Fokus auf Timing, Biologie und regenerative Ersatzmaterialien
Schnelle und minimal-invasive Protokolle erfordern weniger chirurgische Eingriffe, senken die Behandlungskosten und erhöhen dadurch die Patientenzufriedenheit. Obwohl die dafür notwendigen Techniken anspruchsvoll sind, liegen sie im Trend und werden zumindest in Fallberichten immer häufiger empfohlen. Das Oral Reconstruction International Symposium (ORIS) in München, veranstaltet von der Oral Reconstruction Foundation (Stiftungspartner Biohorizons Camlog, Basel) stand unter dem Motto „Dream & Reality – Treatment Concepts and Trends“. Parallel fand ein Zahntechnikkongress statt, zusammen waren mehr als 1.000 Teilnehmer vor Ort.
Mit konischen Implantat-Aufbau-Verbindungen und Platform Switching lässt sich das periimplantäre Knochenniveau bei epi- oder subkrestaler Implantatposition stabilisieren [1]. Eine Reihe von Studien zeigt dies für Conelog-Implantate (Camlog) mit ihrer klar definierten Einbringtiefe im Verhältnis zum Knochen [2–4]. Der in Münster niedergelassene Privatdozent Dr. Arndt Happe demonstrierte dies anhand einer umfangreichen retrospektiven Studie auch für Implantate mit flacher Tube-in-Tube-Verbindung (Camlog-Implantate) [5].
Einbezogen wurden Einzelkronen und Brücken auf Titanbasen, in Kombination mit Zirkonoxidabutments oder - abutmentkronen. Nach einer von der Oral Reconstruction Foundation geförderten In-vitro-Studie erwiesen sich Hybridabutmentkronen aus Lithiumdisilikat mechanisch belastbarer als solche aus Zirkonoxid (Dr. Joao Pitta, Arbeitsgruppe Prof. Dr. Irina Sailer, Universität Genève) [6]. Welche Rolle die Verwendung der Restaurationen im Front- oder im Seitenzahnbereich spielt, wurde in München nicht im Detail diskutiert.
Biologisch bedeutsam ist die Frage, wie häufig nach Implantationen Gingivaformer, Abutment oder temporäre Abutmentkrone gewechselt werden [4, 7, 8]. Dr. Ana Molina (Universität Complutense, Madrid) zeigte im Young Clinicians’ Research Forum anhand einer randomisiert-kontrollierten Studie, dass bei sofortiger definitiver Befestigung des Abutments zirka 50 Prozent weniger Knochen verloren gehen als bei einfachem Abutmentwechsel (0,7 vs. 1,4 mm nach 12 Monaten, Conelog, Publikation in Vorbereitung).
Weichgewebe erhält Knochen
Soll das Weichgewebe zunächst mit temporären Komponenten ausgeformt werden, haben sich CAD/CAM-Gingivaformer und Abformpfosten aus PEEK bewährt (zum Beispiel Dedicam, Camlog). In Verbindung mit intraoperativer Positionsbestimmung mit einem intraoralen Scanner lässt sich auf diese Weise minimal-invasiv ein natürliches Emergenzprofil erreichen (Dr. Claudio Cacaci und Uwe Gehringer, Zahntechniker, beide München). Dieses ist später auch für die definitive CAD/CAM-Versorgung verwendbar.
Um periimplantären Knochenverlust zu vermeiden, empfiehlt der in München lehrende Privatdozent Dr. Michael Stimmelmayr (Cham) Platform Switching und eine Weichgewebsdicke von 3 bis 4 mm über der Implantatplattform [9]. Dies sei besonders wichtig, wenn ein Abutmentwechsel nicht vermieden werden kann. Während Vestibulumplastiken autogene Schleimhauttransplantate erfordern (Höhe des befestigten Weichgewebes: 4 mm), kann für Weichgewebsverdickungen xenogene azelluläre dermale Matrix (ADM) vom Schwein verwendet werden (zum Beispiel Novomatrix, Camlog) [10, 11]. Erfolgsentscheidend ist laut Prof. Dr. Katja Nelson (Universität Freiburg), dass die Matrix möglichst komplett abgedeckt wird.
Augmentationen mit PRF boostern
Für aus Eigenblut gewonnenes Platelet Rich Fibrin (PRF) existiert Evidenz zur Indikation Kieferkammerhalt [12, 13]. Der Hamburger Zahnarzt Dr. Jan Klenke empfiehlt PRF in Kombination mit Knochenersatzmaterial zusätzlich für die Zubereitung von „Sticky Bone“. In Verbindung mit allogenen Knochenblöcken hat sich das Blutprodukt laut Prof. Dr. Juan Blanco Carrión (Santiago de Compostela, Spanien) auch für Defekte mit erheblichem Knochendefizit bewährt. Zusätzliche in München gezeigte Indikationen für PRF sind Wundheilungsförderung und gesteuerte Knochenregeneration (GBR), zum Beispiel in Kombination mit Knochenersatzmaterial und azellulärer dermaler Matrix.
Wenn möglich, sofort implantieren
Die Erfolgsrate von Sofortimplantationen ist laut Dr. Ilaria Franchini (Milano und Stuttgart) grundsätzlich gut, allerdings nur bei korrekter Indikationsstellung und ausreichend klinischer Erfahrung [14–16]. Verzögerte Protokolle empfiehlt Franchini, wenn die Patientenmitarbeit schlecht, die ästhetische Prognose unsicher ist oder wenn akute Entzündung oder ungünstige Defektkonfigurationen vorliegen [17]. Einer dieser Faktoren reiche als Kontraindikation aus.
Privatdozent Dr. Markus Schlee (Forchheim) bewertet Sofortprotokolle im Oberkieferfrontzahnbereich (15 bis 25) bei gegebener Indikation als alternativlos. Da Implantatachse und Emergenzprofil entscheidenden Einfluss auf die resultierende Weichgewebsdicke haben [18], seien diese Faktoren bedeutsamer als der Phänotyp. Schlee bevorzugt nach Möglich-keit lappenlose Eingriffe. Für Dr. Sven-Marcus Beschnidt sind Sofortprotokolle ebenfalls mehr als ein Trendthema. Der in Baden-Baden niedergelassene Prothetikspezialist präsentierte eine Versorgung mit 3-D-geführter Implantation und sofortiger definitiver Abutmentbefestigung.
Fazit
Das Internationale Symposium der Oral Reconstruction Foundation bot – wie seit 2006 bei dieser Kongressreihe üblich – relevante Forschungsergebnisse und praxisnahes Wissen rund um Implantologie und Augmentation. Die vorgestellten minimal-invasiven Techniken haben bei richtiger Anwendung das Potenzial, die Wundheilung, das regenerative Ergebnis und damit die periimplantären Gewebsdimensionen zu verbessern. Beides ist wesentlich für das ästhetische Ergebnis und die Langzeitstabilität implantologischer Versorgungen.
Dr. Jan H. Koch, Freising
Interessenkonflikt: Der Autor hat im Auftrag der Oral Reconstruction Foundation einen weiteren
Bericht verfasst, der in der Camlog-Firmenpublikation Logo erscheinen wird.
Literatur
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