Ein Symposium der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI) versammelte am 15. September 2022 im Rahmen des Healthcare Hackathons in Mainz Expertinnen und Experten aus den Bereichen Zahnmedizin, Imformationstechnik und Dentalindustrie, die aus ihren jeweiligen Blickwinkeln die Bedeutung von Registern und Implantatpässen für die Versorgungssicherheit beleuchteten. Das Ziel: ein E-Pass für dentale Implantate soll auf den Weg gebracht werden.
Von Online-Terminbuchungen beim Arzt oder der Zahnärztin, über die elektronische Gesundheitskarte, das E-Rezept bis hin zur ärztlichen Beratung in der Online-Sprechstunde – die Digitalisierung schreitet in Medizin und Zahnmedizin voran, selbst wenn der Weg steinig ist und Stolperfallen birgt. In vielen Bereichen von Medizin und Zahnmedizin hat gleichwohl die digitale Zukunft begonnen. Digitale Workflows sind beispielsweise in der Implantologie und Zahntechnik auf dem Vormarsch oder schon fest etabliert und verändern Arbeitsabläufe und Prozesse. Fortbildungskurse und ganze Kongresse widmen sich den neuen Trends und Entwicklungen.
Welches Implantat ist das?
Aber es gibt auch noch dies: In der Implantologie ist bei Experten eine Anfrage von Kolleginnen und Kollegen besonders „gefürchtet“: „Von welchem Hersteller könnte das Implantat stammen, das die mitgeschickte Röntgenaufnahme zeigt?“ Dann ist oft guter Rat teuer, angesichts von mehr als 200 Implantatsystemen, die sich mittlerweile auf dem Markt befinden. Zwar gibt es von den Herstellern Implantatausweise, doch diese werden nicht immer ausgegeben und aufgehoben – und sie können nicht zuletzt auch verloren gehen.
DGI-Initiative
Darum hat die Deutsche Gesellschaft für Implantologie (DGI) die Initiative ergriffen, um in enger Zusammenarbeit mit Partnern und den zuständigen Organisationen einen E-Implantatpass auf den Weg zu bringen, der zum Einstieg in eine zeitgemäße Dokumentation implantologischer Therapien sowie der verwendeten Produkte und Materialien werden soll. „Wir reagieren damit auch auf den nachvollziehbaren Wunsch von Patientinnen und Patienten, die genau wissen wollen, welches Implantat ihnen eingesetzt wurde und welche Materialien bei der Behandlung verwendet wurden“, erklärte DGI-Vorstandsmitglied Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas, Direktor der Klinik für Zahn-, Mund und Kieferchirurgie der Universitätsmedizin Mainz bei der Eröffnung des Symposiums. Dieses fungiere, wie Professor Al-Nawas betonte, als Auftaktveranstaltung, um mögliche Partner zusammenzubringen, um Schnittstellen zu definieren und um herauszufinden, welche „Player“ in die Entwicklung eingebunden werden müssen, damit aus einer guten Idee ein guter Pass wird.
Das „Missing Link“ ersetzen
Die Dentalindustrie sieht die Probleme der bisher üblichen Papier-Ausweise ebenfalls. Hubert Wagner, Zahnarzt für Compliancemanagement bei Camlog, bezeichnete den digitalen Implantatpass als „missing link“ und machte deutlich, dass die Ist-Situation die Versorgungssicherheit auf vielfältige Weise beeinträchtigen kann. Das Spektrum reiche von Falschbestellungen für Reparaturen bis hin zu Unklarheiten bei der Garantie durch Verwendung von Copy Cats. Nicht zuletzt hat die neue Medizinprodukte Verordnung hat auch die Anforderungen an die Post-Market Überwachung der Produkte erhöht. Darum ist es nicht verwunderlich, dass das Thema E-Implantatpass auf der Agenda des nächsten Verbandstreffens der Dentalindustrie stehen wird.
Schwieriger Weg in die Versorgung
Rainer Ziegon von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) beschrieb die Telematik-Infrastruktur (TI) in der Zahnmedizin am Beispiel der e-Patientenakte. In dieser werden Medizinische Informationsobjekte (MIOs) abgelegt, medizinische Daten, die für den interdisziplinären Austausch vorgesehen sind. Das zahnärztliche Bonusheft ist ein Beispiel. Auch ein E-Implantatpass wäre ein MIO. Allerdings sind bislang nur etwa 500.000 e-PA Konten eröffnet, in denen meist nur eine Datei liegt und nur 27 Prozent der Zahnarztpraxen verfügen über die erforderlichen Konnektoren. „Die ePA ist noch nicht in der Versorgung angekommen“, so das vorläufige Fazit von Ziegon. Aber die Verantwortlichen haben das Projekt Zahnimplantatpass auf der Agenda – und wie es mit dem Pass weiter gehen könnte, nämlich so, wie generell mit MIOs, ist klar definiert.
Kein Flickenteppich
Dass die Entwicklung auf diesem Gebiet nicht – wie leider in Deutschland oft üblich – im Weben eines Flickenteppichs bestehen sollte, machte die Diplominformatikerin Medizin Simone Heckmann deutlich. Als Mitglied eines Expertengremiums der Gematik präsentierte sie den von einer internationalen Normengruppe entwickelten technischen Standard, kurz FHIR genannt, der den Datenaustausch zwischen Softwaresystemen im Gesundheitswesen unterstützt und auch bei MIOs zum Einsatz kommen könnte, die in der ePA bereitgestellt werden.
Eine schlanke Lösung
Dr. Lena Müller-Heupt von der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universitätsmedizin Mainz präsentierte den E-Implantatpass als „schlanke Lösung“ zwischen einem Register und „Nichts“. Zwar könnten Register, wie Dr. Müller-Heupt, betonte, die Qualität und Sicherheit von Implantaten sowie die medizinische Versorgung mit Implantaten verbessern, indem Sie etwa Informationen über Langzeiterfahrungen geben und als Frühwarnsystem fungieren und auch Evaluations- und Zulassungsverfahren bescheunigen können. Doch Zahnimplantate werden in dem seit 1. Januar 2020 existierenden gesetzlichen Implantatregister nicht erfasst. Ein E-Pass könnte jedoch durchaus als schlanke Lösung fungieren, die in Form einer Patienten-App in die Telematik-Infrastruktur integriert werden könnte.
Welche Komponenten ein MIO E-Zahnimplantat-Pass enthalten könnte stellte der „Freie Hacker“ Alexander Kleehaus vor. Möglich ist eine „Kern-MIO“ mit Basis-Daten zum Implantat und dem Hersteller, die bei der Behandlung in den Pass eingescannt oder vom Patienten eingegeben werden könnte, bis hin zu Informationen über Abutment, Krone, verwendete Membranen oder Knochenersatzmaterialien. Dass auch solche Informationen bedeutsam sind, wenn nach einer Behandlung gesundheitliche Probleme wie Unverträglichkeiten oder Allergien auftreten, hatte die auf Umweltzahnmedizin spezialisierte Mainzer Zahnärztin Dr. Elisabeth Jacobi-Gresser auf dem Symposium betont.
Zwiebelschalensystem als Vorbild
In der Abschlussrunde wurde deutlich, dass auf dem Weg zum E-Zahnimplantatpass gerade die ersten Schritte gegangen werden. Vor allem gelte es, Doppeldokumentationen zu vermeiden und Kommunikationswege zwischen allen Beteiligten datenschutzgesichert zu ermöglichen. Realistisch erschien den Expertinnen und Experten ein Zwiebelschalensystem, bei dem ausgehend von wenigen Daten und Kernfunktionen der Implantatpass stufenweise entwickelt wird.