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Auftritt Spahn

Deutscher Ärztetag: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zieht insgesamt positive Bilanz.

Deutscher Ärztetag: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zieht insgesamt positive Bilanz.

Bei seiner Eröffnungsrede zum 124. Deutschen Ärztetag zeigt sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn von seiner rhetorisch brillanten Seite. Wer seiner rund 30-minütigen, frei gehaltenen Rede folgte, konnte den Eindruck gewinnen, alles liefe super – von Corona bis Digitalisierung. Das Ungesagte jedenfalls verbesserte Spahns Bilanz erheblich.

Gesundheitsstandort in Corona-Zeiten

Corona fordere das Gesundheitssystem, es habe große Belastungen gesehen, aber zu keiner Zeit eine Überlastung, betonte Spahn; das unterscheide Deutschland von anderen Ländern. Dafür dankte er den mehr als fünf Millionen Beschäftigten im Gesundheitswesen. Eine Stärke machte der Minister in der flächendeckenden medizinischen Versorgung hierzulande aus, daher müsse man hier – im Gegensatz zu den USA – auch nicht in „Supermärkten“ impfen. Einen weiteren Pluspunkt verzeichnete Spahn in Forschung, Produktion und Industrie, die über den Engpass bei Desinfektionsmitteln schnell hinweggeholfen hätten. Die Knappheit im Bereich Schutzausrüstung ließ Spahn unerwähnt, ebenso die Holprigkeit bei der Beschaffung durch sein Ministerium. Das bis Ostern – zur „Auferstehungskehrtwende“ – immer von „Fiasko, „Debakel“, „Desaster“ die Rede gewesen sei, wollte er so nicht stehen lassen und wandte sich den aus seiner Sicht positiven Erkenntnissen zu: Der Öffentliche Gesundheitsdienst sei zwar zu lange vernachlässigt worden. Am Anfang der Pandemie sei das Faxgerät nicht Legende, sondern Fakt gewesen. – Jetzt hielte auch hier die Digitalisierung Einzug. Als konkretes Beispiel nannte Spahn die Software „Sormas“ für die digitale Corona-Kontaktverfolgung und die Vernetzung der Gesundheitsämter bundesweit. Das beispielsweise in NRW – nach Berichten des WDR – nur 15 der 53 Gesundheitsämter derzeit diese Software nutzen, blieb in der Erfolgsbilanz ungesagt.
Die Corona-Warn-App, vom Bund bezahlte Corona-Tests und der Impf-Turbo durch die Beteiligung der niedergelassenen Ärzte bei der Impfkampagne – alles sei auf einem guten Weg. Auch die Privatärzte würden nun eingebunden und dürften impfen sowie dann ebenfalls die Betriebsärzte. In der ersten Hälfte des Julis können dann die Impfpriorisierungen aufgehoben werden, kündigte Spahn an.

Digitalisierung „mit Tempo, ohne Hast“

Dann schlug Spahn den Bogen zur Digitalisierung des Gesundheitssystems. Bei vorangegangenen Ärztetagen habe es viel Kritik an der Telematikinfrastruktur und seinen Anwendungen gegeben. In der Krise hätten sich am Beispiel der Videosprechstunde die Vorzüge der Digitalisierung gezeigt. Und nach 16 Jahren sei nun die elektronische Patientenakte eingeführt. Die Krankenkassen hätten ihren Teil getan, nun läge es an den PVS-Herstellern, den Einführungsprozess bis in die Praxen zu beschleunigen. Viele Ärzte hätten immer gesagt, „diese Telematikinfrastruktur kostet Geld, macht Aufwand, aber bringt mir nichts“, so Spahn. Mit den Anwendungen käme nun der Nutzen in den Praxen an. Unverständnis zeigte der Minister gegenüber dem eingebrachten Leitantrag, der von einer „überhasteten Digitalisierung“ ausgehe. Auch Bundesärztekammerpräsident Dr. Klaus Reinhardt hatte in seinen Eingangsworten noch „vor einer zu engen Taktung bei der Digitalisierung“ gewarnt. Neue Anwendungen könnten so nicht mit der notwendigen Gründlichkeit auf ihre Praxistauglichkeit erprobt werden. „Wenn ich die letzten 20 Jahre nehme, kann ich nicht viel Überhastung merken“, konterte Spahn. Er mache Tempo, „weil ich nicht möchte, dass wir beim Gesundheitsdigitalisieren so abhängig von China werden, wie wir es bei 5G zum Beispiel geworden sind.“ Und Spahn weiter: „Gerade beim Thema Gesundheit – dem sensibelsten Bereich – möchte ich Angebote aus Deutschland haben. Wir hasten nicht, wir machen Tempo.“
In einer anschließenden Diskussionsrunde mit Bundesärztekammerpräsident Reinhardt appellierte Minister Spahn dringend an die Ärzte, nun zeitnah ihren elektronischen Heilberufsausweis zu bestellen, da sie nur so die ePA mit E-Rezept, eAU, Medikationsplan und Notfalldatensatz befüllen können. Gesetzlicher Stichtag ist dafür der 1. Januar 2022, im Anschluss sind bei Nichtteilnahme Sanktionen vorgesehen. Auf Nachfrage von Reinhardt schloss Spahn Sanktionen für den Fall aus, „da, wo objektiv es nicht geleistet werden kann, soll es auch keine Sanktionen geben.“