Konzepte für beste parodontale Therapie-Ergebnisse
Ende Februar 2021 wurde in Frankfurt am Main die Frühjahrstagung „Gemeinsam erfolgreich – Die parodontologische Perspektive“ der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DG Paro) aufgezeichnet und live auf der Tagungs-Homepage in die Wohnzimmer der fast 450 Teilnehmer übertragen. In einem abwechslungsreichen Programm beschäftigten sich erfahrene Kliniker mit interdisziplinären Therapiekonzepten und den daraus resultierenden Vorteilen, um beste parodontale Therapie-Ergebnisse zu erzielen. Der Tagungspräsident Professor Dr. Dr. Tom Beikler leitete souverän durch das Wochenende. Als Co-Moderator stand ihm Dr. Dennis Schaller kompetent zur Seite.
Da nach wie vor nicht an eine klassische Tagung zu denken war, hat die DG Paro sich in diesem Jahr für eine reine Online-Frühjahrstagung entschieden. „Wir wollen weiterhin hochwertige Fortbildungen anbieten und haben unser Online-Weiterbildungsprogramm seit der letzten Tagung im Herbst verbessert – mit einer eigenen Tagungshomepage und der Möglichkeit für Teilnehmer, live an Diskussionen teilzunehmen“, sagt Professorin Dr. Bettina Dannewitz, Präsidentin der DG Paro.
Die DG-Paro-Frühjahrstagung wurde mit dem von der Firma EMS unterstützten traditionellen Teamtag eröffnet. Unter dem Motto „Viele Wege führen zum Ziel! Von Einbahnstraßen, Umwegen und sinnvollen Abkürzungen“ präsentierten Dr. PhD Sonja Sälzer, Hamburg, und PD Dr. Gregor Petersilka, Würzburg, praktische Tipps zur Umsetzung der unterstützenden Parodontitistherapie.
Compliance des Patienten spielt nach wie vor Schlüsselrolle
Die unterstützende Parodontitistherapie (UPT) sei einer der entscheidenden Faktoren in der PAR-Therapie und essentiell für den langfristigen Erfolg. Dabei sei ein individualisiertes Vorgehen für jeden einzelnen Patienten notwendig, das speziell auf dessen Lebensumstände und Gewohnheiten eingehe. Dr. PhD Sonja Sälzer erläuterte, dass nach wie vor die häusliche Mitarbeit und damit die Motivation des Patienten eine Schlüsselrolle spiele. Die häusliche Mundhygiene könne durch die Verwendung einer elektrischen Zahnbürste sowie Interdentalraumbürsten verbessert werden.
Die subgingivale Instrumentierung sowie die Umsetzung der UPT war das Thema von PD Dr. Gregor Petersilka. In diesem Kontext unerlässlich sei die korrekte Befunderhebung als Grundlage einer erfolgreichen Therapie. Die Bestimmung des Recallintervalls orientiere sich nach dem Grading der Patienten, TST und BOP sollten als wichtige Parameter aber nicht aus dem Blick gelassen werden. Nach der aktiven Parodontitistherapie empfiehlt Petersilka engere Recallintervalle.
Die Frage nach konkreten Instrumenten für die subgingivale Instrumentierung befand der Referent als weniger bedeutsam. Ob Schall-/Ultraschall- oder manuelle Geräte: Die klinischen Ergebnisse seien bei korrekter Durchführung gleich. Die Nutzung von Pulverstrahlgeräten spare bei der PMPR Zeit ein, die man für das Gespräch, die Motivation und Aufklärung des Patienten nutzen kann.
Neues zur Wurzelspitzenresektion
Am zweiten Tag wurden zwei Livestreams parallel angeboten. Unter der Überschrift „Ohne Innen gibt es kein Außen“ präsentierten Dr. Tom Schloss, MSc, Nürnberg, und Professor Dr. David Sonntag, Frankfurt (Main), Neues zur Wurzelspitzenresektion (WSR). Bei strenger Indikationsstellung sowie genauer Diagnostik sei die WSR – so Professor Dr. Sonntag – nach wie vor ein probates Mittel für den endodontischen Zahnerhalt.
Die durchschnittliche Überlebenszeit nach WSR liege bei zirka neun Jahren. Das Versagen nach WSR sei meistens nicht durch endodontologische Gründe, sondern durch Fraktur, Karies oder Parodontitis bedingt. Sonntag fasste zusammen, dass bei Zähnen mit stabiler parodontaler Situation und guter koronaler Situation die WSR auch heute noch „State of the Art“ und ein gutes Instrument für den Zahnerhalt sei.
Dr. Tom Schloss fokussierte sich anschließend auf die Vorteile des mikrochirurgischen Vorgehens bei der WSR, mit der Nutzung des Operationsmikroskops, sowie speziell für diese Anwendung entwickelte, mikrochirurgische Instrumente und biologische Füllwerkstoffe. Ergänzend dazu sei die Einbeziehung der digitalen Volumentomographie mit kleinem Volumen in höchster Auflösung ein weiterer Punkt, der sowohl in der präoperativen Röntgendiagnostik, als auch in der Planung des chirurgischen Eingriffs Hilfestellung biete. Dies ermögliche selbst schwer zugängliche Zähne unter Schonung anatomischer Strukturen minimal invasiv zu behandeln.
In der parallel stattfindenden, von der Firma CP Gaba unterstützten Session, ging es um die „Biologisierung: Von der Regeneration zum Recycling“. PD Dr. Robert Nölken, MSc, Lindau, Professor Dr. Frank Schwarz, Frankfurt (Main), und Professor Dr. Dr. Ralf Smeets, Hamburg, diskutierten und präsentierten neue Ansätze zu Regeneration von Hart- und Weichgewebsdefekten.
PD Dr. Nölken, MSc zeigte, dass ein abgeschrägtes Implantatdesign, Platform-Switching sowie eine lappenfreie Sofortimplantation langfristig zum zirkulären Erhalt des marginalen Knochenniveaus auf Höhe der Implantatschulter führen und die Breite der keratinisierten Mukosa verbessern. Die Weichgewebsdicke könne im Rahmen der verzögerten oder späten Implantation mit Hilfe der Rolllappentechnik signifikant und unter Reduktion postoperativer Komplikationen verbessert werden.
Daten aus der Literatur zeigen, dass eine Vorbehandlung mit einem freien Schleimhauttransplantat zu einer signifikanten Verbreiterung der befestigten Gingiva führe. Dies erleichtere die Mundhygiene und erhöhe die Erfolgswahrscheinlichkeit einer späteren chirurgischen Periimplantitistherapie.
Augmentation mittels Zahnwurzel – eine Alternative?
Professor Dr. Schwarz hingegen nahm sich des Hartgewebes an. Der Titel seines Vortrages lautete: „Recycling in der Implantologie: Augmentation mittels Zahnwurzel – eine Alternative?“ Sowohl im Tiermodell, als auch im Menschen habe gezeigt werden können, dass nach lateraler Augmentation mit einer Zahnwurzel eine Umwandlung des Dentins in ossäres Hartgewebe stattfinde.
Interessanterweise behalte die dem Weichgewebe zugewandte Seite des Zahnaugmentats durch das Belassen der parodontalen Bestandteile seine Dentinstruktur bei. Daraus resultieren eine hohe Volumenstabilität und eine komplikationsarme Integration des Transplantats. Dies alles ließe diese Technik zu einer biologischen Alternative zu andersartigen Augmentationsverfahren werden.
Professor Dr. Ralf Smeets beleuchtete abschließend in seinem Vortrag die neuen Biomaterialien. Diese sollen den klinischen Alltag unterstützen und erleichtern. Der Referent betonte aber, dass Biomaterialien chirurgische Prozesse zwar optimieren und vereinfachen können, aber das Ergebnis einer chirurgischen Therapie in erster Linie abhängig von der genauen Planung und der exakten Durchführung sei.
Lang erforschte Ansätze, Konzepte und Erweiterungen des Indikationsspektrums wie PRF, PRGF und PRP oder Schmelz-Matrix-Proteine und Hyaluronsäurepräparate finden bereits Anwendung im klinischen Alltag. Neue Ansätze seien beispielsweise Präparate aus Magnesium und Seide. Der aktuelle Grundtrend aller Biomaterialien liefe zwar unter dem Aspekt „back to nature“, könne aber mit modernen Verfahren, wie dem 3D-Druck kombiniert werden, um „biologische und maßgefertigte“ Präparate anzufertigen.
Kieferorthopädie, Prävention und Traumatologie
Der dritte Tagungstag begann ebenfalls mit zwei parallel übertragenen, thematisch voneinander abgegrenzten Blöcken. Während es in dem einen um die Kieferorthopädie ging, behandelte der andere Prävention und Traumatologie.
„Mit Biomechanik Neues Schaffen – Alles nur eine Frage der Kraft?“, unter diesem Titel zeigte Professor Dr. Benedict Willmes, Düsseldorf, anhand klinischer Beispiele, in welchem Ausmaß die kieferorthopädische Therapie als Alternative zur chirurgischen und prothetischen Therapie bei Hart- und Weichgewebsdefekten genutzt werden könne. Bei ausgeprägten Hartgewebsdefekten nach Extraktion sei der kieferorthopädische Lückenschluss eine Möglichkeit, um Implantation und Augmentation des Hartgewebsdefektes zu umgehen.
Auch die Intrusion von Molaren sei als Maßnahme zur Verbesserung des Attachments möglich und durch die Extrusion von Wurzelresten könne Knochen gewonnen werden. Für derartige Prozeduren empfiehlt der Referent die Verwendung von Miniimplantaten. Eine rein dentale Abstützung könne zu unerwünschten Nebenwirkungen, wie Bewegungen der Nachbarzähne oder Kippung der Okklusionsebene, führen. Die Verwendung von Planungssoftware, CAD/CAM-Design und Bohrschablonen, schloss Willmes, erleichtere auch den Einsatz von Miniimplantaten im kieferorthopädischen Alltag.
Aligner im parodontal geschädigten Gebiss
Die Verwendung von Alignern habe in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen, so begann Professor Dr. Dr. Till Köhne, Leipzig, seinen Vortrag. Aus medizinischer Sicht berge die Behandlung ohne zahnärztliche Betreuung allerdings gewisse Risiken. Die Verwendung von Alignern bei einem parodontal geschädigten Gebiss sei durchaus möglich, bedürfe aber der kieferorthopädischen Behandlungsplanung und Betreuung.
Vor allem bei einer Parodontitis, wo sich das Widerstandszentrum aufgrund des Knochenabbaus stark nach apikal verlagert hat, bedürfe es einer kontrollierten Kippung, um unerwünschte Folgen wie Knochenabbau oder Rezessionsbildung zu vermeiden. In schwierigen Situationen sei gegebenenfalls eine Vorbehandlung mit Brackets und anschließendem Finishing durch Aligner sinnvoll. Eine exakte Planung mittels verschiedener Software, wie ClinCheck sei in diesen Fällen unabdingbar. Trotzdem sollte beachtet werden, dass mittels einer Software lediglich Kräfte simuliert und visualisiert werden und nicht das Endergebnis gewährleistet werde.
Unter dem Motto „Gesundhalten und Gesunden – traumatische und entzündliche Schäden des Parodonts verhindern“ präsentierten Professor Dr. Ulrich Schiffner, Hamburg, und Professor Dr. Kurt Ebeleseder, Graz, in der von der Firma Phillips unterstützten Session Neues zu Prävention und Traumatologie.
Professor Dr. Schiffner fragte in seinem Vortrag „Ist die Prävention der Parodontitis möglich?“ Im Bereich der Karies belege die Reduktion der Karieslast um 90 Prozent bei Zwölfjährigen den Erfolg der etablierten Konzepte. Als Gründe hierfür sei allem voran die Verwendung von Fluorid und der Einsatz der Fissurenversiegelung zu nennen. Im Milchgebiss sei allerdings ein geringerer Erfolg der Prophylaxe festzustellen.
Diese Beobachtung habe die Etablierung neuer Ansätze und die konsequente Anwendung verschiedener Maßnahmen notwendig gemacht. Eine Aktualisierung des Fluoridgehalts in Kinderzahnpasten und eine Empfehlung der Betreuung ab dem sechsten Lebensmonat wurden umgesetzt.
Des Weiteren wurden Gruppenprophylaxekonzepte zur Erhaltung und Förderung der Mundgesundheit bei Kindern entworfen. Dieser Ansatz – so Schiffner – könnte möglicherweise als Blaupause für eine systematische Parodontitisprävention fungieren. Glücklicherweise seien parodontale Erkrankungen im Kindesalter aber sehr selten und meist auf eine systemische Erkrankung zurückzuführen.
Ankylose größtes Sorgenkind als Spätkomplikation des Traumas
Professor Dr. Kurt Ebeleseder fokussierte sich auf die Traumatologie des Parodonts. Während es bei Sturz oder Schlag in der Regel zu einer hohen Krafteinwirkung auf eine sehr kleine Fläche mit entsprechend fataler Wirkung auf die Zahnhartsubstanz kommt, müsse dies nicht zwangsläufig auch für das Parodont zutreffen. Wenn allerdings, wie bei der lateralen Dislokation und der Intrusion, eine Quetschung und Kompression des Gewebes stattfinde, könne dies zu Spätkomplikationen, wie Wurzelresorptionen führen.
Entscheidend für die Prognose sei die richtige Therapie. In der Regel sollte bei allen Dislokationen oder der Avulsion eine Sofortreposition und Schienung erfolgen. Eine antibakterielle Therapie in Form einer systemischen Antibiose und einer antiseptischen Mundspülung sei zu empfehlen. Regenerative Maßnahmen spielen bei der Avulsion eine Rolle. Die Ankylose stelle das größte Sorgenkind als Spätkomplikation des Traumas dar. Ersatzresorptionen, vertikale Wachstumshemmung im größeren Ausmaß und ein „Tilting“ der Nachbarzähne machen häufig eine weitere posttraumatische Behandlung notwendig.
Den Abschluss der Frühjahrstagung bildete die von der Firma Camlog unterstützte Session „Prothetik und Parodontologie“. Eröffnet wurde diese von Professor Dr. Christoph Hämmerle, Zürich, der über das Spannungsfeld zwischen Parodontologie und Implantologie aus Sicht des erfahrenen Prothetikers sprach. Hämmerle begann seinen Vortrag mit der Darstellung von hohen Überlebensraten von mehrwurzeligen Zähnen mit Furkationsbefall und betonte, dass Implantate die Langlebigkeit von Zähnen nicht übertreffen.
Dies gelte auch für parodontal-kompromittierte, aber behandelte Zähne. Das erhöhte Risiko zur Entwicklung einer Periimplantitis bei unbehandelten Parodontitispatienten sowie das Fehlen sicherer Konzepte zur erfolgreichen Behandlung einer Periimplantitis, stellen für den Praktiker eine große Herausforderung dar, wenn es um die prothetische Rehabilitation von parodontal erkrankten Patienten gehe.
Der digitale Workflow in der Implantologie
Professor Dr. Michel Stimmelmayr, Cham, schloss sich dem Vorredner in seinen Ausführungen an. Der digitale Workflow in der Implantologie beschreibe moderne Implantatkonzepte und ermöglicht die Sofortimplantation mit provisorischer Versorgung und Sofortbelastung. Der Referent betont aber, dass die Compliance der Patienten einer der wichtigsten Faktoren bei der Planung von umfangreichen implantologischen Behandlungen sei. Zudem stellte er dar, dass der Zahnerhalt das primäre Ziel der Zahnärzte sein sollte, obwohl Restaurationen auf Implantaten mit guter Prognose und Vorhersagbarkeit fehlende Zähne ersetzen können. Die Herausforderung bleibe nach wie vor, die richtige Indikation und den korrekten Zeitpunkt für eine Zahnentfernung beziehungsweise den Zahnerhalt zu finden.
PD Dr. Arndt Happe, Münster, referierte über Hart- und Weichgewebsdefizite in der Frontzahnregion. Er stellte die Daten zur Evidenz verschiedener Knochenaugmentationsverfahren, Knochenersatzmaterialien, Knochentypen und Defektmorphologien gegenüber und zeigte, dass Augmentationsverfahren mit Ersatzmaterialien und Kollagenmembranen für einen Knochendefekt der Klasse 5 nicht geeignet seien. Zudem wies er daraufhin, dass die mechanische Stabilisierung des Augmentats zu besseren Ergebnissen in Bezug auf die Breite des augmentierten Hartgewebes führe.
Von monokortikalen Block-Knochenaugmentationen riet der Referent aufgrund der im Vergleich zu partikulären Knochenersatzmaterialen schlechteren Revaskularisierung und Remodelierungspotenz ab. Zudem betonte er die Wichtigkeit des Weichgewebemanagements während der mikrochirurgischen und prothetischen Verfahren.
Ankündigung der Jahrestagung
Nach der Tagung ist vor der Tagung: „Unsere Jahrestagung ,Parodontologie – Wissenschaft für die Praxis‘, die dieses Jahr bereits am 4. und 5. Juni stattfinden wird, ist als Hybrid-Veranstaltung geplant. Wir hoffen sehr, dass sich die allgemeine Pandemie-Lage bis zum Sommer beruhigen wird und wir dann auch, wie geplant, Teilnehmer vor Ort in Würzburg begrüßen dürfen“, sagt Professor Dr. Henrik Dommisch, der im Juni die Tagungsleitung übernehmen wird.