Der Kommentar von Chefredakteur Marc Oliver Pick
Noch ist das Jahr 2023 nicht zu Ende, aber trotzdem lohnt es sich, eines der Themen, die in diesem Jahr eine bemerkenswerte Dynamik entfaltet haben, näher zu betrachten: „Nachhaltigkeit“ in der (Zahnarzt-)Praxis.
Auf der diesjährigen Internationalen Dental-Schau (IDS) in Köln zeichnete sich ab, dass neben den Wachstumsthemen integrierter digitaler Workflow und additive Verfahren vor allem der Aspekt Nachhaltigkeit immer wichtiger wird. Zum Beispiel durch energiesparende Technologien etwa im Bereich Kompressoren (Hidden Champions in jeder Praxis) oder das Angebot, Praxistechnik modular zu erweitern, ohne Bestandslösungen überflüssig zu machen. Ob nachhaltigere Produktions- und Distributionsprozesse durch den Einsatz erneuerbarer Energien oder die Verwendung sortenreiner (und damit wiederverwertbarer) Rohstoffe: Die IDS zeigte von Produktentwicklung über Produktion bis hin zum energieeffizienten und rohstoffschonenden Regelbetrieb in den Praxen in noch nie dagewesener Vielfalt Optionen auf, Nachhaltigkeit in den Zahnarztpraxen zu einem selbstverständlichen Dauerthema zu machen.
Fußabdruck der Gesundheitsbranche ist gewaltig
Initiativen wie „Die grüne Praxis“ oder „Practice Green“, um Beispiele zu nennen, unterstützen Industrie, Fachhandel und Praxen dabei, insgesamt nicht nur mehr Nachhaltigkeit anzustreben und im Kleinen wie im Großen umzusetzen, sondern diese Bemühungen auch öffentlich zu machen. Denn mittlerweile hat auch die Politik erkannt, wie gewaltig der ökologische Fußabdruck der gesamten Gesundheitsbranche ist.
Tatsächlich lohnt ein genauerer Blick auf Kleinigkeiten wie den E-Mail-Versand, die kaum jemand auf dem Schirm hat, weder privat noch beispielsweise als Zahnmedizinische Verwaltungsassistentin am Empfang einer Zahnarztpraxis. Der Versand von E-Mails oder die Übermittlung von Abrechnungsdaten benötigen Rechenzentren und Server-Landschaften, um reibungslos zu funktionieren. Diese weltweit täglich milliardenfach ablaufenden Prozesse verbrauchen so viel Energie wie die gesamte globale Flugbranche. „Flugscham“ ist ein etablierter Begriff, von „E-Mail-Scham“ ist allerdings nirgends zu lesen.
Von „E-Mail-Scham“ ist nirgends zu lesen
Digitale Kommunikationswege sind gerade heute im Zuge zunehmender Digitalisierung auch aus dem Gesundheitswesen nicht mehr wegzudenken. Der Prozess ist weder aufzuhalten noch ist die Rückkehr zur Papierform sinnvoll. Umso wichtiger ist es, anderswo Stellschrauben zu entdecken, die bei geschickter Justierung helfen können, den ökologischen Fußabdruck zumindest in ein tragbares Gleichgewicht zwischen Aufwand und Nutzen zu bringen.
Nachhaltigkeit ist trotz des IDS-Schwerpunkts nicht erst im März dieses Jahres in Köln entdeckt worden. Nachhaltigkeit steckt vielmehr in einer Herangehensweise, die darum bemüht ist, (zahn-)medizinischen Behandlungsbedarf erst gar nicht entstehen zu lassen. Sie als Zahnärztinnen und Zahnärzte in Ihren Praxen tun genau das, indem Sie tagtäglich nachhaltig agieren – auch ohne Solarmodule auf dem Praxisdach oder Bambuszahnbürsten auf dem Praxistresen. Denn was ist eine gelebte und Ihren Patientinnen und Patienten immer wieder aufs Neue angebotene Prävention anderes als nachhaltiges Handeln?
Prävention leistet wertvollen Beitrag zur Nachhaltigkeit
Im Konzept Prävention steckt ein gewaltiges Potenzial, um Gesundheitsaufwände und damit Gesundheitskosten nachhaltig zu reduzieren. Dass dies nicht nur eine theoretische Größe ist, stellt die Zahnärzteschaft – abzulesen nicht nur am sinkenden Kariesaufkommen – seit Jahren regelmäßig unter Beweis, auch unter Kostengesichtspunkten. Prävention mit Konzept steigert nachweislich nicht nur die Gesundheit, sondern leistet direkt einen wertvollen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit. Orale Gesundheit ist mehr als schöne Zähne und ein strahlendes Lächeln, sie ist eine der zentralen Voraussetzungen für Gesundheit überhaupt, und zwar für eine nachhaltige Gesundheit.
