Viele Zähne, die früher nicht erhalten werden konnten, sind mit fortschrittlichen Techniken der Wurzelkanalbehandlung heute doch erhaltungsfähig. Solche Zähne können dann ihre Funktion auch langfristig wieder übernehmen. Die enorme Fortentwicklung in der Wurzelkanalbehandlung wurde in der Gebührenordnung aber so gut wie nicht nachvollzogen: Es sind inzwischen neue Leistungen entstanden, die Wurzelkanalbehandlung in manchen Fällen erst ermöglichen.
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In anderen Fällen ersetzen die neuen Leistungen veraltete und sind erfolgreicher. Solche Leistungen, die nicht im Gebührenverzeichnis enthalten sind, müssen analog – das heißt im Wege des Leistungsvergleichs – berechnet werden. Damit können sich manche Kostenerstatter aber nicht „anfreunden“. Das liegt daran, dass die weiterentwickelte Wurzelkanalbehandlung deutlich mehr Zeit benötigt als herkömmliche. Damit verbunden sind dann höhere Kosten. Die wollten Versicherungen im Jahr 2019 in etwa 5 Prozent der Beanstandungsfälle nicht oder nur reduziert erstatten (Zahlen der ZA AG). Man muss dann erklären, dass die „Rettung“ eines Zahns deutlich Kosten einspart gegenüber Ersatz des Zahns etwa durch ein Implantat mit Krone oder eine Brücke etc.
Trepanation eines Zahns als selbstständige Leistung
Etwas mehr als 60 Prozent aller Erstattungseinwände im Komplex Wurzelkanalbehandlung betreffen die „Trepanation des Zahns“. Das ist eine abstruse Situation bei einer Leistung, die betriebswirtschaftlich sehr oft gar nicht stimmig erbringbar ist. Derartig „verbohrtes“ Streiten ist guter Zahnmedizin mit Sicherheit abträglich. Die Vergütung der Nr. 2390 GOZ zum 2,3-fachen Satz ist bei zwei verbrauchten Trepanationsinstrumenten vollständig aufgezehrt. Formulierung und Bewertung der Trepanation sind miss-/unverständlich.
Wurzelkanalbehandlung ohne und mit Trepanation
Die Trepanation eines Zahns, auch Milchzahns, dient der Eröffnung des Pulpenkavums und gegebenenfalls der Entlastung des darin aufgebauten entzündlichen Drucks und kann dadurch als selbstständige Maßnahme schmerzlindernd/-stillend wirken. Fakultativ nötige Trepanation dient unter Umständen der Einleitung einer Wurzelkanalbehandlung, wenn sie einen Zugang zur Ausräumung des Kronenkavums, aber auch des Wurzelkanals verschafft. Es gibt klinische Situationen, die zur Wurzelkanalaufbereitung gar keiner vorherigen Trepanation bedürfen, wie kariöse Zahneröffnung, Zahnfraktur, Aufbau- und Wurzelstiftentfernung, Trepanation andernorts etc.
Bei Molaren ist der Zugang zu Wurzelkanälen – statt mit einer unselbstständigen Trepanation – nur mit „Präparation einer primären und gegebenenfalls sekundären endodontischen Zugangskavität zur Darstellung und Umformung der Kanaleingänge“ möglich (Analogleistung). Speziell dazu wird häufig eine optische Vergrößerungshilfe oder sogar ein Operationsmikroskop benötigt (Zuschlag 0110, aber nicht zu Analogleistungen).
Die Trepanationsleistung ist gebührentechnisch bestimmt als „selbstständige“ Leistung, das heißt als eigenständig indizierte Leistung, die in keiner anderen Leistung enthalten sein darf, die zahn- und sitzungsgleich berechnet wird. Daher schließen sich Trepanation und Zugangskavitätenpräparation in derselben Sitzung am selben Zahn aus.
Trepanation einer Krone oder eines Inlays
Die „Trepanation eines Zahns“ ist zweifellos keine Trepanation einer Teil- oder Vollkrone, auch nicht eines Inlays oder Stiftaufbaus oder Ähnlichem. Das sind in der GOZ nicht beschriebene Leistungen, die der Analogberechnung unterfallen (zum Beispiel wie 2300a, Wurzelstiftentfernung). Bei Teilkronen mit erheblicher Wandstärke, die trepaniert werden, muss eine insbesondere nach Kosten- und Zeitaufwand tatsächlich entsprechende Vergleichsziffer gesucht werden, etwa die Nr. 3260a („Freilegen Zahn“ mit 2,3-fachem Satz für ca. zehn Minuten Zeitaufwand, inklusive zwei bis drei nach Paragraf 4 (3) GOZ abgegoltener Hartmetallinstrumente).
Die Kommentierungslage
Die Interpretation der Nr. 2390 GOZ hängt davon ab, welcher Stellenwert der „Amtlichen Novellierungsbegründung“ von BuReg/BMG gegeben wird. Nach Ansicht einiger Kommentatoren (BZÄK, ZÄK-Berlin) definiert der Text der Novellierungsbegründung den Begriff „selbstständig“ im Zusammenhang mit der Zahntrepanation nicht zutreffend.
Als bisher unerwähnter Gesichtspunkt kann hinzugefügt werden, dass die Formulierung der Leistungsbeschreibung der Nr. 2390 GOZ und der dazu abgegebenen Begründung noch vor der einschneidenden Änderung des Paragrafen 4 (2) Sätze 3, 4 GOZ (Zielleistungsprinzip) erfolgt ist: Mit der Erstversion des Paragrafen 4 (2) korrespondierte die amtliche Begründung zur Nr. 2390 GOZ mit der Änderung nicht mehr.
Der Verordnungsgeber hätte seinen mutmaßlichen Willen mit der Umformulierung „Nummer 2390 nicht neben 2410 GOZ“ präzise und unmissverständlich Ausdruck verleihen können. Das ist aber nicht geschehen, sodass in dieser Situation der Wortlaut und die Regeln der GOZ und die zahnmedizinisch-fachlichen Fakten Vorrang haben. Die ZÄK-NR vertritt eine gegenteilige Auffassung: Durch Erhöhung der Punktzahl der Nr. 2410 GOZ (je Kanalaufbereitung) sei die weiter eingeschränkte Abrechnung der Nr. 2390 GOZ (Trepanation) bei Betrachtung des „Leistungskomplexes“ ausgeglichen (Komplexgebühr?).
Urteilslage
Die Berechnung der Nr. 2390 GOZ „Zahntrepanation“ neben der Nr. 2410 GOZ „Kanalaufbereitung“ ist angesichts der Urteilslage weiterhin vertretbar, da sie zahnmedizinisch-fachlich begründet und die Novellierungsbegründung des BMG fehlweisend ist. Die bekannten Urteile mit Zustimmung zur Nebeneinanderberechnung der Nummern 2390 und 4210 GOZ überwiegen deutlich. Das zurzeit wichtigste Urteil des LG Hamburg (30. August 2018, Az.: 323 O 16/15) besagt in Kurzfassung, dass Nr. 2390 GOZ lediglich „Kavumzugang“ ist und selbstständig berechnungsfähig in Bezug auf nachfolgende Leistungen.
Fazit: Eine Trepanation ist nicht Bestandteil der Aufbereitung eines Wurzelkanals, denn eine „Durch-/Aufbohrung“ erfolgt von außen durch die Zahndecke und ist beendet, wenn die Pulpenhöhle, das Pulpenkavum darunter eröffnet ist. Frühestens ab diesem Zeitpunkt kann sich die selbstständige Leistung nach Nr. 2410 GOZ „Wurzelkanalaufbereitung“ anschließen, gegebenenfalls aber auch nicht, wenn der Kanal sich als definitiv nicht auffindbar oder nicht aufbereitbar herausstellt: An dieser Stelle ist eine diagnostische Entscheidung vor eventueller Kanalaufbereitung nötig. Typisches Kennzeichen einer „selbstständigen“ Trepanation ist gerade die Tatsache, dass nach erfolgter Trepanation keineswegs automatisch und immer Kanalaufbereitung (2410) folgen kann oder muss.