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Digitalisierung ja, aber bitte praxistauglich

Am 25. September haben Zahnärzte in Nordrhein-Westfalen erneut Präsenz demonstriert in Fußgängerzonen und bei Podiumsdiskussionen, um „Zähne gegen Bürokratie" zu zeigen. 

Information und Diskussion

In 16 Orten in Nordrhein mit Schwerpunkten in Essen, Düsseldorf und Köln wurden Passanten über die Folgen von Bürokratie und mangelhafter Digitalisierung informiert. Denn inzwischen gehen 25 Prozent der Behandlungszeit verloren für Dokumentation und Administration. Wer wollte, konnte sich an einer Postkartenaktion an den Gesundheitsminister beteiligen. 

In Westfalen-Lippe gab es mehrere Podiumsdiskussionen, darunter auch im Zahnärztehaus in Münster. Im Fokus stand die Frage, ob die Digitalisierungsstrategie der Gematik und des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) die Patientenversorgung verbessert oder eher behindert. Technische Störungen wie beim E-Rezept, der elektronischen Patientenakte und der Gesundheitskarte beeinträchtigen zunehmend den Praxisalltag und die Versorgung. Vertreter aus Zahnärzteschaft, Apothekerschaft, Datenschutz und Politik diskutierten die Herausforderungen, insbesondere mit Blick auf eine Digitalisierung, die eigentlich entlasten sollte.

Kritik an der derzeitiger Digitalisierungsstrategie

Die beiden IT-Vorstände der Kassenzahnärztlichen Vereinigung in NRW, Michael Evelt und Dr. Thorsten Flägel, ziehen ein ernüchterndes Fazit zu den jüngsten Digitalgesetzen und Entwicklungen, wie das elektronische Rezept oder die elektronische Patientenakte.

Evelt betonte: „Wir wünschen uns vor allem, dass die Politik mit uns spricht und uns zuhört. Diejenigen, die die tägliche Arbeit in den Praxen machen, wissen, was sie brauchen, damit die Digitalisierung eine echte Verbesserung in der Versorgung bringt. Digitalisierung mit echtem Mehrwert für die Patientenversorgung, die auch die Versorgungsrealität widerspiegelt, das wollen wir. Und nicht mehr Arbeit durch Software, die vom Gesetzgeber unfertig in die Versorgung gekippt wird. Die Zahnärzteschaft wird dann auch noch gezwungen, halbfertige Lösungen zu nutzen, indem man hohe Strafzahlungen in die Gesetze schreibt. Das führt zu Akzeptanzverlust. Anwendungen, die gut sind, werden freiwillig genutzt. Hierzu bedarf es dann keiner Sanktionen.“

Dr. Thorsten Flägel: „Im Moment haben wir noch eine große Diskrepanz zwischen den Erwartungen an die Digitalisierung und der Realität in den Praxen. Das Einzige, was aus meiner Sicht wirklichen Nutzen bringt, das ist das elektronische Genehmigungs- und Beantragungsverfahren, das die alten Heil- und Kostenpläne auf Papier ersetzt.“

Statt über lange Postwege erhalte man Genehmigungen der Krankenkasse teilweise schon nach wenigen Minuten. „Der Unterschied zu anderen Anwendungen im Gesundheitswesen ist, dass wir hier mitgestaltet haben“, ergänzt Flägel.

Zu viele Störungen und zu wenig Qualität

Dr. Gordan Sistig, Vizepräsident der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe: „In erster Linie sind wir für den Patienten da. Aber überbordende Vorschriften, dazu technische Störungen, da bekommen wir von unseren Mitgliedspraxen ganz klar das Feedback, dass hier der Versorgungsalltag beeinträchtigt wird. Auch ich warte noch auf den echten Mehrwert und die Entlastung, die die gesetzlich geforderte Digitalisierung eigentlich bringen soll.“

Prof. Ulrich Kelber, Datenschutzexperte und ehemaliger Bundesdatenschutzbeauftragter, kritisierte den Fokus auf Geschwindigkeit anstelle von Qualität. Seiner Meinung nach ließen sich durchaus Lösungen finden, die sowohl benutzerfreundlich seien als auch hohen Datenschutzanforderungen gerecht würden. Er zeigte sich vor allem enttäuscht über die elektronische Patientenakte. Als Mitglied des Bundestages habe er 2003 für die Einführung gestimmt, heute sei er verwundert, dass die E-Patientenakte nach über 20 Jahren so wenig Funktionalität biete.

Ein Gesprächsangebot auf Landesebene

Marco Schmitz (CDU), Abgeordneter des Landtags NRW und Sprecher des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Landtag NRW ergänzte aus seiner Perspektive, wie wichtig es sei, im Gespräch zu bleiben und bürokratische Prozesse zu verschlanken. Auch auf der politischen Ebene nehme man wahr, dass in der Digitalisierung noch nicht alles rund laufe.

Dr. Andre Büchter, niedergelassener Zahnarzt aus Münster, berichtete, dass es in seiner Praxis erneut zu Ausfällen der Telematikinfrastruktur (TI) gekommen sei. Häufige Systemausfälle würden die Arbeit teilweise lahmlegen und die optimale Versorgung der Patienten erschweren. In solchen Fällen könnten weder Arztbriefe verschickt noch Röntgenbilder heruntergeladen werden. Zusätzlich hob er die zahlreichen bürokratischen Dokumentations- und Prüfpflichten hervor, die regelmäßige Nachweise und Kontrollen durch mehrere Stellen erforderten.

Apothekerin Corinna Ruhland gab aus Sicht der Apothekerschaft mit, dass auch dort Probleme und bürokratische Aufwände mit unausgereifter Digitalisierung vorlägen. Ihr Eindruck sei, dass an vielen Stellen Prozesse nicht zu Ende gedacht seien. Die Idee hinter der Digitalisierung, zu entlasten und Mehrwert in der Versorgung zu schaffen, sei gut, dennoch seien viele Vorgänge sehr kompliziert, vor allem für die Patienten.

Forderung nach einer Neuausrichtung der Digitalisierungsstrategie

Die Teilnehmer waren sich einig, dass die derzeitige Digitalisierungsstrategie noch nicht die gewünschten Verbesserungen in der Patientenversorgung bringt. Es besteht dringender Handlungsbedarf, die Strategie so anzupassen, dass Qualität und Praxistauglichkeit im Vordergrund stehen. Die Digitalisierungsmaßnahmen sollten so gestaltet werden, dass sie die tägliche Arbeit im Gesundheitswesen unterstützen, statt sie zu behindern.