Anzeige
Gerodontologie: Was Demenzpatienten brauchen
Alter Mann greift Hand

Mehr Lebensqualität für die Patienten: Das Thema Mundgesundheit gewinnt an Bedeutung, wenn Zahnärzte regelmäßig vor Ort sind.

In deutschen Zahnarztpraxen nimmt innerhalb der Gruppe geriatrischer Patienten auch der Anteil an Demenzpatienten zu. Die Erhaltung der Zahngesundheit dieser Patienten stellt Zahnärzte vor besondere Herausforderungen, bedingt durch spezielle Risikofaktoren und Compliance-Probleme, die mit dem Krankheitsbild zusammenhängen. Dennoch ist es möglich, die Mundgesundheit dieser Patienten mit verhaltensbasierten Maßnahmen und modernen Sedierungsverfahren möglichst lange aufrecht zu erhalten.

Mit zunehmendem Alter wird der Besuch beim Zahnarzt immer wichtiger, denn die Mundgesundheit ist nicht nur an sich relevant, sondern kann auch Aufschluss über weitere altersbedingte Krankheiten geben. Hier befinden sich geriatrische Patienten mit Demenzerkrankungen in einer besonders schwierigen Lage. Einerseits ist für Menschen mit vaskulärer Demenz, Lewy-Körper-Demenz oder Alzheimer-Demenz eine gute Dentalhygiene sehr wichtig, weil es zahlreiche Faktoren gibt, die ihre Zahngesundheit negativ beeinflussen können. Andererseits nimmt mit jedem Lebensjahr die kognitive und motorische Kapazität dieser Patienten zur eigenen Zahnpflege ab.

Praktische Tipps für den Umgang mit Demenzpatienten

  1. Binden Sie Familienangehörige oder Pflegepersonen in Behandlung und Planung mit ein
  2. Begegnen Sie jedem Demenzpatienten mit vermehrter Geduld und mit Respekt
  3. Vereinbaren Sie häufigere, aber dafür kürzere Behandlungstermine
  4. Behandeln Sie bevorzugt am späten Morgen oder frühnachmittags
  5. Erklären Sie Patienten Ihre Arbeitsschritte langsam, klar und in einer einfachen Sprache
  6. Vermeiden Sie am Stuhl laute Geräusche oder unnötig helles Licht

Zu den potenziellen dentalhygienischen Risikofaktoren gehören, je nach Stadium der Demenz: Ein trockener Mund (Xerostomie) als Nebenwirkung der Einnahme von Antidepressiva, Antipsychotika oder Sedativa. Der Mangel an Speichel kann zu verstärkter Plaque führen und damit das Risiko von Karies, Zahnfleischerkrankungen und Infektionen erhöhen. Mundtrockenheit kann auch zu Problemen mit Zahnersatz führen, zum Beispiel kann dieser sich lockern oder andere Beschwerden verursachen. Manche Antipsychotika können das Tragen von Zahnprothesen erschweren, weil sie unfreiwillige und repetitive Zungen- und Kieferbewegungen verursachen. Notwendige Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel können hohe Konzentrationen verschiedener Zuckerarten (Saccharose oder Lactulose) enthalten, die die Kariesgefahr erhöhen.

Verschärft werden diese Probleme durch den degenerativen Charakter von Demenzerkrankungen, der zu einem sukzessiven Zerfall vor allem der mentalen Fähigkeiten führt. Die negativen Folgen sind mannigfaltig: vergessene Zahnarzttermine und -anweisungen, vermehrter Bruch oder Verlust von Zahnprothesen und eine mangelhaftere Dentalhygiene.

Davon betroffen sind viele ältere Patienten, und ihre Anzahl nimmt zu: Schätzungen gehen davon aus, dass in den entwickelten Ländern derzeit ca. 10 bis 15 Prozent der mehr als 65-Jährigen und 20 Prozent der über 80-Jährigen unter der Alzheimer-Krankheit leiden. Aufgrund der demographischen Entwicklung sagen Experten einen signifikanten Anstieg dieser Zahl innerhalb der nächsten 25 Jahre voraus.

Zahnärzte tun deshalb gut daran, gesonderte Behandlungsstrategien für diese Patientenkohorte zu entwickeln. Grundlage ist ein Verständnis der Pathogenese von Demenzkrankheiten und wie die zahnmedizinische Versorgung daran möglichst optimal angepasst werden kann. In den frühen Stadien einer Demenzkrankheit wie Alzheimer sind Patienten noch nicht so stark eingeschränkt, und im Allgemeinen kann fast jede Art von Zahnbehandlung durchgeführt werden. Bei der Planung von Maßnahmen sollte der Zahnarzt allerdings die Tatsache berücksichtigen, dass Zahnpflege in Zukunft nur mit externer Hilfe wird erfolgen können. So sollten Kronen, Brücken und Implantate nur geplant werden, wenn deren weiterer Erhalt durch tägliche Pflege langfristig gewährleistet werden kann. Auch die Prävention von Zahnfleischerkrankungen ist in dieser Phase sehr wichtig.

In der mittleren Krankheitsphase können Patienten körperlich noch relativ gesund sein, aber schon erste Kognitionsverluste haben. Prävention nimmt einen noch größeren Stellenwert ein, und manche Patienten werden eine Sedierung benötigen, damit eine Behandlung erfolgreich durchgeführt werden kann. Selbst bei effektiver Schmerzkontrolle kann eine Sedierung sinnvoll sein, denn sie minimiert behandlungsbedingte Angst- und Stressreaktionen. Allerdings müssen bei der Wahl eines Sedierungsverfahrens alters- und krankheitsbedingte physiologische Veränderungen und Einschränkungen sowie begleitende medikamentöse Therapien berücksichtigt werden.

Während intravenöse und orale Sedierungen (zum Beispiel mit Benzodiazepinen oder Antihistaminika) bei Alzheimerpatienten oft nur bedingt einsetzbar sind, kann in der beginnenden und mittleren Krankheitsphase die dentale Sedierung mit Lachgas (N2O) bei Patienten ohne Maskenangst bedenkenlos eingesetzt werden. Die anxiolytische Wirkung des Gases ist gerade bei kognitiv beeinträchtigten älteren Patienten nützlich. Lachgas kann dabei nicht nur den Behandlungsstress und seine kardiovaskulären Folgen reduzieren, sondern gleichzeitig die Sauerstoffversorgung verbessern und die Kooperationsbereitschaft des Patienten während der Behandlung optimieren.

Für geriatrische Patienten eignet sich Lachgas auch deshalb, weil es nur minimal metabolisiert wird; es wird nicht über die Leber oder Niere, sondern unverändert über die Lunge und Haut ausgeschieden. Da die Empfindlichkeit der oberen Atemwege einschließlich der Mundhöhle durch Lachgas reduziert wird, können auch Patienten mit störendem Würge- oder Schluckreflex behandelt werden. Gezielt eingesetzt, kann die Lachgassedierung regelmäßige Maßnahmen zur Mundhygiene bei Demenzkranken ermöglichen. Damit wird der Mundkomfort wieder hergestellt und das Risiko ansteckender Atemwegserkrankungen wie Pneumonie gesenkt – eine Hauptursache für Todesfälle bei älteren Patienten. Gute Zahn- und Mundhygiene ist auch besonders wichtig bei Patienten mit schwachem Hustenreflex oder kompromittiertem Immunsystem.

Behandlung an die Gegebenheiten anpassen

In späteren Stadien der Demenz sollte sich die Behandlung auf die Prävention von Zahnerkrankungen, die Erhaltung des Mundkomforts und das Vorhalten eventuell notwendiger Notfallbehandlungen konzentrieren. Aufgrund der progressiven kognitiven Degeneration wird im Krankheitsverlauf die Frage der Zustimmung des Patienten zur Behandlung zunehmend wichtig. Spätestens ab dem mittleren Krankheitsstadium sollten deshalb Familienangehörige oder Pflegepersonen in die Behandlung mit eingebunden werden. Gemeinsam mit dem Zahnarzt sollte ein Behandlungsplan erstellt werden, der auch die Bedürfnisse des Patienten berücksichtigt. Folgende Fragen müssen im Vorfeld geklärt werden:

  • Welche Symptome oder Probleme hat der Patient (wenn überhaupt)?
  • Wie ist der körperliche und kognitive Zustand des Patienten? Inwieweit kann er bei einer Behandlung kooperieren?
  • Ist der Patient in der Lage, seine informierte Einwilligung zur Behandlung zu geben?

Sobald diese Fragen beantwortet sind, kann der Zahnarzt entscheiden, was gemacht werden muss und wie regelmäßig sich der Patient in der Praxis zur Kontrolle vorstellen sollte. Letzteres hängt vom individuellen Befund ab und sollte nach allgemeinen Empfehlungen drei Monate nicht unter- und zwei Jahre nicht überschreiten.