Zahnärztebashing geht immer – das dachte sich wohl auch Team Jan Böhmermann. Und sie haben gut recherchiert für ihre Folge #ZDFMagazinDental des „ZDF Magazin Royale“ am 8. März 2024. Fein säuberlich haben sie die etwas evidenzblanken Zahnhälse PZR und KfO frei gelegt, sich die knapp 50 Prozent Privatabrechnung mit dem Mundspiegel angeschaut, Hole-in-one interessante Bildungslücken für die Zahnärzteschaft identifiziert und das Spotlight dann satirisch hellsichtig auf die Stellen ausgerichtet, die beim geneigten Zuschauer das Zwerchfell anregen.
Von Lippenhypnose, Asbest-Implantaten und standespolitischen Peinlichkeiten
Ohne Einstecken der Gesundheitskarte durften die Zuschauer dann auch auf ihrem Sofa gemütlich Platz nehmen und Jan Böhmermann kam – offensichtlich ohne Fachkräftemangel – direkt zur Sache.
Im realen Land des Lächelns
Annähernd 50 Prozent der Einnahmen einer Zahnarztpraxis stammen aus privater Liquidation, weiß Team Böhmermann und sensibilisiert beim Zuschauer das tradierte Klischee des raffzähnischen Porschefahrers. Kein Wort darüber, dass der Gesetzgeber viele Regelungen trifft, was die GKV in seinen Leistungskatalog aufnimmt und wie erstattet. Und dass die meisten Patienten ganz froh sind, selbst entscheiden zu können, ob sie mit der Kassenleistung im Mund umherlächeln oder doch lieber in eine Wahlleistung investieren mögen.
Zack nächstes Thema: Zitat – „Cashcow“ PZR. Nutzen zweifelhaft, so suggeriert Team Böhmermann. Die GOZ 1040 ist die mit Abstand umsatzstärkste GOZ-Position – 2022 machte sie 17,5 Prozent des privat liquidierten Honorarvolumens aus. Der äußerst kritische IGeL-Monitor bewertet die PZR so: „Auch wenn ein positiver Effekt der Kombination aus zweimonatlicher PZR und Anleitung zur persönlichen Mundhygiene im Vergleich zu keiner Intervention im Hinblick auf die Gingivitisprävention zu beobachten war, bleibt insgesamt unklar, welcher Anteil der Interventionen – PZR oder Mundhygieneanleitung – den Ausschlag gab“. In einem Land, in dem Zahnseide so selbstverständlich zum Haushalt gehört wie Goldbrokat, ist Böhmermanns PZR-Pauschalabwertung also etwas fehl am Platz. Selbst die meisten Krankenkassen zahlen mittlerweile zumindest anteilig die PZR und das sicher nicht nur aus Wettbewerbsgründen. Besser also in Prävention und die eigene Gesundheit investieren. Dann kurz KfO. Natürlich auch nur erfunden, um windigen Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner eine lukrative Einnahmequelle zu erschließen, schließlich ist ja noch niemand wegen schiefer Zähne verhungert. Nun ja.
Fortbildung ist, wo Fortbildung draufsteht?
Richtig amüsant wird es dann beim Thema Fortbildung. Ein Markt, der blüht und mitunter seltsame Blüten hervorbringt. So wird Team Böhmermann kurzerhand selbst zum Fortbildungsanbieter und schafft es peinlicherweise in die Fortbildungsprogramme so mancher (Landes)Zahnärztekammer mit Titeln wie beispielsweise:
- „Zahnfleischhypnose – Grundlagen der Entspannungsfähigkeit im Mundraum“ 4 Fortbildungspunkte/ZÄK LSA
- Asbest-Implantate – Die überraschenden Eigenschaften von Asbest-Sand-Mixturen“ 6 Fortbildungspunkte/LZK BW
Zahnärzte und Zahnärztinnen sind nach SGB V Paragraf 95d zur Fortbildung verpflichtet. Vertragszahnarztinnen und -zahnärzte müssen innerhalb eines Fünfjahreszeitraumes 125 Punkte für die Pflicht zur fachlichen Fortbildung nachweisen können. Ansonsten drohen finanzielle Sanktionen bis hin zum Entzug der Zulassung.
Doch wer kontrolliert dieses Angebot? Fortbildung gehören in die Zuständigkeit der (Landes)Zahnärztekammer. Also haben wir mal nachgefragt.
Sollen Zahnärzte die Qualität der Fortbildungen, zu denen sie gesetzlich verpflichtet sind, selbst kontrollieren?
Gefragt nach Vorgaben und Qualitätsmanagement zu den Fortbildungsangeboten, bleibt die BZÄK vergleichsweise schmallippig und verweist auf ihre „Leitsätze zur zahnärztlichen Fortbildung“, die in der Tat eine Reihe Soll-Kriterien erfasst. Mehr kann die BZÄK im Rahmen ihrer Zuständigkeit auch nicht tun, als Empfehlungen auszusprechen. Als Folge der Böhmermann-Sendung nennt die BZÄK dann: „Das Qualitätsmanagement wird diesbezüglich überprüft. Darüber hinaus ist auch jeder Zahnarzt und jede Zahnärztin persönlich gefordert, nur seriöse Fortbildungen zu absolvieren.“ Aha, die Zahnärztin und der Zahnarzt sollen die Qualität ihrer Fortbildungen, zu denen sie gesetzlich verpflichtet sind, selbst kontrollieren?
Die Zahnärztekammer Hamburg widerspricht der Darstellung bei Böhmermann. „Im Fortbildungs-Programm der Zahnärztekammer Hamburg fand und findet sich keine Fortbildung mit dem Titel „Interaktive und kreative Praxis – gemeinsamen Brainstormen mit Patient:innen“, antwortet Konstantin von Laffert, Präsident der ZÄK HH auf unsere Nachfrage. „Wir haben einen Fortbildungsausschuss eingesetzt, der Fortbildungen plant. Von daher erfolgt hier die Prüfung bereits bei der Beratung über die Fortbildungsangebote“, führt er weiter aus. In Hamburg funktioniert das Qualitätsmanagement offensichtlich.
Qualitätsmanagement im stillen Kämmerlein
Die dicksten Klopper platzierte Team Böhmermann auf der Fortbildungsseite der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg. Hier ließ man sich Heilsteine zur Parodontitisprävention, Asbest-Implantate und „Richtiges Abrechnen von Cashmoney pur“ (6 Fortbildungspunkte) ins Programm schreiben. „Die als Selbsteintragungssystem konzipierte Fortbildungsplattform sieht vor, dass externe Fortbildungsanbieter sich vor Eintragung der Fortbildungsveranstaltung verpflichten, die gemeinsamen Leitsätze der Bundeszahnärztekammer, der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund und Kieferheilkunde und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung anzuerkennen und auch die Grundsätze für die Nutzung des Selbsteintragungssystems zu beachten“, beschreibt die LZK BW ihr Qualitätsmanagement.
Das bedeutet also, dass jeder externe Fortbildungsanbieter per Selbsterklärung mit Kursen durchaus lukrative Einnahmen erzielen darf und dafür auch selbst Fortbildungspunkte vergeben kann. Da wird so manch ein Schüler und manch eine Schülerin blass ums Näschen werden vor Neid. Bislang habe es „keinerlei Probleme mit unsachgemäßen Eintragungen gegeben“ so die LZK BW. Hat ja auch keiner so richtig hingeschaut, könnte man meinen.
„Die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg hat diese Fake-Fortbildungen noch vor der offiziellen Ausstrahlung der Fernsehsendung aus dem Kalendarium entfernt“, so die LZK BW weiter. Was hier jetzt ein wenig nach aktivem Qualitätsmanagement anklingt, ist bei genauerer Betrachtung eher eine beschönigende Selbstwahrnehmung. Die „Fake-Fortbildungen“ lassen sich alle im „Internet-Archive“ noch am 8. März 2024, also am Tag der Ausstrahlung der Böhmermann-Sendung, finden.
So einfach Böhmermann anfangs die Lacher mit Zahnärzte-Klischees auf seiner Seite hat, bohrt er beim Thema Fortbildung doch tiefer, als er wohl selbst wahrgenommen hat. Hier besteht offensichtlich Handlungsbedarf – im Sinne der Zahnärzte sowie ihrer Patienten, die auch lieber zufrieden lächeln wollen als verlacht.
Titelbild: ZDF/Jens Koch