Ein wichtiger Punkt vorweg: Natürliche Inhaltsstoffe in Zahnpflegeprodukten müssen der Wirkung von chemisch-synthetischen Präparaten in nichts nachstehen. Das möchte ich deshalb vorausschicken, da ich häufig in der Praxis von Patienten angesprochen werde, die ihre Zahnpflege gerne umstellen würden auf „Produkte mit nicht so vielen Zusatzstoffen“. Sie fürchten aber, der Schutz und die Pflege biologischer Alternativen könnte nicht ausreichend sein. Hier darf man ganz klar sagen: Das stimmt nicht. Aber man muss wissen, welche pflanzlichen Inhaltsstoffe in welcher Dosis welche Wirkung haben. Denn biologische Prophylaxe – überspitzt formuliert – meint natürlich nicht, ein paar Kräuter in einen Topf zu werfen, und darauf zu hoffen, dass die gewünschte Wirkung erzielt wird. Es gibt zahlreiche Pflanzen und natürliche Stoffe, die eine hohe Wirksamkeit haben. In der Nutzung kommt es darauf an, die Wirkstoffe zu kennen und zu wissen, in welcher Dosierung und Aufbereitung sie für beziehungsweise gegen etwas wirken.
Stark umstritten – Aktivkohle: Gerade im Bereich der Zahnpasten gibt es viele Alternativen zu den herkömmlich-industriellen Produkten. Ein Wirkstoff, über den viel gesprochen wird, ist die Carbo medicinalis – besser bekannt als Aktivkohle. Aus Lindenholz oder Kokosschalen gewonnen, absorbiert sie mit ihren feinen Poren und ihrer großen Oberflächenstruktur Schadstoffe und wurde deshalb schon im alten Ägypten als Seife zur Reinigung und Desinfektion genutzt. Für viele gilt sie fast als eine Art „Wundermittel“, aber es gibt auch durchaus kritische Stimmen, die zurzeit immer lauter werden. Knackpunkt ist die fehlende wissenschaftliche Evidenz der Wirksamkeit.
Auf der Pro-Seite der Aktivkohle steht ihre „Schwamm“-Wirkung: Dank ihrer hohen Aufnahmefähigkeit bindet sie Schmutzartikel und Bakterien, sodass die Zähne gründlich gereinigt werden sollen. Auf der Contra-Seite stehen mehrere Argumente: Zum einen wird vermutet, dass die schadstoffbindende Wirkung der Kohle verloren geht, nachdem sie in der Tube über einen längeren Zeitraum mit den weiteren Inhaltsstoffen in Kontakt ist. Zum anderen warnen Pharmazeuten, dass die Absorbierung der medizinischen Kohle auch vor guten Pflanzenstoffen, Vitaminen und Mineralstoffen nicht Halt macht. So kann schlimmstenfalls die Wirkung anderer Arzneimittel gehemmt oder sogar unterbunden werden.
Außerdem könnte durch die Aktivkohle stärkere Abrasionsprozesse in Gang gesetzt. Zwar ist ein gewisses Maß an Abrieb nicht automatisch schädlich. Aber vor allem Menschen mit sensiblen Zähnen sollten hier vorsichtig sein und lieber auf eine sensitive Alternative setzen.
Wichtig zu wissen ist auch: Nicht jede schwarze Zahnpasta ist eine Aktivkohlepasta! Viele schwarze Zahnpasten sind lediglich mit farbgebendem Ruß versetzt, dem so genannten „Carbon Black“, das als potenziell krebserregend eingestuft wird. Nur, wo „Charcoal“ draufsteht, ist tatsächlich Aktivkohle drin. Aber: Mangels ausreichender klinischer Studien ist die Wirkung von Aktivkohle bisher nicht wissenschaftlich belegt.
Kokosöl: ein vielseitiges Talent: Anders sieht es bei Kokosöl aus. Es beschäftigt Forscher schon seit den 1960er-Jahren und hat nachweislich eine antibakterielle Wirkung. Das Öl der Kokosnuss ist reich an Aminosäuren, Vitaminen und Spurenelementen. Für die Mundhygiene wird es unter anderem empfohlen als Basis für Zahnpasta oder pur zum Ölziehen. Diese aryurvedische Tradition kann als Ergänzung der täglichen Mund- und Zahnpflege zum Einsatz kommen: Das über mehrere Minuten durch die Zähne gezogene und im Mundraum hin und her bewegte Öl soll nicht nur die Mundschleimhaut stärken machen, sondern auch Mundgeruch entgegenwirken und die Zähne aufhellen, ohne dabei den Zahnschmelz anzugreifen.
Die antibakterielle Wirkung ist auf die enthaltene Laurinsäure zurückzuführen. Sie gehört zu den mittelkettigen Fettsäuren, die in der Lage sind, Viren unschädlich zu machen, indem sie deren äußere Membran aus Lipiden durchbrechen. So wird das Innere freigesetzt und löst sich in der Folge praktisch auf. Die Wirkung der Laurinsäure ist in vielen klinischen Studien nachgewiesen worden. Allerdings ist der Laurinsäuregehalt im Öl für die Wirksamkeit entscheidend. Deshalb bitte beachten: Damit Spitzenwerte von bis zu 59 Prozent Säureanteil erreicht werden, muss das Kokosöl extra nativ, also kaltgepresst sein. Dann darf sich der Nutzer über eine ganze Reihe positiver Eigenschaften freuen: Kokosöl wirkt antiviral, antifungal und antiparasitär. Außerdem hilft es bei der Entgiftung, indem die enthaltene Laurinsäure und die Caprylsäure Schadstoffe binden. So werden die Zähne gereinigt und gleichzeitig vor Entzündungen und Karies geschützt.
„Alleskönner“ Natron: Eine entzündungshemmende Wirkung hat auch Natron – nicht zu verwechseln mit Backpulver, das auch phosphathaltige Säuerungsmittel, Trennmittel und zum Teil Aromen enthält. Um Natron gewinnbringend in der Mundhygiene einzusetzen, braucht man das reine, vollkommen zusatzfreie Natriumhydrogencarbonat (NaHCO3). Dieses natürlich vorkommende weiße und geruchlose Salz kann reinigend und durch seinen basischen Charakter neutralisierend wirken. Anwendung: Eine Prise auf die Zahnbürste geben und wie gewohnt putzen. So schützt es die Mundflora vor Übersäuerung und reduziert die Zahnbeläge. Auch als Mundspülung funktioniert Natron: Ein Teelöffel Natron in ein Glas Wasser eingerührt neutralisiert Säuren und kann unangenehmen Mundgerüchen effektiv entgegenwirken.
Heilerde – Mehrwert durch Mineralien: Ich bin eine große Anhängerin von Heilerde. Einmal nutze ich sie neben Kokosöl gern als Grundlage für Zahnpasten oder – speziell bei Zahnfleischproblemen – für Zahnpulver. Das mineralische, aus Ton, Lehm oder Löss gewonnene Pulver steckt nämlich voller guter Stoffe. Abhängig vom Abbaugebiet besteht das Pulver aus Aluminium-Silikaten wie Bentonit und Mineralien. Die genaue Zusammensetzung wechselt je nach Herkunftsgebiet, sehr häufig vorkommende Mineralien sind jedoch Silizium, Kalzium, Eisen, Magnesium und Natrium und außerdem die Spurenelemente Kupfer, Mangan, Nickel, Selen und Zink. Diese Stoffe nähren die Schleimhaut und das Zahnfleisch, sodass die gesamte Mundflora gestärkt wird.
Aufgrund ihres hohen Absorptionsvermögens kann Heilerde Flüssigkeiten, Giftstoffe und Bakterien binden und somit antiseptisch wirken. Sie hilft, Krankheitserreger abzutöten und schädliche Bakterien oder Pilze sowie Ablagerungen schonend zu entfernen. Eine Zahnpasta auf Heilerdebasis und versetzt mit ätherischem Öl (zum Beispiel Minze) macht die Zahnpflege schnell zu einer wirksamen und frischen Angelegenheit.
Propolis vertreibt Entzündungen: Wer Entzündungen bekämpfen oder vorbeugen möchte, findet außerdem in Propolis einen tatkräftigen Unterstützer. Das von Bienen zum Schutz des Bienenstocks vor Bakterien und Pilzen produzierte Harz enthält als Grundstoff harzige Bestandteile von Rinden und Knospen verschiedenster Pflanzen, häufig vor allem Kiefern, Pappeln, Fichten, Weiden, Kastanien, Tannen und Birken. Propolis wirkt entzündungshemmend, schmerzlindernd und wundheilungsfördernd. Den Wirkstoff, der auch in diversen naturkosmetischen Zahnpasten enthalten ist, gibt es auch in Tropfenform. So kann er pur oder verdünnt direkt auf schmerzende Stellen aufgetragen werden.
Wirksam und wohlig duftend – ätherische Öle: Viel mehr als nur gut riechen können ätherische Öle. Sie haben die Fähigkeit, den Biofilm im Mund auch subgingival zu durchdringen und werden daher gern in der Langzeitbetreuung von Parodontitis- oder auch Implantatpatienten eingesetzt. Ihr Spektrum reicht dabei von einer antibakteriellen Wirkung (zum Beispiel Eukalyptus, Kamille, Kardamom) über krampflösend (zum Beispiel Mukatellersalbei, Orange) bis zu angststillend (zum Beispiel Yling/Ylang, Lavendel). Der Einsatz von ätherischen Ölen bietet eine enorme Bandbreite an Möglichkeiten, aber auch einige Risiken, die beachtet werden wollen. Welche Besonderheiten die Öle ausmachen und worauf geachtet werden muss – dazu mehr in einem meiner nächsten Beiträge. Bis dahin wünsche ich Ihnen viel Erfolg beim sorgsamen Verwenden der so wertvollen Inhaltsstoffe, die die Natur uns schenkt.
DH Birgit Schlee, Heilbronn