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Daseinsvorsorge: Ärzte, Zahnärzte und Apotheker müssen „da sein“

Der Kommentar von Chefredakteur Marc Oliver Pick

Jetzt gibt es also einen Hilfeaufruf direkt an den Bundeskanzler. Absender sind Vertreterinnen und Vertreter der freien Heilberufe, Apotheker, Ärzte und Zahnärzte. Ob Olaf Scholz der passende Adressat ist oder der Appell gleich an Karl Lauterbach weitergereicht wird, sei mal dahingestellt. Entscheidend ist, dass jetzt tatsächlich alle Akteure unterschiedlicher Disziplinen, die alle zur medizinischen Daseinsvorsorge beitragen, an einem Strang ziehen, um eine große Last doch noch bewegen zu können.

Wohnortnahe und flächendeckende Versorgung vielerorts gefährdet

Und die Last ist wirklich groß, geht es doch um nicht weniger als das Verhindern der „drohenden Verschlechterung der flächendeckenden und wohnortnahen Versorgung“. Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig und schon einzeln für sich genommen besorgniserregend. Ob überbordende Bürokratie, eine unzureichende finanzielle Ausstattung, eine Digitalisierungsinitiative ohne nennenswerte Beteiligung der Heilberufler, ob grassierender Fachkräftemangel, ein ausgerechnet im BMG offenbar schwach ausgeprägtes Verständnis für eine präventive Versorgung oder die durch den Sparwahn der Krankenkassen ausgelösten Arzneimittel-Lieferengpässe – die Liste ist lang.

Gleichzeitig sollen durch Änderungsanträge zum Krankenhaustransparenzgesetz weitere fünf Milliarden Euro für die kurzfristige Liquiditätssicherung der Kliniken bereitgestellt werden. Geld ist aber nur ein Punkt, die Überwindung von Sektorengrenzen, also die Verlagerung stationär erbrachten Behandlungen in den ambulanten Sektor, ist ein anderer. Die bereits in den Koalitionsvertrag geschriebene Ambulantisierung soll den vielerorts unwirtschaftlichen Kliniken Luft für einen Wirtschaftlichkeitsschub verschaffen. Das Ziel ist ambitioniert, soll doch ein Viertel aller vollstationär erbrachten Leistungen (vermutlich irgendwann 2024) in den ambulanten Sektor verlagert werden. Bislang fehlt es allerdings noch an einem Gestaltungsvorschlag zur sektorengleichen Vergütung und an einem Katalog der infrage kommenden Eingriffe. Auch wenn Letzteres weniger ein Thema der Zahnärzteschaft ist, zeigt das Beispiel doch, wie immer wieder zu kurz gedacht wird, wie immer wieder der zweite Schritt vor dem ersten, eigentlich entscheidenden Schritt gemacht wird, obwohl das Ziel durchaus sinnvoll ist. Und dass wieder zu lange an der Umsetzung gefeilt wird, um das Problem dann doch wieder nur halbherzig anzugehen.

Ambulantisierung erfordert mehr statt weniger Ressourcen

Hinzu kommt, dass ein Element dieses Plans in den Überlegungen offenbar nicht berücksichtigt wurde: Wer soll denn die künftig in weitaus größerem Maß ambulant zu erbringenden Leistungen erbringen, wenn der zur Rettung erkorene ambulante Sektor durch immer neue Sparzwänge systematisch ausgehungert wird, wenn das Budgetkorsett jeden Anreiz für eine Niederlassung zunichte macht, wenn das flächendeckende Netz der Praxen und Apotheken in der Folge immer fadenscheiniger wird? Es sieht so aus, als hätte man beim Pläneschmieden zur Ambulantisierung „die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen vergessen“, um den KBVChef Dr. Andreas Gassen zu zitieren.

Die Ambulantisierung braucht Vertragsärzte und Psychotherapeuten, die wohnortnahe zahnmedizinische Versorgung braucht niedergelassene Zahnärzte, und die wohnortnahe Versorgung mit Medikamenten braucht Apotheken. Wenn die vorhandene ambulante Infrastruktur weiterhin durch ungezügelte Sparmaßnahmen gefährdet wird, wird es der vorhandenen stationären Infrastruktur kaum besser gehen.

Zusammengefasst: Wenn im bestehenden System der stationäre Sektor der Kranke ist, braucht er den Arzt umso mehr. Es bleibt abzuwarten, ob der Notruf der Ärzte-, Zahnärzte- und Apothekerschaft den Bundeskanzler erreicht – und ob er etwas zum Positiven verändern hilft.