aufgenommen Kalorien durch freie Zucker aufnehmen. Tatsächlich aber nehmen Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 18 Jahren in Deutschland 16,3 Prozent ihrer Tagesenergie aus freien Zuckern auf – also 63 Prozent mehr als empfohlen. Umgerechnet erreichen die jungen Menschen damit schon am 224. Tag im Jahr, dem 12. August, ihr Zucker-Limit für ein ganzes Jahr.
Konkret bedeutet das, Mädchen essen im Durchschnitt mehr als 60 Gramm freie Zucker pro Tag, obwohl sie maximal 38 Gramm zu sich nehmen sollten. Jungs essen im Schnitt mehr als 70 Gramm freie Zucker pro Tag, obwohl sie nicht mehr als 44 Gramm verzehren sollten. Als freie Zucker werden alle Zuckerarten bezeichnet, die zum Beispiel Lebensmittelhersteller ihren Produkten zusetzen, sowie der in Honig, Sirup, Fruchtsaftkonzentraten und Fruchtsäften natürlich enthaltene Zucker. Natürlicherweise in Früchten oder Milchprodukten vorkommender Zucker fällt nicht darunter.
Foodwatch kritisierte Julia Klöckners Ansatz, die Lebensmittelindustrie freiwillig zu einer Zuckerreduktion zu bewegen, als völlig unzureichend. Eine Foodwatch-Marktstudie hatte zum Beispiel erst kürzlich gezeigt, dass Joghurts und Frühstücksflocken für Kinder stark überzuckert sind – und dies selbst nach Umsetzung der angekündigten freiwilligen Reduktionsziele noch wären. Anstatt nur auf Selbstverpflichtungen zu setzen, müsse die Bundesernährungsministerin daher Lebensmittelhersteller dazu verpflichten, nur noch gesunde Produkte an Kinder zu bewerben, fordert Foodwatch. Fehlernährung bei Kindern präge das Ernährungsverhalten im späteren Alter und trage dadurch zur Fettleibigkeits- und Diabetes-Epidemie bei, so die Verbraucherorganisation.
Grundlage für die Berechnung des „Kinder-Überzuckerungstags“ sind Daten aus der Donald-Studie aus dem Jahr 2016, die das Ernährungsverhalten von mehr als 1.000 Kindern und Jugendlichen untersucht hat. Aktuellere Zahlen zum Konsum von freiem Zucker durch Kinder in Deutschland liegen nicht vor.
Männer erreichen in Deutschland ihren „Überzuckerungstag“ umgerechnet am 20. September, Frauen am 8. Oktober.