Wie gesundes Aufwachsen von Kindern mit Blick auf die Zahngesundheit gelingt, zeigt diese dzw-Reportage.
Große Kinderaugen, viele Fragezeichen: „Fünf fünf bis sechs fünf, sieben fünf bis acht fünf“ tippt ZFA Ellen Röttgen in den Laptop. „Die Zahlen sind keine Geheimsprache“, sagt Dr. Ulrike Pelser, die an diesem Vormittag im April in der Bonner Kindertagesstätte Heilig Geist eine zahnärztliche Reihenuntersuchung durchführt. „Das sind die Namen der Zähne“, klärt sie mit sanfter Stimme auf.
Basisarbeit statt Behandlung
Dr. Pelser und ihre Kollegin Dr. Imke Maywald sind das ganze Jahr über in Bonn unterwegs. Sie untersuchen Kinderzähne an Kitas und Schulen und leisten damit „Basisarbeit“. Jede von ihnen besucht mindestens eine der mehr als 300 Bonner Einrichtungen pro Tag. Ziel der gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchungen, sagt Dr. Maywald beim Interview im Gesundheitsamt, sei eine Bestandsaufnahme, die Rückschlüsse auf Veränderungen erlaubt. Sie behandeln nicht, betont die Zahnärztin, sondern erheben den Befund im Rahmen eines Screeningverfahrens. Den Eltern empfehlen sie, zumindest zweimal im Jahr mit ihrem Nachwuchs einen Zahnarzt aufzusuchen.
„Ich bin Frau Dr. Pelser vom Gesundheitsamt und bin dafür da, um auf eure Zähne aufzupassen“, stellt sich die Zahnärztin im Turnraum der Katholischen Kita Heilig Geist den Kindern vor. „Ich bin heute zu Besuch, um eure Zähne anzugucken, sie durchzuzählen und zu schauen, ob sie gesund sind.“ Bevor sie beginnt, fragt sie die Kinder, was man zum Zähneputzen braucht, wie oft geputzt und was am besten getrunken werden soll. „Ein sauberer Zahn wird selten krank“, betont die Zahnärztin. „Und keine Bange“, fügt sie lachend hinzu, „ob die Zähne wackeln oder nicht – alles bleibt heute im Mund!“
Fridolin hilft
Um die Stimmung zu lockern, bringt sie Fridolin ins Spiel. „Habt ihr noch eine Erinnerung an Fridolin?“, fragt Dr. Pelser. „Von dem soll ich euch ganz herzlich grüßen!“ Das grüne Stofftier kennen viele Kinder bereits und finden es toll. Der Zahnputzdrache gehört den Prophylaxeberaterinnen des Arbeitskreises Jugendzahnpflege, die mehrmals im Jahr Bonner Kitas besuchen und die Bedeutung richtiger Mundpflege und gesunder Ernährung vermitteln.
Weißer Kittel, Mundschutz, Mundspiegel, Sonde und medizinische Leuchte – an der Ausstattung, die im Übrigen den gleichen Hygienevorschriften wie in der Praxis unterliegt, seien die Kinder immer interessiert. Neugierig gucken sie sich jedes Mal die zahnärztlichen Instrumente, die Dr. Pelser ihnen vorstellt, an. „Wir versuchen, die Begegnung mit dem Zahnarzt als eine positive Erfahrung zu vermitteln und Hemmungen spielerisch zu überwinden beziehungsweise sie gar nicht aufkommen zu lassen“, erzählt sie. Und wenn sich ein Kind doch nicht gleich zu ihr nach vorne traue, dürfe es auch seinen Spielfreund an die Hand nehmen.
Eltern können viel tun
„Du bist in allen vier Ecken erwachsen geworden“, lobt Dr. Pelser einen Jungen und schiebt dabei seine rechte Wange leicht beiseite. „Du hast alle vier Schulzähne“, erklärt sie dem Vorschulkind. Als Schulzähne bezeichnet die Zahnärztin die Molaren 16, 26, 36 und 46. Diese guckt sie sich immer besonders aufmerksam an. Wenn nötig, empfiehlt sie im anschließenden Elternbrief, einen Zahnarzt aufzusuchen und im Rahmen eines Prophylaxetermins falls erforderlich eine Fissurenversiegelung vornehmen zu lassen.
„Die Milchzähne sind immer noch in schlechtem Zustand“, fasst sie ihre Erfahrungen zusammen. „Wir sehen viele zerstörte Zähne, und das tut uns leid. Dabei können Eltern in Sachen Mundhygiene ihrer Kinder so viel tun“, fährt sie fort. Eltern sollten in jedem Fall auf zahngesunde Ernährung achten, frühzeitig mit zahnärztlichen Kontrollen beginnen und bis zur ersten Klasse nachputzen.
Zahnpflege fördern
In Nordrhein-Westfalen sind die zahnärztlichen Reihenuntersuchungen durch die Gesundheitsämter gesetzlich im Schulgesetz NRW (SchulG), im Kinderbildungsgesetz (KiBiz) und im Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen (ÖGDG NRW) verankert. „Das ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt“, erzählt Dr. Maywald. „In Rheinland-Pfalz gibt es beispielsweise Vertragszahnärzte, sogenannte ‚Patenzahnärzte‘, die die Schulen besuchen und die Kitas teilweise in ihre Praxen einladen. In Brandenburg ist neben den Reihenuntersuchungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes auch dessen Projekt ‚Kita mit Biss’ erfolgreich“, fügt sie hinzu.
In Bonn führt der zahnärztliche Dienst die gesetzlich vorgeschriebenen Reihenuntersuchungen und Beratungen in Kindergärten, Gymnasien, Grund-, Gesamt-, Haupt- und Förderschulen durch. Dr. Imke Maywald und Dr. Ulrike Pelser sind im gesamten Stadtgebiet für rund 38.000 Kinder verantwortlich. Die Kinder werden durch die Zahnärztinnen des Zahnärztlichen Dienstes und den Arbeitskreis Jugendzahnpflege regelmäßig auf die Wichtigkeit der Ritualisierung des Zähneputzens nach den Hauptmahlzeiten auch in der Kita hingewiesen. In fast 70 Prozent der Bonner Kitas werden täglich unter Einhaltung der Hygienevorgaben die Zähne geputzt.
„Zähneputzen ist wie Hände waschen und Schuhe anziehen“, sagt Claudia Seidel, Leiterin der Kita Heilig Geist. „Das versuchen wir den Kindern zu vermitteln, sind aber in unseren Möglichkeiten begrenzt. Bei uns werden 69 Kinder in drei Gruppen von acht Mitarbeitern betreut.“ Die Kinder in der Kita beim Zähneputzen zu begleiten, bedeute für das Team einen enormen Arbeitsaufwand. Außerdem tauschen Kinder ihre Zahnbürsten oft untereinander, sodass auch hygienische Gründe eine Rolle spielen. „Deshalb haben wir uns für eine projektbezogene Lösung entschieden und freuen uns, mit den Besuchen der Zahnärztin und der Prophylaxeberaterin in unserer Kita die Kinderzahnpflege zu unterstützen“, sagt die Kita-Leiterin.
Dr. Pelser und Dr. Maywald wollen nicht nur Eltern, sondern auch Kitas motivieren, die Zahnpflege zu fördern. Die Arbeit mit den Kindern bereite ihnen viel Freude. „Unsere Tätigkeit ist sinnvoll und notwendig, und wir können dabei eine ganze Menge bewirken“, sind sie sich einig.