Im Juni berichtete die dzw über ein neues Rechtsgutachten zur Fragen der Zulässigkeit zahnärztlicher Praxislabore, das der Arbeitgeberverband Zahntechnik (AVZ) in Auftrag gegeben hat. Nachdem sich ein erstes AVZ-Gutachten mit den Praxislaboren an sich beschäftigt hat, haben sich die Gutachter, Prof. Detterbeck und Prof. Voit, nun insbesondere den Laboren in Zahnmedizinischen Versorgungszentren (ZMVZ) gewidmet. Zuletzt hatten sich verschiedene wissenschaftliche Publikationen für eine Zulässigkeit von ZMVZ-Praxislaboren ausgesprochen – in diese Richtung ging auch eine Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages.
Detterbeck und Voit sehen das – erwartungsgemäß – anders. Unwidersprochen können ihre Thesen jedoch nicht bleiben. Denn in ihrem Gutachten berufen sie sich unter anderem auf Rechtsprechung, die sich jedoch tatsächlich als Beleg für deren Thesen gar nicht eignet. Es handelt sich dabei um ein Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein, das sich im Jahr 2014 grundsätzlich mit der Frage der zulässigen Gestaltungsformen von Praxislaborgemeinschaften zu beschäftigen hatte.
Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein
Das LSG Schleswig-Holstein (Urteil vom 7. Juni 2014, Az.: L 6 KA 25/93) führt in diesem Urteil aus:
„Darüber hinaus war jeder von ihnen dem jeweiligen Beigeladenen [...] [Anm.: Zahnarzt in der Praxisgemeinschaft] im Rahmen seiner freien Berufsausübung persönlich verantworteten Handlungsbereich zugeordnet. Dies wäre nicht einmal erforderlich gewesen. Wenn Kassenzahnärzte nach Paragraf 33 Absatz 1 gemeinsam Zahntechniker als Hilfskräfte beschäftigen dürfen, dürfen solche Zahntechniker auch für sämtliche an der Laborgemeinschaft beteiligten Zahnärzte zu Hilfestellungen he-
rangezogen werden.“
Dieses – nicht veröffentlichte – Urteil wird häufig ohne weitere Begründung – auch von Zahnärztekammern – gegenteilig rezipiert. Auch die Gutachter ziehen daraus den Schluss, dass jeder Zahntechniker direkt bei einem Zahnarzt angestellt sein müsse und nur für diesen Leistungen erbringen dürfe. Möglicherweise resultiert das falsche Zitieren dieses Urteils auf der Verwendung von Sekundärliteratur. In jedem Fall steht aber fest, dass das Urteil eben nicht feststellt, dass jeder Zahntechniker direkt bei einem Zahnarzt angestellt sein müsse. Es kommt vielmehr genau zum gegenteiligen Ergebnis. Alles andere würde auch überraschen und zudem der gesetzlichen Regelung von Paragraf 33 Absatz 1 Zahnärzte-ZV, der von der gemeinsamen Beschäftigung von Hilfspersonal ausgeht, widersprechen.
Unter einer falschen Prämisse zweifeln die Gutachter also die Zulässigekeit der Erbringung von Laborleistungen in MVZ und sogar in Berufsausübungsgemeinschaften an. Selbst in der Berufsausübungsgemeinschaft muss ihrer Ansicht nach der Zahntechniker bei einem Zahnarzt direkt angestellt sein (S. 64 des Gutachtens), was mit der „gemeinsamen Ausübung vertragszahnärztlicher Tätigkeit“ gemäß Paragraf 33 Absatz 2 Zahnärzte-ZV jedoch nicht zu vereinbaren ist. Sie bestreiten hinsichtlich MVZ nicht die grundsätzliche Möglichkeit zur Leistungserbringung – dies wäre gemäß den Paragrafen 72 Absatz 1 S. 2, 88 Absatz 3 SGB V auch fernliegend – fordern jedoch auch hier die unmittelbare Anstellung bei einem Zahnarzt. Dies ist für ein MVZ, das sowohl dem Patienten als auch den Kostenträgern einheitlich gegenübertritt, jedoch erst recht fernliegend.
Fernliegend ist zudem die Annahme von Berufsrechtsverstößen, wenn ein Gesellschafter einer MVZ-GmbH an den „Gewinnen“ des Praxislabors durch eigene „Aufträge“ beteiligt ist. Zum einen bleibt der Vorgang schon formal innerhalb desselben vertragsarztrechtlich anerkannten Rechtsträgers, zum anderen handelt es sich bei den Laborleistungen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung um zahnärztliche Berufsausübung (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Mai 1979, Az.: 5 C 16.79).
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Gutachter mit der Erbringung von Laborleistungen durch Eigenlabore von Universitätskliniken offensichtlich kein Problem haben: Diese werden nicht einmal angesprochen, wodurch zumindest der Anschein entsteht, dass das Gutachten, das der AVZ vorgelegt hat, sehr interessengetrieben ist.
Approbationsordnung
Einen in der Tat beachtenswerten Punkt sprechen die Gutachter bezüglich der neuen Approbationsordnung an. Diese ist wesentlich generalklauselartiger gehalten und weist dem Fach „Zahnersatzkunde“ explizit nur noch einen geringeren Umfang zu. Dieser Studien- und Prüfungsstoff war für den BGH und das BVerwG jedoch explizit einer der Gründe, die Herstellung in Praxislaboren (auch) der Zahnheilkunde und nicht nur dem Zahntechnikerhandwerk zuzuordnen. Hier besteht aus Zahnarztsicht ohne Zweifel Interpretationsbedarf. Leider wurde hier im Gesetzgebungsverfahren versäumt, auf einen klarstellenden Hinweis in der neuen Approbationsordnung zu Gunsten der Zahnärzteschaft zu achten. Die Zahnmedizinischen Fakultäten sollten aufgerufen sein, hier klarstellende Studienordnungen zu veröffentlichen, um auch künftigen Zahnärzten die Erbringung von Laborleistungen zu ermöglichen und eine entsprechende Diskussion erst gar nicht aufkommen zu lassen.
Ausblick
Bei dieser Diskussion lässt sich im Ergebnis jedenfalls feststellen, dass die Abgrenzung von zahnärztlicher zu zahntechnischer Leistungserbringung – dies wird auch bei den Diskussionen um die Berechtigung zu Intraoralscans deutlich – vom Gesetzgeber völlig stiefmütterlich behandelt wurde und infolgedessen zu Diskussionen Anlass gibt. Gesetzgeberische Klarstellungen wären dem Rechtsfrieden sicher dienlich. Ein Thema, dem sich auch die zahnärztliche Standesvertretung dringend annehmen sollte.