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Auf Kosten der Gesundheit

Werfen wir einen Blick zurück und betrachten wir eines der fatalen Gesetze, die unter Bundesgesundheitsminister Prof Dr. Karl Lauterbach zustande gekommen sind: das Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung oder kurz GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vom 7. November 2022. Hierin wurden die „zahnärztlichen Leistungen ohne Zahnersatz“ für die Jahre 2023 und 2024 strikt budgetiert und damit auch die zum Juli 2021 neu in den GKV-Leistungskatalog eingeführte, präventionsorientierte Parodontitistherapie.

GKV-Finanzstabilisierungsgesetz: Evaluationsbericht belegt negative Auswirkungen

Sehenden Auges wurden damit die Bemühungen, der weit verbreiteten Zahnfleischerkrankung, die Wechselwirkungen mit fast 60 systemischen Erkrankungen hat, vorbeugend entgegenzuwirken, ausgehebelt – mit kaum absehbaren Folgen auf die Allgemeingesundheit der GKV-versicherten Menschen. Allein zu einem kleinen Zusatz konnte sich der Gesetzgeber durchringen: „Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert bis zum 30. September 2023 die Auswirkungen der Begrenzung der Anhebungen der Gesamtvergütungen nach Satz 1 auf den Umfang der Versorgung der Versicherten mit Leistungen zur Behandlung von Parodontitis.“ Geliefert hat das BMG bislang freilich nicht.

Faktenlage eindeutig

Geliefert haben dafür andere: die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DG Paro). Ihr nun am 29. September von Martin Hendges, Vorstandsvorsitzen-der der KZBV, und Prof. Dr. Peter Eickholz, Mitglied der DG Paro, in Berlin vorgeleg­ter ­Evaluationsbericht belegt erstmals anhand konkreter Daten die negativen Folgen des GKV-FinStG für das Versorgungsgeschehen.

Bundesgesundheitsminister Lauterbach vergisst ja schon mal, den einen oder anderen Brief zu lesen, wie die KBV leidvoll bestätigen kann. Doch diesen Bericht sollte er lesen, handelt es sich hierbei doch um ein Zahlen- und Faktenwerk, das nicht mit einem Tweet von Tisch gewischt werden kann. Es geht um die Gesundheit von Menschen, sehr vielen Menschen. Sein GKV-Spargesetz kann viele Betroffene teuer zu stehen kommen, wie der Bericht eindrücklich belegt.

Dabei hatte sich Rot-Grün-Gelb doch gerade die Prävention groß auf die Fahnen geschrieben. „Dem Leitgedanken von Vorsorge und Prävention folgend stellen wir uns der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe zielgruppenspezifisch und umfassend. Wir unterstützen die Krankenkassen und andere Akteure dabei, sich gemeinsam aktiv für die Gesunderhaltung aller einzusetzen“, heißt es vollmundig im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung.

Doch liest sich dieser Satz bitter vor dem Hintergrund, dass eine präventionsorientierte GKV-Leistung wie die Parodontitistherapie budgetiert wurde, obschon alle im G-BA Beteiligten – und das ist auch das BMG – sich über die Kosten, die durch die neue PAR-Behandlungsstrecke innerhalb des GKV-Leistungskatalogs entstehen würden, völlig im Klaren waren. Hier wurde also keine Bremse vor einer überraschenden Kostenexplosion gezogen, sondern ein einkalkuliertes Finanzvolumen ohne Not gestrichen.

Wenn jetzt die PAR-Neubehandlungen auf das Niveau vor der Einführung der neuen PAR-Behandlungsstrecke fallen, mit weiter rückläufiger Tendenz, dann ist diese negative Entwicklung nur durch eine zeitnahe Rücknahme der Budgetierung aufzuhalten. Ansonsten drohen Strukturen in den Praxen dauerhaft zu entfallen, die für die neue PAR-Behandlungsstrecke aufgebaut wurden. Der kurzfristige Einspareffekt wird dann die GKV-Beitragszahler doppelt belasten – durch höhere Krankenlast und damit einhergehend höheren Beiträgen. Gedient ist damit niemandem.

200 Millionen Euro Folgekosten

Der Evaluationsbericht rechnet allein im zahnärztlichen Sektor jährlich mit 200 Millionen Euro Folgekosten durch die Budgetierung der PAR-Behandlungsstrecke durch Zunahme im konservierend-chirurgischen Bereich und bei Zahnersatz. Hinzu kommen Folgekosten im allgemeinmedizinischen Bereich.

„Die Krankheitskostenrechnung des Statistischen Bundesamtes geht für das Jahr 2020 von Krankheitskostender Diabetes mellitus in Höhe von 7,4 Milliarden Euro aus. Könnten diese Gesamtkosten durch eine begleitende Parodontitistherapie in Höhe von nur 1 Prozent gesenkt werden, würde dies bereits zu Kosteneinsparungen in Höhe von 74 Millionen Euro führen. Bereits 5 Prozent würden Einsparungen in Höhe von 370 Millionen Euro bedeuten“, rechnet der Evaluationsbericht eindrücklich vor.

Also, Herr Lauterbach, die präventionsorientierten Zahnärztinnen und Zahnärzte reduzieren die Gesundheitsausgaben zum Wohle der Patienten – einfach mal zulassen und raus aus der Budgetierung.

Ein grafisches Bild, das links einen entzündeten Zahn zeigt, der rote Blutplättchen und Krankheitserreger  zu einem Körper mit Blutgefäßen streut

Die Volkskrankheit steht in direkter Wechselwirkung mit Dia­betes und hat Einfluss auf weitere schwere Allgemeinerkrankungen.