Die postmoderne Gesundheitspolitik unter Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach scheint der Maxime „form follows fiction“ zu folgen. Klangvolle Gesetzesnamen erzeugen den wohligen Eindruck gezielter politischer Aktivität.
Ambulante Versorgung: Karl Lauterbachs Sparflamme
Fangen wir mit dem leidigen GKV-Finanzstabilisierungsgesetz an. „Kern des Gesetzes sind Finanzreformen in allen Bereichen der gesetzlichen Krankenversicherung: Die Preisbildung von Arzneimitteln wird reformiert, die Honorierung von Ärzten verändert, die Finanzreserven der Krankenversicherung abgeschmolzen, der Apothekenabschlag erhöht. Damit wird ein 17 Milliarden Euro großes Defizit ausgeglichen“, so das BMG. Die wohlfeile Formulierung die Honorierung der Ärzte werde verändert, ist an Schönfärberei kaum zu überbieten. Es soll ja laut Lauterbach keine Leistungskürzungen im Katalog der GKV geben, also deckelt der Minister das Leistungsvolumen, es sei denn (Zahn-)Ärzte wollen ihre Leistung umsonst erbringen. Denn in dieses Dilemma bringt die Budgetierung vor allem die Zahnärzte. Und das in Zeiten explodierender Energiekosten, einer hohen Inflation und steigender Personalkosten.
Kein klarer Kurs erkennbar
Auffällig am GKV-FinStG ist auch, dass er allein den ambulanten Sektor betriff. Auf 716 Millionen ambulante Behandlungsfälle kommen 16,8 Millionen stationäre. Die Kostenverteilung in der GKV sind allerdings ganz anders aus. Die GKV-Ausgaben für (zahn-)ärztliche Behandlungen lagen im vergangenen Jahr bei zusammen 57,283 Milliarden Euro – ohne Zahnersatz, die für Krankenhausbehandlung bei 85,128 Milliarden Euro. Natürlich lässt sich ein Schnupfen in der ambulanten Versorgung nicht mit intensivmedizinischer stationärer Versorgung vergleichen, aber aus welcher Richtung der gesundheitspolitische Sparwind aus dem BMG weht, wird deutlich. Das verdeutlichen auch die 1,5 Milliarden Euro aus öffentlichen Mitteln, die den Krankenhäusern zum pauschalen Ausgleich von mittelbar durch die Energiepreise verursachten Kostensteigerungen zur Verfügung gestellt wurden. Für die Praxen gab es zum Ausgleich: nichts. Im Gegenteil – die Budgetierung sorgt dafür, dass die KZVen und KVen weniger Honorar an die Praxen auszahlen.
Und dann plant Lauterbach noch eine weitere ambulante Struktur: die „Gesundheitskioske“. „Hauptaufgabe der Kioske ist es, den Zugang zur Versorgung der Patientinnen und Patienten mit besonderem Unterstützungsbedarf zu verbessern und die Versorgung zu koordinieren“, formuliert das BMG. Woher die dafür benötigten Fachkräfte, die jetzt schon in den Praxen und Pflegeeinrichtungen fehlen, kommen sollen, bleibt ebenso fraglich wie die Finanzierung. Laut AOK Rheinland-Hamburg belaufen sich die jährlichen Kosten für einen Kiosk auf etwa 500.000 Euro pro Jahr. Bei den von Lauterbach geplanten 1.000 entstehen Kosten von 500 Millionen Euro. Von denen soll die GKV 74,5 Prozent und die PKV 5,5 Prozent übernehmen, die Kommunen tragen die restlichen 20 Prozent der Kosten. In Zahlen sind das Kosten für die GKV von 372,5 Millionen Euro, die hier in die Prävention gesteckt werden und die an anderer Stelle der Prävention durch das GKV-FinStG entzogen wurden..
Im Wortlaut war die Ampelkoalition mit dem Versprechen der Gesundheitsförderung angetreten: „Wir entwickeln das Präventionsgesetz weiter und stärken die Primär- und Sekundärprävention“, heißt es im Koalitionsvertrag.
Mehr Prävention wagen
Und wo könnte die Politik ein besseres Vorbild für präventive Medizin finden als in der Zahnmedizin. Die Patienten kommen regelmäßig auch ohne Beschwerden – zur Kontrolle. Die Bema-Positionen 01 „Untersuchung“ und Ä1 „Beratung“ sind mit Abstand die häufigsten Abrechnungsziffern. Die GKV übernimmt die Kosten für die Verhütung von Zahnerkrankungen in Form der Gruppen- und Individualprophylaxe, für Früherkennungsuntersuchungen bis zum 6. Lebensjahr, für zahnärztliches Präventionsmanagement bei Pflegebedürftigen oder Menschen mit Behinderungen und für zusätzliche Leistungen im Rahmen der aufsuchenden Versorgung. Zudem verpflichtet der Gesetzgeber die Vertragszahnärzte zum Abschluss von Kooperationsverträgen mit stationären Pflegeeinrichtungen. Dazu kommt der Meilenstein der Aufnahme der präventionsorientierten Parodontitistherapie in den GKV-Leistungskatalog – jedenfalls bis zum Zeitpunkt seiner widersinnigen Budgetierung unter Lauterbach durch das GKV-FinStG.
Ja, Prävention kostet im ersten Moment Geld, im zweiten spart sie aber mehr als sie kostet und hat den wunderbaren Vorteil, dass Menschen gesünder bleiben. Also Herr Lauterbach, lassen Sie sich an den Taten messen, nicht an schönen Worten und heben Sie die PAR-Budgetierung auf.