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Im Kindesalter werden Grundlagen gelegt – auch für die Zahngesundheit

Herr Prof. Zimmer, seit wann haben Sie die wissenschaftliche Leitung des Curriculums Kinderzahnmedizin der Haranni Academie inne und was waren seinerzeit die Beweggründe, ein eigenes Curriculum zu diesem Thema aufzusetzen?

Prof. Dr. Stefan Zimmer: Ehrlich gesagt, liegt das schon so lange zurück, dass ich mich schon nicht mehr so genau an den Zeitpunkt erinnere. Ich glaube, das erste Curriculum unter meiner Leitung fand 2008 statt. Ein Beweggrund gehört zu meinem Standard-Repertoire: Ich versuche, jede Chance, etwas gestalten zu können, zu nutzen. Beim Thema Kinderzahnmedizin hat mich besonders gereizt, dass es sich um ein Fach handelt, das in Deutschland nicht den Stellenwert besitzt, der ihm gebührt. Dabei ist die Kinderzahnmedizin als Querschnittsthema nicht nur interessant, sondern auch enorm wichtig.

Kind während der Behandlung beim Zahnarzt: Der Gaba-Preis zeichnet Konzepte und Ansätze aus, die zur Verbesserung der Mundgesundheit von Kindern und Jugendlichen geführt haben.

Im Kindesalter werden Grundlagen für das gesamte Leben gelegt, das gilt auch für die Zahngesundheit. Natürlich muss vor allem präventives Verhalten etabliert werden, aber im Kindesalter wird auch die Grundlage für eine lebenslange Arzt-Patienten-Beziehung gelegt. Denken Sie nur an die vielen Angstpatienten, die wir in der Zahnmedizin haben. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 15 Prozent der Bevölkerung eine pathologische Zahnarztangst haben. Die Gründe hierfür liegen häufig in Erfahrungen, die im Kindesalter in der Zahnbehandlung gemacht wurden. Allein schon das kann Grund genug sein, sich mit Kinderzahnmedizin zu befassen.

Wir sehen außerdem nach wie vor eine schlechte Versorgungsrate im Milchgebiss mit vielfältigen Folgen für das gesunde Aufwachsen von Kindern. Denken Sie an das Gesichtswachstum, die Sprachentwicklung, die psychische Entwicklung mit der Bildung von Selbstbewusstsein, aber auch die Kaufunktion, die das Milchgebiss gewährleisten muss. Und außerdem sollten auch Kinder keine unnötigen Zahnschmerzen haben. Eine der Folgen habe ich bereits erwähnt: Eine möglicherweise lebenslang schwierige Arzt-Patienten-Beziehung.

Was sind die Schwerpunkte des Curriculums?

Zimmer: Das Curriculum Kinderzahnmedizin ist ja nicht das einzige seiner Art in Deutschland. Also sollte es ein besonderes Profil haben. Zwei Elemente waren mir damals wichtig. Erstens sollte es ein Curriculum vor allem für junge Zahnärztinnen und Zahnärzte sein, die mit der Kinderzahnmedizin noch nicht viel Erfahrung gesammelt haben. Zweitens sollte es einen Kollegenkreis ansprechen, der nicht die Absicht hat, eine reine Kinderzahnarztpraxis zu betreiben, sondern auch Kinder in einer Familienpraxis behandeln möchte.

Da der Unterricht in Kinderzahnmedizin während des Studiums in Deutschland sehr inhomogen ist – es gibt Unis mit eigenen Abteilungen für Kinderzahnmedizin und andere, in denen sich gar niemand dafür zuständig fühlt –, dürfen wir einerseits nicht zu viel voraussetzen, müssen aber andererseits bei der Vermittlung der Grundlagen, wie zum Beispiel der Prävention, auch für diejenigen, die bereits einen hohen Ausbildungsstand haben, einen Mehrwert generieren. Auch sie sollen ja etwas dazulernen. Das ist eine sportliche Herausforderung.

Die Integration der Kinderzahnmedizin in eine Familienpraxis erfordert neben der Vermittlung von Wissen und Können auch ein organisatorisches Konzept, wie ich das umsetzen kann. Beides versuchen wir in dem Curriculum zu realisieren. Da es das Curriculum nun schon fast zehn Jahre gibt und die Nachfrage ungebrochen ist, glaube ich, dass uns das ganz gut gelingt.

Prof. Dr. Stefan Zimmer

Prof. Dr. Stefan Zimmer ist Leiter des Curriculums Kinderzahnheilkunde an der Haranni Academie.

Welches Modul betreuen Sie selbst?

Zimmer: Ich bezeichne mich selbst gerne als Präventivzahnmediziner, obwohl es diese Bezeichnung formal eigentlich gar nicht gibt. Jedenfalls liegt es auf der Hand, dass ich im Curriculum neben der Gesamtverantwortung vor allem für die Prävention zuständig bin. Da die Prävention aus meiner Sicht die Basis für jedes zahnmedizinische Handeln sein muss, weil sie die einzige kausale Maßnahme in unserem Fach ist, steht dieses Modul auch am Anfang des Curriculums.

Was sind die Schwierigkeiten bei der Behandlung von Kindern? Wo liegen aber auch die großen Chancen?

Zimmer: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Sie handeln nicht rational, sondern emotional. Man kann von ihnen keine Einsicht verlangen, dass eine anstehende unangenehme Behandlung die einzige Möglichkeit ist, die nun durchgestanden werden muss. Kinder denken immer, dass es irgendwie auch anders gehen kann, natürlich einfacher. Und allein schon die Chance, eine Behandlung aufzuschieben, ist für sie verlockend, weil sie dann ihren zeitlichen Horizont verlässt. Kinder sind außerdem viel verletzlicher, ein einziger kurzer Schmerz kann schon dazu führen, dass keine weitere Behandlung mehr möglich ist. Und natürlich haben Kinder nicht viel Geduld, deshalb müssen Behandlungen kurzgehalten werden. Wenn es keine anderen Gründe gäbe, wären allein dies Fakten für mich schon ausreichend, gerade bei Kindern vor allem auf die Prävention zu setzen. Dann kann man sich all diese Probleme zum größten Teil ersparen, abgesehen von angeborenen Zahnschäden und Traumata natürlich. Die Chancen erfolgreicher Kinderbehandlung habe ich bereits genannt: Für das Kind ist es das gesunde Aufwachsen und für beide Partner, Kind und Zahnarzt, die Chance einer lebenslangen angstfreien Arzt-Patienten-Beziehung.

 

Für das im September startende Curriculum haben Sie eine Umstrukturierung vorgenommen. Was hat sich konkret geändert und wen konnten Sie gewinnen?

Zimmer: Wichtig war mir, das Thema Lachgas in das Curriculum einzubringen, weil es eine einfache risikoarme Möglichkeit der Sedierung darstellt. Dafür konnten wir den renommierten Anästhesisten Dr. Frank Mathers als Referenten gewinnen. Er hat in Chicago, München und Bonn Medizin studiert und in Bonn auch seine Weiterbildung zum Anästhesisten absolviert. Dr. Mathers unterrichtet im neuen Curriculum das komplette Thema der Anästhesie und Narkose von der Lokalanästhesie über die Sedierung bis zur Vollnarkose. Außerdem übernimmt er das Notfallmanagement. Das Thema Entwicklungspsychologie und psychologische Behandlungsführung übernimmt ab Herbst Frau Dr. Singh-Hüsgen. Sie war bereits im Curriculum tätig und übernimmt nun diesen zusätzlichen Part. Sie hat an der Universität Liverpool Kinderzahnmedizin studiert und arbeitet derzeit als Oberärztin für Kinderzahnmedizin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Auch sie ist eine sehr renommierte Referentin mit einem enormen praktischen Erfahrungsschatz. Last but not least ist Frau Drs. Johanna Kant neu im Team. Sie ist gebürtige Niederländerin und hat in Nimwegen Zahnmedizin studiert. Seit über 25 Jahren arbeitet sie in eigener Praxis in Oldenburg mit den Schwerpunkten Kinderzahnmedizin und Prophylaxe. Ich denke, dass kaum jemand in Deutschland besser über das Thema der Organisation der Kinderbehandlung in der Praxis referieren kann.

 

Was ist der besondere Benefit für die Teilnehmer?

Zimmer: Das wichtigste an jedem Curriculum sind die Referenten. Ich bin stolz darauf, dass wir für unser Curriculum renommierte und erfahrene Dozenten gewinnen konnten. Wichtig ist mir dabei, dass sie nicht nur theoretisch auf der Höhe des Wissens sind, sondern auch ein hohes Maß an praktischer Erfahrung mitbringen.

Bemerkenswert finde ich auch, dass die Präsidenten der beiden wichtigsten kinderzahnärztlichen Gesellschaften zu unseren Referenten gehören: Frau Drs. Kant vom Bundesverband der Kinderzahnärzte und Herr Prof. Dr. Krämer von der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde. Bei unseren Referenten, die an der Universität lehren, profitieren die Teilnehmer des Curriculums davon, dass sie am Puls der Forschung sind und in aller Regel auch selbst intensiv Forschung auf ihrem Spezialgebiet betreiben. Sie alle zusammen sind der Garant dafür, dass sie am Ende das bekommen, wofür wir das Curriculum anbieten: Eine mehr als solide Basis für die Behandlung von Kindern in der Praxis.