Zum 31. März 2021 wird sich Prof. Dr. Winfried Walther, Institutsleiter der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung in Karlsruhe, in den Ruhestand verabschieden. Über 30 Jahren wirkte er an der Akademie. 1983 wurde er leitender Oberarzt, 2000 übernahm er die Position des stellvertretenden Direktors und seit Juli 2007 bis heute leitet er als Direktor die Geschicke der kammereigenen Fortbildungseinrichtung. Sein Nachfolger PD Dr. Daniel Hellmann ist seit 1. Oktober im Amt und wird zum 1. April 2021 die geschäftsführende Leitung übernehmen. Doch zuvor wird das 100-jährige Bestehen der Akademie gefeiert.
Wer 100 Jahre alt wird hat vieles richtig gemacht. Herr Prof. Walther, Sie haben die Akademie seit Juli 2007 als Direktor begleitet. Gibt es den einen Moment aus der Zeit ihres Direktorates, den Sie sich gerne einrahmen würden?
Prof. Dr. Winfried Walther: Da fällt mir spontan der 13 Juli 2014 ein. Der Möbelwagen hält im Hof der alten Akademie n der Sophienstraße. Ich packe den letzten Umzugskarton im Büro und schleppe ihn runter. Ein paar Minuten später: Der Wagen hält vor der neuen Akademie in der Lorenzstraße. Ich greife mir den Umzugskarton und trage ihn die Treppe hoch ins neue Büro. Da wusste ich, wir haben es geschafft: Die neue Akademie steht. Mit diesem neuen Haus können wir dem Team und den Kolleginnen und Kollegen Dinge bieten, von denen wir bislang nur geträumt haben. Dazu muss man wissen, dass ich zu diesem Zeitpunkt ja schon meine Zeit als Zahnarzt, stellvertretender Direktor und zum Teil auch als Direktor der Akademie hinter mir hatte! Der Abschied aus dem alten Haus nach 33 überwiegend guten Jahren war nicht leicht. Aber die Freude, jetzt den Sprung in eine bessere Zukunft geschafft zu haben, die ist mir heute noch sehr präsent.
Welcher besondere Meilenstein in der Geschichte der Akademie Karlsruhe fällt Ihnen ein, der zwar nicht in Ihrem Gestaltungszeitraum liege muss, den Sie aber dennoch besonders erwähnenswert finden?
Walther: Da muss ich einwerfen, dass eigentlich jeder, der in der Akademie arbeitet, auch gestalten muss. Aber es gibt natürlich auch Momente oder Meilensteine, in denen man die Gestaltungskraft von anderen bewundert. So war es bei dem ersten „Karlsruher Vortrag“ im großen Rahmen. Es war 1985 und Michael Heners hatte Theo Sommer nach Karlsruhe eingeladen. Im Konzerthaus saßen 1.000 Zuhörer, die dem Redner folgten. Es schon der dritte Vortrag, aber der erste, der die Aufmerksamkeit der Stadt Karlsruhe fand. Der Oberbürgermeister war da und jede Menge Prominenz. In so einem Moment versteht man, dass etwas Neues entsteht. Und dieses Neue bedeutet durchaus auch einen Bedeutungszuwachs für das Haus, in dem man arbeitet. Michel Heners hat eine ungeheure Energie in dieses Unternehmen gesteckt. Diese Energie trägt bis heute Früchte.
Die Historie der Akademie ist lang, erfolgreich und sehr vielseitig. Mit dem Wissen von heute, was hätte dennoch anders gestaltet werden sollen oder gar müssen?
Walther: Das ist eine sehr hypothetische Frage. Was anders gelaufen wäre, wenn Entscheidungen anders getroffen worden wären, das kann der Mensch nun mal nicht beantworten. Alle, die für unser Haus in Karlsruhe gearbeitet haben, hatten ein klares Ziel: Eine starke Institution für zahnmedizinische Fort- und Ausbildung zu schaffen. Das ist auch gelungen. Ob irgendwo noch Luft nach oben gewesen wäre, hätte man etwas anders gestaltet – wer weiß das?
Können Sie sagen, welche Auswirkungen die epochalen Ereignisse wie beispielsweise die beiden Weltkriege auf die Geschichte der Akademie beziehungsweise damals noch auf das Dentistische Ausbildungsinstitut hatten?
Walther: Der erste Weltkrieg war – frei nach Heraklit – Vater des 1920 gegründeten Instituts in Karlsruhe. Es gab ein Vorgängerinstitut in Straßburg, das nach dem Krieg sofort schließen musste. So wurde der Gedanke geboren, ein neues zu gründen. Bei den Recherchen zur Geschichte des Instituts haben wir allerdings keine Hinweise dafür gefunden, dass Personen aus dem Straßburger Lehrkörper ihre Tätigkeit in Karlsruhe fortgesetzt haben. Auf die Zeit des Nationalsozialismus gehen wir in unserer digitalen Festschrift ein. Es ist schwer für uns Nachgeborene, den damals Tätigen in dieser Sache gerecht zu werden. Der Krieg selbst hat außer ein paar Bomben im Vorderhaus kaum Spuren hinterlassen. Was das Institut in hohem Maße geprägt hat, war die sehr pragmatische und lösungsorientierte Art und Weise wie in der jungen Demokratie der Bundesrepublik mit Problemen umgegangen wurde.
80 Jahre lang gab es den Dualismus von Zahnärzten und Dentisten. Das Verhältnis war von Konkurrenz und Auseinandersetzung geprägt. Der Dualismus war ohne Frage auch ein Problem für die zahnmedizinische Versorgung. Die Kontroverse zwischen den Berufsständen war ein Dauerbrenner. Unter der maßgeblichen Führung von Dr. Erich Müller gelang es jedoch, eine politische Lösung zu erreichen. Das hat mal gerade fünf Jahre gedauert. Mit dem Erscheinen des Zahnheilkundegesetzes 1953 war der Dualismus Vergangenheit. Wäre das nicht gelungen, gäbe es schon längst kein Institut in Karlsruhe mehr.
Was brauchte die Akademie Ihrer Ansicht nach um für die Veränderungen der Zukunft gewappnet zu sein?
Walther: Diese Frage geht natürlich eigentlich an meinen Nachfolger im Amt. Ich weiß allerdings, worauf er auf jeden Fall aufbauen kann – auf eine Poliklinik mit einer großartigen klinischen Kompetenz und auf das Vertrauen, dass die Kolleginnen und Kollegen in die Qualität unserer Fortbildung haben.
Den Verlauf des Jubiläumsjahres 2020 hatten Sie sich sicherlich auch anderes vorgestellt. Welche Auswirkungen hat Corona auf den Verlauf der Feierlichkeiten?
Walther: Ein Jubiläum kann man nicht verschieben. Man muss das Beste aus dem machen, was zum Datum des hundertsten Jahrestages möglich ist. Im Moment denke ich manchmal an den Karlsruher Vortrag des Jahres 2010. Damals hat sich der Zukunftsforscher Matthias Horx das Thema gewählt „Die Weisheit der Krise – vom Wesen des Wandels“. Ohne Frage erleben wir eine Krise in diesem Jahr. Nichts ist so, wie es unsere Routinen haben erwarten lassen. Wir werden kein Fest erleben, wie wir es gewohnt sind. Aber wir haben gelernt, andere Wege zu gehen und das Beste daraus zu machen. Das Jubiläum wird also ein Onlinetreffen werden. Die vergangenen Monate haben schon dazu geführt, dass wir für diese Art der Begegnung neue Routinen entwickelt haben. Ich hoffe also, dass wir mit den Freunden der Akademie einen unvergesslichen Tag erleben werden, auch ohne uns in die Arme fallen zu können.
Zu einem runden Jubiläum dürfen generell Wünsche geäußert werden, lassen Sie uns an Ihren persönlichen für die Akademie für Zahnärztliche Aus- und Fortbildung in Karlsruhe teilhaben?
Walther: Meinem Nachfolger wünsche ich, dass seine eigenen Visionen in der Akademie Wirklichkeit werden. Und allen, die jetzt beim Neuanfang dabei sind, wünsche ich, dass sie einen Weg finden, mit ihm zusammen die eigenen Visionen zu verwirklichen. Ich bin sicher, dass es gemeinsame Ziele gibt, die sie dabei tragen werden.
Das Gespräch führte Cornelia Schwarz