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Erfolgsprojekt zur zahnärztlichen Behandlung Schwerbehinderter

Sie fangen dort an, wo andere aufhören: In Witten ist ein Leuchtturmprojekt in der zahnmedizinischen Versorgung von schwer- und mehrfachbehinderten Menschen entstanden, wie es in seiner Umfassendheit NRW-weit einzigartig ist. Zu den Patienten zählen vor allem Kinder und Jugendliche mit komplexen Syndromerkrankungen.

Einem Zahnarztbesuch wird selten in freudiger Erwartung entgegengeblickt. Oftmals ist es dann aber das Wissen um die gesundheitliche Notwendigkeit, die schließlich trotzdem zur Vereinbarung eines Termins führt. Doch was passiert, wenn dieses Wissen nicht vermittelt werden kann? Wenn eine schwere Erkrankung oder Behinderung die ambulante Behandlung unmöglich macht? Wenn keine rein chirurgische Versorgung benötigt wird – dafür aber eine umfassende stationäre Nachsorge?

Von der Prophylaxe bis zum Implantat

In enger Kooperation mit den Fachabteilungen des Marien-Hospitals Witten und nach intensivem Austausch mit Krankenkassen sowie der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KZVWL) ist es Torsten Schudlich und seinem Team von der Zahnklinik am Marienhospital mit einem besonderen Projekt gelungen, Patienten mit komplexen Behinderungen und besonderem Pflegebedarf unter Allgemeinnarkose das gesamte Behandlungsspektrum der Zahnmedizin anbieten zu können – von der Prophylaxe über Zahnfüllungen, die Anpassung von Brücken und Kronen bis hin zur Implantation.

Mit dem Projekt schließt sich für diese Menschen eine entscheidende Versorgungslücke: Wo die ambulante Narkosefähigkeit nicht gegeben ist oder die Versorgung in einer Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgischen Klinik zwar stationär, aber weitgehend rein chirurgisch erfolgt, war für Patienten mit Schwerbehinderung bisher oft das Ende der Fahnenstange erreicht. Konservierende Maßnahmen oder prothetische Wiederherstellungen blieben somit meist auf der Strecke.

Genau hier setzt das Projekt an. Die enge Kooperation von Zahnklinik und Krankenhaus macht es möglich: So finden die zahnmedizinischen Eingriffe bei den betroffenen schwer- und mehrfachbehinderten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen direkt im Operationssaal des Marien-Hospitals Witten statt. Die stationäre Aufnahme auf der pädiatrischen oder inneren Station am Vortag des Eingriffs, alle notwendigen Voruntersuchungen, die Vorbereitungen für die Allgemeinnarkose und die stationäre Nachsorge erfolgen ebenfalls durch das Krankenhaus.

„Wir sehen große Lücken bei der zahnmedizinischen Behandlung von schwerst- und mehrfachbehinderten Menschen, bei denen der Gesetzgeber tätig werden muss. So ist es zum Beispiel schwierig, Anästhesisten für eine zahnärztliche Behandlung von Menschen mit Behinderungen in ambulanten OP-Zentren zu gewinnen. Noch problematischer sind unserer Meinung nach die fehlenden Möglichkeiten der stationären Behandlung zahnerhaltender Maßnahmen schwerstbehinderter Patientinnen und Patienten. Alles was unter Vorsorge und Zahnerhalt fällt, ist rechtlich nicht möglich. So ist es Zahnärzten nicht erlaubt, belegärztlich tätig zu werden. Wir sehen in dem Projekt am Marienhospital daher eine vielversprechende Lösung des strukturellen Problems“, erläutert Christine Dedeck, Sprecherin und Referatsleiterin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KZVWL).

Jeder Fall ist individuell

Wie umfangreich der Eingriff sich gestaltet und wie der Zustand der Zähne genau ist, lässt sich im Vorfeld häufig nicht sagen und zeigt sich erst, wenn der Patient unter Narkose auf dem Behandlungsstuhl liegt. Eine zusätzliche Herausforderung, manchmal aber auch eine Überraschung: „Wir hatten auch schon Fälle, bei denen wir nicht damit gerechnet hatten, dass der Zahnzustand doch noch so gut war, obwohl zuvor nie eine Prophylaxe durchgeführt werden konnte oder das tägliche Zähneputzen kaum möglich war. Jeder Patient ist anders und jede Behandlung ein ganz individueller Fall“, so Schudlich.

Eine umfassende postoperative Betreuung erfolgt je nach Bedarf auf der allgemeinmedizinischen Station, der Kinderchirurgie oder Kinderintensivstation. Somit können auch bisher unversorgte Fälle von A bis Z optimal behandelt werden. Ein besonderes Plus: Gemeinsam mit dem Patienten wird immer auch eine Begleitperson stationär aufgenommen, um in der ungewohnten Umgebung Halt zu vermitteln, beruhigend einzuwirken und die Behandlung so problemlos wie möglich zu gestalten.

Das Projekt wächst

Ob Kinder und Jugendliche mit komplexen Syndromen – einer Kombination aus angeborenen geistigen und körperlichen Fehlentwicklungen – oder alte Menschen, die unter Demenz, Parkinson und anderen fortschreitenden, stark einschränkenden Erkrankungen leiden – sie alle gehören zum Patientenstamm des Projekts, das sich seit seiner Initialzündung 2018 stetig weiterentwickelt hat. Während vor vier Jahren noch zwanzig Patienten behandelt wurden, waren es 2019 fast 100 Fälle – Tendenz seither steigend. Es hat sich gezeigt: Der Bedarf an einem Behandlungsangebot, wie es hier in Witten realisiert werden konnte, ist groß. 

„Unser Einzugsradius ist enorm gewachsen, auch aus anderen Bundesländern wie Hessen oder Niedersachsen reisen mittlerweile Patienten mit ihren Eltern oder dem gesetzlichen Vormund an. Häufig haben die Familien schon eine wahre Odyssee hinter sich, sind in zahlreichen Spezial- oder Universitätskliniken vorstellig geworden und mit ihrem Anliegen abgewiesen worden“, erklärt Schudlich. „Oftmals sind Angehörige von schwerst- und mehrfachbehinderten Kindern auch über spezielle Selbsthilfegruppen vernetzt, hier findet ein reger Austausch statt, man gibt Empfehlungen weiter.“

„Damit eine flächendeckende Versorgungsmöglichkeit geschaffen werden kann, und das ist unserer Meinung nach unverzichtbar für diese Patientengruppe, braucht es geeignete gesetzliche Rahmenbedingungen, die wir gegenüber der Politik in unseren Gesprächen, zum Beispiel mit der Beauftragten der Landesregierung für Menschen mit Behinderung, Claudia Middendorf, oder auch direkt mit Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann einfordern“, ergänzt Dedeck. „Darüber hinaus haben die KZVWL und die Zahnärztekammer Westfalen-Lippe gemeinsam eine Servicestelle für Menschen mit Beeinträchtigung etabliert, die als Schnittstelle zwischen Zahnarztpraxen und Patienten dient. Bei der Vermittlung von Behandlungsmöglichkeiten unterstützt in Westfalen-Lippe auch die Konrad-Morgenroth Fördergesellschaft. Ein weiteres Behandlungsangebot, allerdings auch mit Kapazitäts- und Behandlungsgrenzen, hält zudem die Universität Witten/Herdecke vor.“

Teamwork macht es möglich

Der Schlüssel zum Erfolg des Projekts liegt seiner Einschätzung nach in der engagierten Zusammenarbeit des Teams: Anästhesisten, Kardiologen, OP-Schwestern, Zahnmedizinische Assistenten und Torsten Schudlich selbst arbeiten Hand in Hand, um kleine wie große Patienten optimal versorgen zu können. „In Zukunft soll das Projekt auf noch breitere Füße gestellt werden. Was dies im Einzelnen bedeutet, werde ich gern genauer erläutern, wenn es so weit ist. Was ich aber jetzt schon verraten kann, ist, dass wir nach Inkrafttreten der der neuen zahnärztliche Approbationsordnung ab dem kommenden Wintersemester Studierenden der Zahnmedizin die Möglichkeit geben wollen, während der Famulatur zu uns zu kommen, um praktische Erfahrungen zu sammeln“, so Schudlich.

Julia Müller

Auf einen Blick

Zahnklinik am Marien-Hospital
Torsten Schudlich, Leitung der Klinik und Konsiliarzahnarzt des Marien-Hospitals Witten
Marienplatz 2, 58452 Witten
www.zahnklinik-am-marienhospital.de
Servicestelle für Menschen mit Beeinträchtigungen:
www.zahnaerzte-wl.de