Das Bewerbungsgespräch ist für Arbeitgeber ein besonders wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Anstellung. Hier gewinnen sie einen ersten persönlichen Eindruck von den potenziellen neuen Mitarbeitern. Daher ist es verständlich, dass sie möglichst viel über den Bewerber erfahren möchten.
Doch was darf eigentlich gefragt werden?
Grundsätzlich können Chefs alle Fragen stellen, an denen sie objektiv ein berechtigtes Interesse haben. Beispielsweise, weil die Antworten für die betriebliche Organisation eine Rolle spielen oder spezielle Fürsorgepflichten des Arbeitgebers begründen. Andererseits ist jedoch zu beachten, dass der Bewerber ein schutzwürdiges Interesse hat, keine intimen Informationen preiszugeben. Ob eine Frage zulässig ist, unterliegt daher dem Ausgleich der Arbeitgeberinteressen mit dem Schutz des Persönlichkeitsrechts des Bewerbers.
Bei Umständen, die für die Tätigkeit des Arbeitnehmers von besonders ausschlaggebender Bedeutung sind, ist der Bewerber verpflichtet, diese auch ohne eine entsprechende Nachfrage zu offenbaren. So beispielsweise, wenn sie den Bewerber vollständig an der Ausübung des Berufs hindern. Wie auch schon bei der Stellenanzeige ist im Bewerbungsgespräch oberste Prämisse: keine Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Vermeiden Sie unbedingt Fragen, die sich auf diese Themen beziehen.
Hierzu folgende Beispiele:
- Die Frage nach dem Alter ist unzulässig.
- Fragen nach der Familienplanung (Hochzeit, Kinder) sind unzulässig. Diese werden bevorzugt Arbeitnehmerinnen gestellt, seien Sie daher besonders bei weiblichen Bewerberinnen sensibilisiert.
- Fragen nach einer Schwangerschaft sind selbst dann unzulässig, wenn ein Beschäftigungsverbot droht.
- Auch die Frage nach dem allgemeinen Gesundheitszustand ist unzulässig. Zu den Ausnahmen bei bestimmten Krankheiten erfahren Sie später mehr.
- Fragen nach Behinderungen sind unmittelbar diskriminierend und daher ebenfalls unzulässig. Dies gilt auch für Fragen nach Schwerbehinderungen. Nach Arbeitsbeginn besteht allerdings eine Offenbarungspflicht des Schwerbehinderten, um dem Arbeitgeber die Erfüllung gesetzlicher Pflichten zu ermöglichen.
Demgegenüber sind folgende Fragen zulässig:
- Fragen nach einer Krankheit, die eine wiederkehrende oder dauerhafte Beeinträchtigung für die beworbene Tätigkeit bedeutet, sowie nach zum Zeitpunkt des Dienstantritts geplanten Operationen oder Kuren.
- Fragen nach Krankheiten, die zwar keine Beeinträchtigung mit sich bringen, aber eine Gefahr für Patienten oder Mitarbeiter sein können, wie zum Beispiel eine chronische Hepatitisinfektion. Gerade bei ärztlichem Personal sind ansteckende Krankheiten von besonderer Bedeutung. Achtung: Sie dürfen nicht nach einer HIV-Erkrankung fragen! Diese wird als Behinderung eingestuft, da sie unheilbar ist.
- Aufgrund des Patientenkontakts sind auch Fragen nach einer Alkohol- oder Drogenabhängigkeit zulässig.
- Nach Vorstrafen oder laufenden Ermittlungsverfahren dürfen Sie fragen, wenn diese für die auszuübende Tätigkeit von Bedeutung sind. Fragen nach eingestellten Ermittlungsverfahren sind demgegenüber gänzlich unzulässig.
- Selbstverständlich sind Fragen nach dem beruflichen Werdegang, Prüfungsergebnissen und besonderen Kenntnissen zulässig.
Generell sollten sich Vorgesetzte an ihrem persönlichen „Störgefühl“ orientieren: Kommt Ihnen selbst eine Frage suspekt vor, stellen Sie sie besser nicht. Bei unzulässigen Fragen kann der Bewerber ohne rechtlichen Nachteil die Antwort verweigern oder sogar unwahre Antworten geben. Trifft ihn bei einer zulässigen Frage aber eine Antwortpflicht, ist eine wahrheitswidrige Angabe ein Verletzung dieser Pflicht und zudem eine arglistige Täuschung.
Erlangen Arbeitgeber im Nachhinein Kenntnis von einer solchen Täuschung, können sie den Anstellungsvertrag anfechten und einen entstandenen Schaden gegenüber dem Arbeitnehmer geltend machen. Aber Achtung: Spiegelbildlich trifft auch den Arbeitgeber eine Pflicht zum Schadensersatz, wenn er unzulässige Fragen stellt und so das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers verletzt.
Wie den übrigen Bewerbungsvorgang sollten Arbeitgeber daher den Verlauf und den Inhalt des Bewerbungsgesprächs betriebsintern dokumentieren und archivieren. Nur so können sie im Fall einer gerichtlichen Streitigkeit beweisen, dass sie die Grenzen des Fragerechts eingehalten haben beziehungsweise der Bewerber seiner Offenbarungspflicht nicht nachgekommen ist. Wenn Sie sich an die aufgeführten Grundsätze halten, steht der erfolgreichen Anstellung neuer Mitarbeiter nichts im Weg.
Sven Rothfuß, Köln
Sven Rothfuß ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei Prof. Dr. Halbe, Rothfuß & Partner mbB, Köln – www.medizin-recht.com