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Gerade und weiß sollen sie sein, vor allem bei Mädchen

Der Kommentar von Chefredakteur Marc Oliver Pick

Der „Barmer Zahnreport 2024“ hat wieder genau hingeschaut. Im Fokus der aktuellen Untersuchung steht zum ersten Mal die kieferorthopädische Behandlung in Deutschland. Was sie kostet, wie lange sie dauert und wer sie in Anspruch nimmt. Einige der vorgestellten Ergebnisse in Band 46 der „Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse“, durchgeführt vom Barmer Institut für Gesundheitssystemforschung (bifg), überraschen auf den ersten Blick, manches lässt sich nicht ohne Weiteres erklären.

Über einen Zeitraum von zehn Jahren, von 2013 bis 2022, wurden Abrechnungs- beziehungsweise Routinedaten von mehr als 50.000 Achtjährigen, die bei der Barmer familienversichert sind, ausgewertet. Mehr als 70 Prozent wurden primär kieferorthopädisch vorgestellt, 55 Prozent wurden behandelt.

Mädchen werden häufiger kieferorthopädisch behandelt

Vor allem zwei Ergebnisse sind auffallend: Zum einen werden Mädchen häufiger als gleichaltrige Jungen kieferorthopädisch behandelt. „Auf fünf Jungen kommen sechs Mädchen“, stellt der Zahnreport fest. Der Unterschied liege überraschend konstant über alle Bundesländer bei 10 Prozentpunkten. 

Zur Erklärung dieses Unterschieds ziehen die Autoren der Studie verschiedene Möglichkeiten in Betracht. Ein Blick auf die Inanspruchnahme zahnärztlicher Leistungen insgesamt zeigt, dass 2022 im Schnitt 68,6 Prozent der Versicherten mindestens einmal eine zahnärztliche Behandlung in Anspruch genommen haben. Der Anteil betrug bei Männern 64,5 Prozent, bei Frauen 72,7 Prozent. Dass das stärker ausgeprägte Gesundheitsbewusstsein von Frauen einen Einfluss auf die höhere Inanspruchnahme kieferorthopädischer Leistungen durch Mädchen hat, ist jedoch allenfalls ein indirekter Faktor. 

Spannungsfeld zwischen Fehlstellung und ästhetischen Aspekten

Der „Barmer Zahnreport“ vermutet vielschichtige Ursachen für geschlechterspezifisch unterschiedliche Inanspruchnahmen. Er spricht von einem „Spannungsfeld zwischen behandlungsbedürftiger, funktionseinschränkender Zahn- beziehungsweise Kieferfehlstellung und ästhetischen Aspekten“, in dem sich die Kieferorthopädie bewegt. 

Der „Social Proof“ könnte, so die Vermutung, unter der wachsenden Beeinflussung durch soziale Medien eine größere Rolle bei Mädchen als bei Jungen spielen. Auch „die Einschätzung des Behandlungsbedarfs und die Beratung durch die Behandelnden könnten einen gewissen Anteil am ermittelten geschlechterspezifischen Unterschied hervorrufen“, vermutet der Report. Außerdem trage das Fürsorgeverhalten der Eltern nachweislich zu einer häufigeren Vorstellung von Mädchen beim Kieferorthopäden bei. Ein signifikanter Unterschied zwischen objektivem und subjektivem Behandlungsbedarf sei bereits in anderen Studien nachgewiesen worden.

Große regionale Unterschiede

Das zweite wichtige Ergebnis des Zahnreports sind die großen regionalen Unterschiede in der Inanspruchnahme kieferorthopädischer Behandlungen. Wie ist zu erklären, fragen die Studienautoren, „warum in Bremen 46 Prozent der Kinder und Jugendlichen kieferorthopädisch behandelt werden, aber in Bayern 60 Prozent?“ Regional unterschiedliche Fachzahnarztdichten reichten als Erklärung kaum aus, da die Versorgung von Praxen ohne kieferorthopädischen Schwerpunkt ausgeglichen werde. Dies gelte in wirtschaftlich und sozial starken wie in schwächeren Regionen gleichermaßen.

Insgesamt sei der Zugang zu kieferorthopädischer Versorgung in Deutschland zufriedenstellend, so der „Barmer Zahnreport 2024“. Versorgungspolitisch sollte aber „die regionale Verfügbarkeit von Fachzahnärztinnen und -ärzten im Auge behalten werden“. Denn in der kieferorthopädischen Versorgung zeichneten sich zunehmend strukturelle Probleme ab. So sei die Zahl kieferorthopädischer Fachzahnärzte beispielsweise in Thüringen um 36 gesunken, im selben Jahr in Bayern um 200 gestiegen. Die Kassenzahnärztliche Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern hat bereits „besonders förderfähige Bereiche“ ausgewiesen, um eine drohende Unterversorgung zu verhindern. 

Die kieferorthopädische Versorgung in Deutschland funktioniert. Regional braucht es aber Anreize, damit das Versorgungsniveau auch so bleibt.

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