150 Jahre ist es her, dass sich die erste promovierte Zahnärztin in Deutschland niedergelassen hat. Ihr Name lautet Henriette Hirschfeld-Tiburtius (1834 bis 1911).
Mehr Zahnärztinnen in den Vorständen der KZVen
Zu der Zeit war Frauen hierzulande der Zugang zu den Universitäten noch lange verwehrt. Hirschfeld ging 1867 in die USA und studierte dort als eine der ersten Frauen Zahnmedizin. Ihr Studium schloss sie mit dem Titel „Doctor of Dental Surgery“ erfolgreich ab. Zurück in Deutschland eröffnete sie eine Zahnarztpraxis in Berlin. Sie behandelte, so weiß Wikipedia, vor allem Frauen und Kinder und wurde schließlich gar Hofärztin von Kronprinzessin Victoria. Sie bekam zwei Söhne und blieb dennoch weiter als Zahnärztin tätig. Geht doch.
Überkommene Rollenverteilung
Und 150 Jahre später? Der Anteil der Studienanfängerinnen im Fach Zahnmedizin lag 2021 bei 71,7 Prozent – der der weiblichen Studierenden gesamt bei 68 Prozent. Unter den zahnärztlich tätigen Personen unter 35 Jahren sind mehr als 60 Prozent Frauen. Laut einer Prognose des IDZ wird der Frauenanteil 2030 bei gut 60 Prozent liegen. In einer aktuellen Analyse kommt die ApoBank zu dem Ergebnis, dass 2021 erstmals die Anzahl der Zahnärztinnen, die sich frisch niedergelassen haben, mit 56 Prozent deutlich über der der Zahnärzte liegt. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass der Frauenanteil unter den angestellt zahnärztlich Tätigen bei 64 Prozent liegt. Das Berufsbild ist im doppelten Wandel.
Die Standespolitik hat lange versucht, den Trend zur Feminisierung nicht in ihren Führungsgremien abzubilden. Das hat der Selbstverwaltung nicht gut getan, und schließlich griff der Gesetzgeber – nach deutlichen und frühzeitigen Vorwarnungen ein – und legte per Krankenhauspflegeentlastungsgesetz folgende Änderung im SGB V fest: „Besteht der Vorstand aus mehreren Mitgliedern, müssen ihm mindestens eine Frau und mindestens ein Mann angehören“. Regulierung statt Selbstbestimmung – das ist selbstverantwortete Unmündigkeit.
Perspektive der Frauen stärken
Nun sprach gerade jene Initiatorin der Frauenquote in den Vorständen der KZVen und der KZBV auf dem Neujahrsempfang von BZÄK und KZBV: die Ärztin Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen) und stellvertretende Vorsitzende des Gesundhausschusses des deutschen Bundestags – der von der AfD beansprucht Vorsitz ist mangels Zuspruch der anderen Parteien derzeit vakant. Neben den üblichen politischen Liebreizigkeiten zur Oralmedizin und verbalen Zückerchen in Richtung gesetzliche Regulierungen von Investoren-MVZ gab es von Kappert-Gonther einen kleinen Seitenhieb in Richtung Männerdominanz in der Standespolitik: „Es gibt viele, viele Zahnärztinnen, die zunehmend in die Vertreterversammlungen aufrücken werden. So glaube ich, dass das zu Ihrer und unser aller Vorteil sein wird, wenn wir hier die Blickwinkelveränderung auch wirklich vornehmen … Von daher glaube ich, dass hier die Quote, die ja bei Ihnen sehr, sehr umstritten ist, wie ich weiß, letztlich zu unser aller Vorteil sein wird.“ Klare Worte, sanft gesprochen. Die Frau kann ihren Job.
Mal mehr oder weniger Männer
Dass die Quote wirkt, zeigt sich an den Ergebnissen der aktuellen Vorstandswahlen der KZVen. In Bayern, Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, im Saarland, in Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen ist jeweils eine Frau in den Vorstand eingezogen. In Rheinland-Pfalz ist der Vorstand mit zwei Frauen rein weiblich besetzt. In Westfalen-Lippe sind es zwei Frauen, die nun der Vertreterversammlung vorstehen. Auch ein dritter Vorstandsposten für eine Frau ist hier im Gespräch.
Ganz anders sieht es in Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein aus. Hier wurde die Quote umgangen, indem 2022 durch die ausscheidenden Vertreterversammlungen gewählt wurde. Das hat den Geschmack eines vergeblichen Aufbäumens alter Realitäten.
Doch auch ganz ohne Quote ist eine Dynamik hin zu mehr Frauen in der Standespolitik erkennbar. Zunehmend ist auch der Frauenanteil unter den neu gewählten ehrenamtlichen Mitgliedern der Vertreterversammlungen. Die Mitglieder der KZVen stoßen einen Veränderungsprozess auch ohne gesetzlichen Druck an. Hier wird spürbar, dass 47,5 Prozent aller zahnärztlich tätigen Zahnärzte Frauen sind.
Frauenfrage auf Bundesebene
Derzeit gibt es in den KZVen und in der KZBV 48 Vorstandsposten. Bis 2022 waren drei davon von Frauen besetzt – das entspricht 6 Prozent. Seit 2023 sind es zehn Frauen und damit gut 20 Prozent. Und eine Wahl steht noch aus. Ende März 2023 wird sich entscheiden, wer künftig den Vorstand der KZBV bilden wird. Dr. Wolfgang Eßer wird nach eigenen Aussagen nicht noch einmal antreten.
Alles andere ist heute, zumindest öffentlich, noch ungewiss. Einigermaßen sicher ist, dass dem künftigen KZBV-Vorstand eine Frau angehören wird. In 150 Jahren von einer Zahnärztin im Land zu elf Frauen im Vorstandsrund.