Für mindestens zwei Genregionen fanden die Forscher demnach hochsignifikante Assoziationen mit der Entstehung der Krankheit. Die Ergebnisse der Studie sind in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Human Molecular Genetics“ und vorab online veröffentlicht (Link am Ende des Beitrags).
Kompliziertes Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren
Weltweit wird die Prävalenz schwerer Parodontitis auf etwa 11 Prozent geschätzt. Die Erkrankung gilt als komplex, da die individuelle Anfälligkeit durch das Zusammenspiel zwischen der Mundflora, dem Immunsystem, Rauchen und Ernährung, aber auch von Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus bestimmt ist. Die Reaktion des Körpers auf diese Faktoren wird zu einem großen Teil durch die individuelle genetische Konstitution reguliert.
Nach den genetischen Ursachen für Parodontitis haben zwei Kieler Biologen geforscht – und für ihre Ergebnisse den Miller-Preis 2013 erhalten. Was sie herausgefunden haben, erklärt PD Dr. Arne Schäfer, heute Professor an der Charité Universitätsmedizin Berlin.
Sequenzunterschiede untersucht
Die Wissenschaftler der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Arne Schäfer am Institut für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Charité haben jetzt den Zusammenhang zwischen Sequenzunterschieden in der Erbinformation und dem Auftreten der Erkrankung bei mehreren tausend Patienten mit aggressiver und chronischer Parodontitis in einer genomweiten Assoziationsstudie (GWAS) untersucht und mit gesunden Individuen verglichen. „Dieser sehr systematische Studientyp hat das Ziel, die Gene, die das jeweilige Krankheitsrisiko beeinflussen, direkt, das heißt ohne eine vorher gebildete Hypothese zu identifizieren“, erklärt Schäfer das Design der Studie.
Krankheitsassoziation für einzelne Genregionen
Dabei werden Millionen DNA-Sequenzvarianten, die über das gesamte Genom verteilt sind und den größten Teil der genetischen Information beschreiben, in umfassenden Patienten- und Kontrollkollektiven untersucht. „Da DNA-Sequenzunterschiede einen Einfluss auf das Krankheitsrisiko haben können, ist es durch den Vergleich ihrer Häufigkeiten bei Patienten und gesunden Kontrollteilnehmern möglich, eine Krankheitsassoziation für einzelne Genregionen zu finden“, fügt er hinzu.
Zwei Genbereiche identifiziert
Die Wissenschaftler fanden zwei Genbereiche, die mit einem erhöhten Risiko für verschiedene Manifestationen der Parodontitis verbunden sind. Eine der beiden Regionen ist für die Synthese von Alpha-Defensinen (antimikrobielle Peptide) verantwortlich, die in spezialisierten Immunzellen hergestellt werden. Diese Immunzellen, neutrophile Granulozyten, sind Teil der angeborenen Immunabwehr und dienen der Identifizierung und Zerstörung von Mikroorganismen. Der zweite Genbereich (Siglec-5), den die Wissenschaftler lokalisierten, hemmt wiederum die Aktivierung dieser Immunzellen.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die verschiedenen Formen der Parodontitis eine gemeinsame genetische Grundlage haben“, erklärt Schäfer. Er betont: „Es gibt also Patientengruppen, bei denen für die Entstehung einer Parodontitis eine Veranlagung vorliegen kann, die gänzlich unabhängig von anderen Risikofaktoren wie Rauchen, Mundhygiene oder dem Alter ist.“
[Munz M, Willenborg C, Richter GM, Jepsen S, Dommisch H, Schaefer AS et al. A genome-wide association study identifies nucleotide variants at SIGLEC5 and DEFA1A3 as risk loci for periodontitis. Hum Mol Genet. 2017 Apr 25. doi: 10.1093/hmg/ddx151. (Epub ahead of print) PubMed PMID: 28449029]