Oh Gott – ein Fehler! Über die Kunst, die Schieflage schnell zu beseitigenEin Fehler ist nichts anderes als die Abweichung vom richtigen Weg, von Regeln oder Richtlinien. Fehleroffenheit ist eine Königsdisziplin, denn es ist kurzfristig gedacht, ein Missgeschick zu verschweigen. Fehler in der Arbeitsweise zeigen lediglich, dass noch etwas fehlt. Sie sind insoweit hilfreich, da sie Entwicklungsmöglichkeiten und Lernfelder aufzeigen. Die Kunst besteht darin, die Schieflage schnell zu erkennen und zu beseitigen.
Schritte zur systematischen Fehlerabstellung:
1. Beschreibung meines Fehlers: Was ist mir genau passiert? Bin ich alleine dafür verantwortlich?
2. Analyse der Ursache: Wieso ist mir der Fehler passiert? Wie hätte ich ihn im Vorfeld verhindern können? Was waren die Einflussfaktoren?
3. Sofortmaßnahmen: Wie kann ich den augenblicklichen Fehler korrigieren? Welche Akutmaßnahmen muss ich treffen, damit eine Ausweitung des Problems verhindert werden kann?
4. Abstellmaßnahmen: Was sollte ich tun, um in Zukunft ähnliche Pannen zu vermeiden? Wer kann mir dabei mit Rat und Tat helfen?
Wer etwas falsch macht, fühlt sich schlecht. Stresshormone treiben ihr Unwesen, es entsteht Angst vor weiterem Versagen. Für alle ist es eine Überwindung, einen Fehler zuzugeben, sie kratzen am eigenen Ego. Durch Kritik fühlen sich viele in ihrem Selbstwertgefühl verletzt und reagieren dementsprechend. Andere nehmen den eigenen Fehler nicht ernst, er wird als geringfügig eingestuft, ein Schutzmantel für das eigene Selbstbewusstsein. Hat ein unbedeutender Fehler keine Auswirkungen, wird er manchmal sogar hingenommen.
Angst vor Konsequenzen steht der Offenlegung von Fehlern entgegen. Häufig werden Fehler schnell korrigiert, bevor jemand davon erfährt, statt Transparenz also „Dunkelziffer“. Präventivmaßnahmen sind schwierig, wenn ein Fehler nicht transparent wird. Richtiges Verhalten bei Pannen und die Annahme der Kritik schaffen Respekt bei Kolleginnen und Vorgesetzten.
Wer Angst hat, einen Fehler zu machen, wird schwierige Aufgaben ablehnen. Dann übernimmt man keine anspruchsvollen Aufgaben, bei denen die tägliche Routine fehlt und es zu Fehlern kommen kann.
Falsche Verhaltensmuster:
• Verdrängen von Fehlern (Ausblendtaktik)
• den Kritiker angreifen (Angriffstaktik)
• nichts tun, um weitere Fehler zu vermeiden (Ausweichtaktik)
• die Schuld anderen zuschieben (Verschiebung)
• sich auch nichts mehr zutrauen (VogelStrauß-Taktik)
So reagiert man richtig: Wenn man lernfähig ist, begrüßt man ein konstruktives Kritikgespräch, das wegen eines Fehlers vorgenommen wird. Ideal ist es, wenn man sich selbst „unter die Lupe nehmen kann“ und dabei die Eigenkritik der Leistung vornimmt. Dann ändert man seine Arbeitsweise, bevor es zu einem Kritikgespräch kommt. Es kostet zwar Überwindung, fühlt sich aber gut an, wenn man sich bei Fehlern nicht herausredet, sondern dazu steht, rechtzeitig Einsicht zeigt und Präventivmaßnahmen überlegt.
Auf Kritik sollte man nicht reflexartig reagieren, sondern einen Moment verweilen, das eigene Gefühl wahrnehmen, das Gefühl der Rechtfertigung beiseiteschieben und sich vornehmen: „Gut, ich warte ab, was noch kommt, und überlege dann in Ruhe, wie ich mich verhalten werde.“ So lassen sich die spontanen Gefühle regulieren und man hat sich selbst besser im Griff. Bewährt hat sich in der Situation der Kritikannahme auch der gedankliche Rollentausch: Zum Beispiel übernimmt die Mitarbeiterin die Rolle ihres Chefs, versetzt sich in seine Lage und überlegt, wie sie selbst als Sender eine Kritik übermittelt.
Mit Fehlern umgehen
Die „destruktive Kritik“ macht in vorwurfsvoller Weise die Leistungsdefizite klar und überzeugt nicht, das Verhalten zu ändern. Im Gegensatz dazu steht die „konstruktive Kritik“, die sich durch ein aufbauendes Gespräch auszeichnet und hilft, sich weiterzuentwickeln. Der Kritiker beschäftigt sich nicht nur mit der Panne, sondern mit der Lösung.
Zuhören
Auch wenn der Tatbestand der Kritik falsch ist – die erste Regel heißt zuhören! Falls nötig, kann man um Details bitten. Mit der Frage „Könnten Sie mir das genauer erklären?“ erhält man weitere Informationen. Berechtigte Kritik wird am besten erkennbar akzeptiert: „Sie haben Recht“, „Ich sehe es ein. Ich werde es ändern.“ Gemeinsam werden dann die nötigen Voraussetzungen besprochen, unter denen eine Änderung der Arbeitsweise möglich ist. Bei der Annahme der Kritik ist die Leistungsverbesserung gefragt, die Entschuldigung für die Panne genügt nicht.
Ich-Botschaft
Ist die Kritik nicht gerechtfertigt, ist eine angemessene Reaktion nötig. Dafür nutzt man die „Ich-Botschaft“: „Ich fühle mich …“, „Ich bin nicht einverstanden mit …“, „Ich finde, das ist …“. Riskant ist die „Sie-Botschaft“, weil sie aus Sicht des Vorgesetzten vorwurfsvoll wirkt: „Sie dürfen mir nicht vorwerfen, dass…, Sie haben übersehen, …“. Falls entgegen allen Erwartungen persönliche Worte vom Chef fallen, bittet man um Erklärung. Es gibt Situationen, in denen eine Kritik vorhersehbar ist. Wer zum Beispiel zu Arbeitsbeginn unpünktlich ist, sollte nicht nach Ausreden suchen. Wenn man von unterwegs anruft und sich entschuldigt, nimmt man dem Chef den Wind aus den Segeln. Der Anruf kostet zwar Überwindung, ist aber die bessere Lösung.
Kritik muss konstruktiv sein
Ein Chef sollte nicht nur die Fehler vorhalten, sondern auch Hilfe zur Verbesserung geben. Wer mit der Art und Weise der Kritik nicht einverstanden ist, kann dies höflich äußern; im äußersten Fall kann man darauf hinweisen, dass einem die Akzeptanz leichter fällt, wenn das Gespräch nicht in den Bereich des Persönlichen ausufert. Durch andere Arbeitseinteilung oder weniger Überforderung schafft der Chef die Voraussetzung für fehlerfreies Arbeiten.
No Go
Es kommt nicht nur auf den Tatbestand an, sondern auf einzelne Formulierungen des Chefs im Kritikgespräch. Generalisierungen wie „immer falsch“, „nie sind Sie pünktlich“, „jedes Mal dasselbe mit Ihnen“ sind absolute No-Gos eines Vorgesetzten. Übertreibungen führen immer zu Ablehnung. Bei der Bewertung einer Leistung müssen auch der Schwierigkeitsgrad der Arbeit und eventuelle Überforderung bei Überstunden berücksichtigt werden, ebenso, ob es sich um eine jüngere Mitarbeiterin oder eine erfahrene handelt. Darüber darf man auch mit dem Zahnarzt sprechen, denn Leistungen können nicht nur an Arbeitsergebnissen der Spitzenkräfte gemessen werden.
Wer vor anderen kritisiert, verstößt gegen Führungsgrundsätze. Diskretion ist oberstes Gebot, Patienten oder Kollegen dürfen nichts von der Kritik über das Leistungsdefizit einer Mitarbeiterin erfahren. Bei einer
Loyalität
Patientenreklamation steht der Chef selbstverständlich hinter seinem Team, das darf jeder im Rahmen der Loyalität erwarten. Wer sich nach einer Panne besonders anstrengt, erwartet eine ausdrückliche Anerkennung vom Zahnarzt. Fehlerfreies Arbeiten braucht auf jeden Fall eine deutliche Rückmeldung. Das spornt an und motiviert, die gute Leistung zu halten.
Verbessern Sie Ihre Leistung erkennbar, dürfen Sie ein Lob vom Chef erwarten. Andernfalls sprechen Sie ihn darauf an, Sie haben das Recht auf ein Feedback. Das sollte auch von den Kollegen kommen.
Das Kritikgespräch ist gescheitert, wenn
• sich der gleiche Fehler beim Betreffenden wiederholt, also keine Besserung eintritt,
• sich die Leistung nur kurzfristig bessert und dann wieder nachlässt,
• der Mitarbeiter guten Willens ist, aber die erwartete Leistung nicht erbringen kann,
• der Mitarbeiter sich frustriert zurückzieht und sich sein Einsatz verschlechtert,
• es zu einer Diskussion über den Tatbestand kommt,
• der Vorgesetzte nachtragend oder misstrauisch ist,
• die Diskretion verletzt wird und Kollegen oder Patienten von der Kritik erfahren,
• der Chef persönlich wird, weil er über den Vorfall sehr erregt ist.
Rolf Leicher, Heidelberg