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US-Gesundheitspolitik auf Abwegen

Der Kommentar von Fachredakteurin Brigitte Dinkloh

Robert F. Kennedy Jr. hält die Welt in Atem, zumindest die medizinische Fachwelt. Schritt für Schritt versucht er, das Fundament der amerikanischen Gesundheitspolitik, zuallererst den Teil, der auf Wissenschaftserkenntnis und Evidenz basiert, auszuhöhlen und letztlich abzuschaffen.

Sein neuester Vorstoß: Die Abberufung der Impfkommission. Alle 17 Experten des Advi­sory Committee on Immunization Practices (ACIP), die unentgeltlich vier Jahre lang die US-Seuchenbehörde CDC beim Aussprechen von Impfempfehlungen beraten, wurden vom amerikanischen Gesundheitsminister entlassen. Kennedy, der seit vielen Jahren die Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen in Frage stellt und Behauptungen aufstellt, die im Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen, behauptet, dass die meisten Gremiumsmitglieder von Arzneimittelherstellern finanziert würden und lediglich die Pläne der Industrie durchgewunken hätten. 

Ein Rauswurf als politisches Signal

Tatsächlich jedoch werden die ACIP-Mitglieder vor ihrer Berufung auf mögliche Interessenkonflikte geprüft, und sie müssen alle relevanten Geschäftsinteressen, Führungspositionen oder sonstigen Verbindungen zu Organisationen und Unternehmen offenlegen. Anstatt ihre Amtszeit regulär zu beenden, hat Kennedy sie rausgeworfen. Die American Public Health Association (APHA) bezeichnet das Vorgehen als einen Putschversuch, der nicht den demokratischen Gepflogenheiten der USA entspreche.

Damit kommt Kennedy seinem gefährlichen Wunsch näher, Impfungen und alle Wissenschaftler, die sich dafür aussprechen, zu verunglimpfen und die Gemeinde der Zweifler am Impfnutzen stetig zu mehren. Wissenschaftliche Evidenz wird ersetzt durch Pseudowissenschaft, Voodoo und Verschwörungstheorien wird eine Bühne bereitet, medizinische Erfolge werden ad absurdum geführt. Bei der Nachbesetzung dürfte nicht allein die wissenschaftliche Integrität eine Rolle spiele. Mindestens zwei der neuen Mitglieder sind als Impfskeptiker bekannt. Damit manövriert sich die amerikanische Gesundheitspolitik weiter ins Abseits und die USA rütteln an ihrem Nimbus als eine der führenden Wissenschafts- und Forschungsnationen weltweit.

Sinkende US-Impfrate wird Krankheiten befördern

Das ist traurig und gefährlich, nicht nur für die Amerikaner, sondern auch für die Menschheit insgesamt. Die sinkende Impfrate begünstigt den Ausbruch von Krankheiten, die als längst besiegt galten, wie der jüngste Masernausbruch in den USA zeigt. Laut einer Studie von Matthew V. Kiang von der Stanfort University in Kalifornien [1] sind weiter sinkende Impfstände für die USA fatal. Nach der aktuellen Impfrate würden die Masern wieder endemisch, mit geschätzten 851.300 Fällen in den kommenden 25 Jahren. Lasse die Impfbereitschaft weiter nach, beispielsweise um weitere 10 Prozent, prognostizieren die Forscher 11,1 Millionen Masernfälle. Wenn die aktuelle Impfquote mit der MMR-Impfung hingegen um 5 Prozent steigen würde, errechnen sie für denselben Zeitraum nur 5.800 Erkrankungen. Stimmungsmache gegen Impfungen hat also schwerwiegende Folgen. Und in einer globalen Welt lassen sich Krankheitserreger nur schwerlich von Ländergrenzen abhalten. Steigende Infektionsraten in den USA dürften daher auch zu mehr Erkrankungen weltweit führen.

Zur Politik Kennedys gehört es ebenso, die internationale Zusammenarbeit in Gesundheitsfragen aufzukündigen, wie mit dem Austritt aus der WHO besiegelt, aber auch die Forschung an neuen Impfstoffen einzuschränken. So wurde Ende Mai der Vertrag mit Moderna im Umfang von 766 Millionen US-Dollar zur Entwicklung eines Grippe-Impfstoffs gekündigt, der Menschen unter anderem vor den Folgen der Ausbreitung des Vogelgrippevirus H5N1 schützen sollte. Diesmal wurde damit argumentiert, dass der mRNA-Impfstoff als zu wenig erforscht gilt und die Sicherheit der Amerikaner gefährden würde. 

Wohl weniger statt mehr Sicherheit

Viele Infektiologen erklären allerdings das Gegenteil: „Mit dieser Entscheidung ist unser Land weniger darauf vorbereitet, sich einer kommenden Influenza-Pandemie entgegenzustellen. Das ist ein gefährlicher Kurs“, sagt unter anderem Michael Osterholm, Direktor des Instituts für Infectious Desease Research and Policy an der Universität von Minnesota. 

Drei weitere Jahre dieser amerikanischen Politik bergen erhebliche gesundheitliche Gefahren. Medizinische Forschung und Therapien werden in den USA nur noch unterstützt, wenn sie in das Weltbild der Herrschenden passen. Die Freiheit der Wissenschaft wird untergraben. Bei uns Deutschen sollte das unangenehme Erinnerungen wecken. Zu Risiken und Nebenwirkungen (…) fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder Ihren Apotheker.

[1] https://jamanetwork.com/journals/jama/article-abstract/2833361