Angst ist etwas, das jeder schon einmal erlebt hat – vor einer Abschlussprüfung, einem Examen oder vor einem Bewerbungsgespräch. Mit einem Gefühl von Angst gehen immer körperliche Reaktionen einher: Der Herzschlag beschleunigt sich und Muskeln werden angespannt, vielleicht beginnen auch die Hände zu schwitzen. Wäre es nicht schön, wenn Ängste und die damit verbundenen körperlichen Reaktionen erst gar nicht entstehen würden? Nicht ganz, denn eine gewisse Grundspannung ist durchaus sinnvoll, wenn Sie besonders leistungsfähig und konzentriert sein möchten. Eine gesunde Portion Lampenfieber kann also durchaus förderlich sein. Problematisch wird es erst, wenn das Lampenfieber so übermächtig wird, dass ein Blackout oder Panik drohen.
Warum reagiert der Körper überhaupt mit einem beschleunigten Herzschlag und Muskelanspannung auf Angst oder Stress? Für eine Antwort müssen wir das Rad der Zeit ein Stück zurückdrehen. Denn die Reaktion unseres Körpers ist ein Steinzeitprogramm, das bis heute wirksam ist. Tatsächlich arbeitet ein Teil unseres Gehirns noch auf Steinzeitniveau.
Überlegen Sie mal, welchen Angst auslösenden Gefahren die Steinzeitmenschen ausgesetzt waren. Bestimmt fallen Ihnen die imposanten Erscheinungen von Höhlenbären oder Mammuts ein. Wenn sich ein solches Tier näherte, musste man blitzschnell handeln. Dieses Verhaltensprogramm ist als Fight-or-Flight-Mechanismus bekannt, also Angriff oder Flucht. Frauen flüchteten mit den Kindern auf einen Baum oder in eine Höhle, während die Männer kämpften. Wenn Sie sich in die Situation unserer Vorfahren hineindenken, wird deutlich, warum bei Gefahr schnellstmöglich Körperfunktionen wie Muskelspannung oder Herzschlag verändert werden mussten. Nur auf diese Weise waren sie in der Lage, ihr Leben zu schützen.
Bis heute laufen wir mit diesem Fight-or-Flight-Programm durch unseren Alltag, obwohl sich dieser grundlegend von dem unserer Vorfahren unterscheidet. Was Angst auslöst, hat sich seit der Steinzeit gravierend verändert. Damals gab es noch keine ZFA- oder Fortbildungsprüfungen. Dennoch beginnt unser Körper in einer Prüfungssituation damit, sich auf Flucht oder Angriff einzustellen, wenn diese als Gefahr wahrgenommen wird. Es wäre jedoch unklug, vor jeder Prüfung davonzulaufen oder dem Prüfer einen Faustschlag zu verpassen. Meist spannt sich unser Körper sogar schon lange vor einem Prüfungstermin an. Denn im Gegensatz zum plötzlichen Auftritt des Höhlenbären wissen wir genau, dass dieser Moment auch tatsächlich eintreten wird. Wir haben also oft bereits Angst, obwohl die Klausur noch gar nicht vor uns liegt. Wir können schon Tage vor einer Prüfung kaum schlafen oder öffnen mit zitternden Händen die Tür zum Prüfungsraum, als ob dahinter ein Höhlenbär auf uns warten würde. Angst kann sich also heute über längere Zeiträume hinziehen.
Prüfungsangst oder Panik werden indes nicht automatisch ausgelöst. Wenn Sie Ihre Mitmenschen beobachten, werden Sie feststellen, dass nicht alle gleich stark unter Angst leiden und einige sehr gut damit umgehen können. Warum ist das so?
Hier kommt die Psychologie ins Spiel. Es kommt ganz darauf an, ob eine Situation vom Gehirn als folgenschwere Gefahr interpretiert wird oder nicht. Angst beginnt also im Kopf. Wann Alarm ausgelöst wird, ist abhängig von Ihren bisherigen Erfahrungen, Ihrer Erziehung, Ihren Ansprüchen und Ihren wahrgenommenen Fähigkeiten.
Das können Sie gegen Prüfungsangst tun:
• Bereiten Sie sich rechtzeitig und gut vor! Wenn Sie sich gut vorbereitet haben, fühlen Sie sich sicherer. Dieses Gefühl hilft Ihnen, Angst auf ein gesundes Maß an Lampenfieber zu reduzieren.
• Erlauben Sie sich, nicht perfekt sein zu müssen! Fragen Sie sich, ob Sie sich nicht selbst unter Druck setzen, weil Sie von sich selbst einen perfekten Prüfungsauftritt verlangen.
• Schenken Sie der Angst nicht zu viel Aufmerksamkeit! Akzeptieren Sie, dass gelegentlich vor Prüfungen ein Angstgefühl auftaucht. Sie wissen ja nun, dass es eine ganz natürliche Reaktion Ihres Körpers vor und in Gefahrensituationen ist. Aber schenken Sie der Angst nicht zu viel Beachtung. Denn das, was Sie beachten, verstärken Sie. Denken Sie also möglichst oft zuversichtliche Sätze wie „Ich schaffe das!“
• Stellen Sie sich Erfolg vor! Visualisieren Sie, dass Sie Ihre Prüfung bestehen oder Ihnen die richtigen Lösungen zu den Fragen einfallen.
• Entspannen Sie sich! Neben der Progressiven Muskelrelaxation können Sie das autogene Training, M-A-P-Training, Atemübungen, Qigong oder Yoga nutzen, um gezielt zu entspannen und Prüfungsängste abzubauen. Besonders schnell wirksame Methoden zum Abbau von Überspannungen sind die sogenannten Entspannungsquickies. Diese helfen auch in Blackout-Situationen. Besonders bewährt haben sich die Bauchatmung und die M1-Übung (möglichst viele Muskeln auf einmal anspannen und nach etwa 10 Sekunden wieder loslassen).
Übrigens ist auch der Zahnarztbesuch für viele Patienten eine prüfungsähnliche Situation. Die Angst vor einer Zahnbehandlung kann ebenfalls mit Entspannungstechniken oder Entspannungsquickies reduziert werden. Das autogene Training oder die Progressive Muskelrelaxation können Sie bei der Stress-Management-School (www.stress-management-school. de) erlernen. Wenn Sie als Zahnarzt oder Zahnmedizinische Fachangestellte Ihren Patienten Entspannungstechniken selber vermitteln möchten, bietet die Stress-Management-School eine berufsbegleitende Ausbildung zum Entspannungspädagogen an.
Melanie Müller, Herne Christian Mörsch, Erkrath