Anzeige

„Machen ist wie wollen. Nur krasser!“

01_Alles_ausser_Zaehne

Einen kleiner Motivationsschub für das neue Jahr gab es Anfang Januar 2019 im Sofitel Hotel Munich Bayerpost.

Kleiner Motivationsschub für das neue Jahr gefällig? Dann war man Anfang Januar 2019 im Sofitel Hotel Munich Bayerpost an der richtigen Adresse. 350 Teilnehmer warfen einen unternehmerischen Blick in die Zukunft der Branche. Dabei ging es um vieles, nur nicht um Zähne.

Carsten Schlüter, Mitinitiator der Veranstaltung, führte durch zwei spannende Tage und zeigte gleich zu Beginn die vier wichtigsten Trends im Dentalmarkt auf. Thema Nummer eins ist, wie könnte es anders sein, die Digitalisierung. Jede Branche ist damit mehr oder weniger stark konfrontiert und ehemals erfolgreiche Unternehmen werden aufgrund der stattfindenden Umwälzungen förmlich weggespült. Das größte Taxiunternehmen der Welt besitzt kein einziges Taxi. Der größte Buchhändler der Welt besitzt kein einziges Bücherregal. Wirecard verdrängt eine Bank aus dem DAX. Nur drei Beispiele von vielen, die deutlich machen, welch rapide Entwicklung wir im Zuge der Digitalisierung durchleben. Und auch vor der Zahnmedizin machen die Bits und Bytes keinen Halt.

Die vier großen Trends der Dentalbranche

Der Patient wird die Digitalisierung, die er aus anderen Lebensbereichen gewohnt ist, auch in der medizinischen Versorgung einfordern. In einer Umfrage gaben 59 Prozent der befragten Patienten an, eine Online-Terminvereinbarung nutzen zu wollen. Dieser Wunsch wird sich nicht mehr allzu lange ignorieren lassen. Und das wird nur der Anfang sein. Auch Online-Sprechstunden werden kommen. Für den zahnärztlichen Bereich wird diese Form der Kommunikation sicherlich nur eine untergeordnete Rolle spielen. Doch für Beratungsgespräche oder einfache diagnostische Entscheidungen wird es, gerade im ländlichen Bereich, nicht ausbleiben. Und wer weiß, welche diagnostischen Hilfsmittel sich die Industrie einfallen lassen wird. Ein Kariesscan per Smartphone – wieso nicht?

Die zweite große Veränderung der kommenden Jahre wird die Strukturen betreffen, in der Zahnärzte arbeiten. Der Automatismus, dass sich ein Zahnarzt irgendwann nach der Selbstständigkeit sehnt, gehört der Vergangenheit an. Bis 2023 werden in Deutschland 12.700 Praxen zu verkaufen sein. Ob jede von ihnen einen Abnehmer finden wird? Stark zu bezweifeln: Junge Menschen haben andere Bedürfnisse und wollen zunehmend in das Angestelltenverhältnis. Auf der anderen Seite führt das Größenwachstum der Praxen dazu, dass mehr und mehr Zahnärzte zu echten Unternehmern werden. Und letztlich wird auch das Thema der Großinvestoren in den nächsten Jahren eine wichtige Rolle in der Umgestaltung des deutschen Dentalmarktes spielen.

Die zunehmende Feminisierung des zahnärztlichen Berufs ist der dritte Trend, der Veränderungen mit sich bringt. Bald sind die Hälfte der praktizierenden Zahnärzte sind Frauen. An zahnmedizinischen Universitäten liegt der Frauenanteil bei nahezu 70 Prozent. Dies wird für Praxisinhaber beispielsweise die Themen Kinderbetreuung und Teilzeitmodelle immer mehr in den Fokus rücken lassen. Es soll bereits Praxen mit angeschlossenem Kindergarten geben... was auch für angestellte Helferinnen ein Argument sein könnte, sich für diesen einen Arbeitgeber zu entscheiden.

Womit man auch schon bei der letzten und vielleicht auch am schwierigsten zu lösende Herausforderung im Dentalmarkt angelangt wäre: der Fachkräftemangel. Sie kennen sicherlich auch den Kollegen, der Ihnen verzweifelt sein Herz ausschüttet: „Ausgerechnet bei uns im Ort gibt es keine Helferinnen!“ Da ist er, standortunabhängig, wohl nicht alleine. Praxisinhaber werden sich einiges einfallen lassen müssen, um als attraktiver Arbeitgeber zu qualifiziertem Personal zu kommen. Sie müssen sich einstellen auf das Mindsetting und die Bedürfnisse der Generation Y und Z, aus denen die Mitarbeiter der Zukunft kommen werden. Sie denken, die Jugend von heute ist böse und faul? Seien Sie beruhigt, dass dachten die Babylonier über ihre Nachkommen vor 3.000 Jahren auch schon.

400 Entscheidungen treffen wir am Tag. Klingt viel. Das sind aber lediglich jene Entscheidungen, die sich täglich um die Nahrungsaufnahme drehen. Und es gibt ja so viel mehr Dinge, die man im Laufe eines Tages abwägen muss. Höre ich Helene Fischer oder soll es ein schöner Tag werden? Ziehe ich mich an und fahre dann zur Arbeit? Oder fahre ich zur Arbeit und ziehe mich dann an? So häufen sich im Laufe von 24 Stunden um die 100.000 Entscheidungen an. PD Dr. med. habil. Volker Busch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, stellt daher zur Diskussion: Kopf oder Bauch – wie entscheiden wir (besser) in Zeiten von Big Data. Eindeutig wissenschaftlich belegt ist die Tatsache, dass wir morgens, frisch und ausgeruht, schneller und besser Entscheidungen treffen. Sind wir erschöpft und müde, ist die Entscheidungsfindung oftmals eingeschränkt. Oder haben Sie jemals, nachdem Sie sich durch das Obergeschoss eines schwedischen Möbelhändlers gekämpft haben, die richtige Entscheidung im Untergeschoss getroffen und die völlig überflüssigen Teelichter links liegen gelassen? Eben.

Intuition kann Leben retten

Doch wird uns künstliche Intelligenz bei diesen Abwägungen nicht irgendwann bis zur Unfehlbarkeit unterstützen? Vielleicht, doch eins fehlt Computern nach wie vor. Sie können Dinge nicht anhand von Beobachtungen und Erfahrungen entscheiden. So etwas wie Bauernregeln, also Gesetzmäßigkeiten aufgrund sehr genauer Beobachtungen, kann eine KI nicht erstellen. „Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein!“ So etwas käme Siri wohl nicht über ihre digitalen Lippen. Beim Menschen hingegen vollzieht sich im Hippocampus eine regelmäßige Suche nach Mustern. Je nach Erfahrungsschatz wird bei einem bekannten Muster eine Entscheidung getroffen, ohne vorher alle einzelnen Variablen zu überprüfen. Bei einer Musterabweichung hingegen kommt es zu einer Gefahrenmeldung. Eine getroffene Entscheidung aufgrund eines erkannten Musters wird auch als „Intuition“ bezeichnet.

Dass Intuition Leben retten kann, zeigte sich 1950 in Monaco. Juan Manuel Fangio schießt mit hoher Geschwindigkeit durch den Tunnel auf den Hafen zu – und bremst mitten im Tunnel. Kurz darauf, als er den Tunnelausgang erreicht, sieht er eine Massenkarambolage in der Hafenschikane. Hätte er nicht gebremst, wäre sein Alfa Romeo wohl auch stark kaltverformt worden. Das Erlebnis lässt ihn nicht los. Wieso hat ihn, ohne von dem Unfall etwas zu sehen, im Tunnel ein schlechtes Gefühl beschlichen? Er geht die Szene wieder und wieder im Kopf durch, bis ihm irgendwann klar wird, warum er vom Gas gegangen war. Es war die Blickrichtung der Zuschauer! Sie hatten nicht, wie bei allen Tunneldurchfahrten zuvor, ihre Blicke auf ihn gerichtet. Sie hatten stattdessen die Köpfe 90 Grad in Richtung Hafenbecken gedreht. Diese Abweichung vom bekannten Muster hat seine Alarmglocken schrillen lassen – was ihm vielleicht das Leben rettete. Intuition profitiert von Ruhe und Gelassenheit. Das sollte man sich stets vor Augen halten und das Gehirn öfter einfach mal „machen lassen“. Denn nicht selten bewahrheitet sich das Sprichwort: „Ein Reichtum an Informationen schafft eine Armut an Aufmerksamkeit.“

Manchmal reichen eben schon wenige Informationen oder Zahlen, um daraus vieles ableiten zu können. Das bewies Uwe Schäfer am zweiten Kongresstag. Und ein Blick auf die eigene, betriebswirtschaftliche Auswertung lohnt sich besonders mit der Frage im Hinterkopf: „Wo stehe ich und wo könnte ich stehen?“ Dabei sollte man sich besonders den Trend der Zahlen ansehen, um mögliche Fehlentwicklungen beziehungsweise Verbesserungsmöglichkeiten auszumachen. Ebenfalls hilfreich können Benchmarks, also die Zahlen der Branchenbesten, oder ein Blick in das Jahrbuch der KZBV sein.

Ein Angebot, dass Patienten sehr zu schätzen wissen, ist die Möglichkeit der zinsfreien Ratenzahlung. Im Durchschnitt werden ca. 10 Prozent der Leistungen mit Ratenzahlung abgerechnet, Tendenz steigend. Und „die“ Grundregel der BWL sollte man auch als zahnärztlicher Unternehmer beachten: Liquidität geht vor Rentabilität geht vor Umsatz. Deutlich wird das unter anderem bei einem Blick auf den Vergleich einer Inhabergeführten Einzelpraxis und einer Praxisgemeinschaft. Logischerweise steigt hier der Umsatz durch einen zweiten Behandler. Was unter dem Strich für jeden Einzelnen übrig bleibt, ist häufig jedoch nicht mehr als in einer Einzelpraxis.

Wird alles künstlich intelligent während wir natürlich dumm bleiben?

Was sagt ein Blick in die Glaskugel über die Zukunft der Medizin aus? Wird alles künstlich intelligent während wir natürlich dumm bleiben? An zukunftssicheren Lösungen arbeiten die Healthcare Futurists. Dr. Tobias Gantner zerbricht sich gemeinsam mit 150 Mitarbeitern den Kopf über die Integration digitaler Möglichkeiten in medizinische Analyse- und Behandlungsmöglichkeiten. Eins steht fest: Viele Entwicklungen werden das Verhältnis zwischen Arzt und Patient nachhaltig verändern. Der Bedarf an medizinischer Beratung von zu Hause aus scheint hoch zu sein. Allein bei Google werden täglich 14 Millionen Suchanfragen zu medizinischen Themen gestellt. Andere Länder sind schon deutlich weiter, was den digitalen Datenaustausch angeht. In Polen beispielsweise gibt es Rezepte bereits elektronisch. Aber dass Deutschland auch bei diesem Thema aktuell keine Vorreiterrollen einnimmt, dürfte die wenigsten überraschen.

Stark auf dem Vormarsch sind „wearables“ und „dressables“. Sprich, smarte Alltagsbegleiter, die am Körper getragen werden und beispielsweise den Herzschlag messen und dokumentieren. Die so gewonnenen Daten werden für die zukünftige Diagnostik und Behandlung eine immer größere Rolle spielen. Gantner ist sich sicher: Der Arzt wird immer mehr vom „Half God“ zum „Health Guide“ mutieren, was nicht unbedingt etwas schlechtes sein muss.
An Herausforderungen rund um den zahnmedizinischen Beruf wird es zukünftig also sicherlich nicht mangeln. Doch jede neue Entwicklung bietet auch neue Möglichkeiten, und so wird es auch in auch für die nächsten Berufsjahre heißen: Man muss nur wollen. Oder wie es Schlüter den Kongressteilnehmern abschließend zuruft: „Machen ist wie wollen. Nur krasser!“

Dr. Gregor Ley BA, Steyr