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Neue Leitlinie gibt Hinweise für besten Implantationszeitpunkt

Eine generelle Empfehlung für den besten Implantationszeitpunkt ist nicht möglich. Vielmehr müssten Zahnärzte spezifische individuelle Faktoren der Patienten bewerten, um den jeweils geeigneten Zeitpunkt für eine Implantation zu wählen, so der Tenor der neuen Leitlinie zum Thema Implantationszeitpunkt. Experten von 18 Fachgesellschaften haben unter der Federführung von DGI und DGZMK und der Koordination von Prof. Dr. Dr. Christian Walter nun erstmals entsprechende konsensbasierte Empfehlungen und Statements erarbeitet, wozu die Literatur systematisch aufbereitet wurde.

Geht es um dentale Implantate, wünschen sich Patienten eine wenig invasive Therapie mit kurzer Behandlungsdauer und möglichst wenigen Eingriffen. Neue klinische Protokolle, die unterschiedliche prothetisch-implantologische Versorgungskonzepte ermöglichen und die Behandlungsdauer verkürzen, tragen diesen Wünschen Rechnung: Bei einer Sofortimplantation erfolgt die Implantation unmittelbar nach der Zahnextraktion.

Bei der Frühimplantation erfolgt die Implantation erst nach der vollständigen Heilung des Weichgewebes (Typ II) beziehungsweise nach einer zumindest partiellen Heilung des Knochengewebes. Diesen Konzepten stehen traditionelle Protokolle der Spätimplantation gegenüber, die aufgrund von Um- und Abbauprozessen des Alveolarkamms nach der Extraktion augmentative Maßnahmen vor der Implantation erforderlich machen können.

Dr. Keyvan Sagheb

Der federführende Autor der Leitlinie PD Dr. Dr. Keyvan Sagheb (Mainz)

Unterschiede zwischen Praxis und Klinik

Bei der Vorstellung der Leitlinie im Rahmen eines Pressegesprächs wurde deutlich, dass die Wahl des Implantationszeitpunktes auch davon abhängen kann, ob der Eingriff in einer Praxis oder einer Klinik stattfindet. Dr. Dr. Anette Strunz, Pressesprecherin der DGI mit eigener Praxis in Berlin, berichtete, dass sie bei etwa fünf Prozent der Patienten eine Sofortimplantation durchführen würde, und zwar ganz überwiegend im Frontzahnbereich bei nicht infizierten Zähnen und immer mit einer 3-D-Bohrschablone.

An erster Stelle stünden in ihrer Praxis Spätimplantationen nach sechs Monaten, dies hänge vor allem mit Sicherheitsaspekten zusammen. „Ich gehe sehr auf Nummer sicher, weil eine Praxis da einen anderen Anspruch hat als die Klinik, wo man mehr verzeihen kann“, erklärt Strunz. Im Überweiserkonstrukt und bei anspruchsvollen Patienten müsse die Sicherheit im Vordergrund stehen. Und dagegen hätten auch die Patienten keine Einwände, wenn sie richtig beraten würden.

Etwas anders schildert der federführende Autor der Leitlinie PD Dr. Dr. Keyvan Sagheb die Situation in der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, plastische Operationen der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Bei Patienten mit vielen Vorerkrankungen würde man in Mainz auch sehr konservativ behandeln, allerdings habe man auch sehr gute Erfahrungen mit Sofortimplantationen. „Wir bekommen viele Fälle aus der Prothetik zugewiesen, von daher gibt es sicherlich einen Bias, weshalb wir in der Uniklinik so viele Sofortimplantationen haben“, erklärt der Oberarzt, der die Sofortimplantation aber nur bei nicht gestörter und reduzierter Knochenheilung empfiehlt.

Die DGI für jüngere Kollegen attraktiver machen und mehr Frauen für die Mitarbeit in der Fachgesellschaft und für die Implantologie motivieren –  zwei der Ziele, die Dr. Dr. Anette Strunz im Visier hat.

Die DGI für jüngere Kollegen attraktiver machen und mehr Frauen für die Mitarbeit in der Fachgesellschaft und für die Implantologie motivieren –  zwei der Ziele, die Dr. Dr. Anette Strunz im Visier hat.

Protokolle mit Vor- und Nachteilen

Die verschiedenen Protokolle haben jeweils spezifische Vor- und Nachteile und unterscheiden sich durch Indikationsbereiche sowie klinische Schwierigkeiten und Risiken. Welcher Implantationszeitpunkt geeignet ist, hängt daher von den individuellen systemischen und lokalen Faktoren eines Patienten ab.

Werden diese nicht beachtet, kann ein falsch gewählter Implantationszeitpunkt das Therapieergebnis verschlechtern. Eine Vielzahl von Erkrankungen und Therapien beeinflussen beispielsweise den Umbau und die Neubildung von Knochen. Darum muss eine gestörte Knochenphysiologie bei der Festlegung des Implantationszeitpunktes berücksichtigt werden. Dies gilt auch für zahlreiche lokale Einflussgrößen, etwa akute Entzündungen oder eine anatomische Kompromittierung.

Die neue Leitlinie sollte darum die Frage klären, ob der Implantationszeitpunkt einen Einfluss auf das Implantatüberleben hat, welche systemischen und lokalen Faktoren bei der Auswahl des Implantationszeitpunktes zu beachten und ob zusätzliche Maßnahmen sinnvoll sind.

graphische Darstellung der vier Typen von Implantationszeitpunkten

Die vier Typen der Implantationszeitpunkte mit Angabe des Zeitfensters und der Heilungsphase nach Extraktion.

Therapieplanung

Es gibt keine Studien, bei denen der Einfluss der Therapieplanung auf das Implantatüberleben mit Bezug zum Implantationszeitpunkt untersucht wurde. Darum haben die Fachleute Empfehlungen formuliert, die im Rahmen einer allgemeinen Implantattherapie zu beachten sind. Diese beziehen sich auf den Beginn der Planung vor der Zahnextraktion sowie auf die individuelle Risikoevaluation des Patienten anhand der Anamnese sowie auf Basis klinischer und radiologischer Befunde.

Diagnostik

Auch die erforderlichen Untersuchungen für eine individuelle Therapieplanung und Aufklärung basieren auf den allgemeinen Erfordernissen einer implantologischen Versorgung: Anamnese, klinische Untersuchung und radiologische Bildgebung. Dabei müssen Qualität, Quantität und Morphologie von Hart- und Weichgewebe sowie das Vorhandensein lokaler Pathologien und der Zustand der Nachbarzähne beurteilt werden. Bei Risikopatienten (z.B. Patienten nach einer Strahlentherapie im Kopf-Halsbereich, bei Patienten mit Diabetes, einer Immundefizienz oder unter antiresorptiver Therapie) sind gegebenenfalls weitere Untersuchungen nötig. Diese sind Themen anderer Leitlinien.

Spätimplantation

Studien belegen hohe Implantatüberlebensraten nach einer Spätimplantation auch dann, wenn lokale und systemische Risikofaktoren zum Zeitpunkt der Zahnextraktion vorliegen. Allerdings kann ein deutlicher Knochenabbau eine Augmentation zum Zeitpunkt der Implantation zwingend erforderlich machen. Die Fachleute raten dazu, dass bei einer Spätimplantation Verfahren zur Erhaltung des Alveolarkammes empfohlen werden sollten.

Frühimplantation

Kommt eine Sofortimplantation nicht in Frage, kann eine Frühimplantation empfohlen werden. Die dann abgeschlossene Heilung des Weichgewebes ermöglicht die Implantatinsertion bei einem geringeren Resorptionsgrad sowie augmentative Maßnahmen, die langfristig für stabile periimplantäre Verhältnisse sorgen. Studien zeigen eine sehr gute Überlebensrate von 91 bis 100 Prozent. Andere Untersuchungen zeigen beim Implantatüberleben in Abhängigkeit vom Implantationszeitpunkt (Sofort- versus Frühimplantation) keine signifikanten Unterschiede.

Sofortimplantation

Die klinische Datenlage ist für Sofortimplantationen aufgrund der starken Variabilität der operativen Technik sehr heterogen, konstatieren die Fachleute. Entsprechend weit ist die Spannbreite der Studienergebnisse beim Implantatüberleben und dem Erfolg der Behandlung.

Wenn die Behandlung in Zentren mit einer sehr hohen klinischen Expertise auf diesem Gebiet erfolgt und die Patienten streng ausgewählt werden, sind die Studienergebnisse sehr gut. Aktuelle Metaanalysen randomisierter klinischer Studien zeigen jedoch signifikant schlechtere Überlebensraten bei einer Sofortimplantation in der Einzelzahnregion im Vergleich mit einer Früh- bzw. Spätimplantation. “Die Sofortimplantation ist ein komplexes chirurgisches Verfahren und erfordert eine entsprechende klinische Expertise”, formulieren die Fachleute abschließend. “Da der Therapieerfolg darüber hinaus von einer Vielzahl systemischer und lokaler Faktoren des Patienten abhängt, sollte die Indikation nach sorgfältiger Abwägung individuell getroffen werden.“

Implantationszeitpunkte bei Risikopatienten

Vergleichende prospektive klinische Studien fehlen, bei denen der Einfluss des Implantationszeitpunktes auf das Implantatüberleben bei Patienten untersucht wurde, die unter Erkrankungen leiden oder sich Therapien unterziehen müssen, welche die Osseointegration verzögern. Betroffen sind beispielsweise Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus oder einer Immundefizienz.

Es gilt auch für Patienten nach Bestrahlung in der Kopf-Halsregion sowie für Patienten, die mit Knochenantiresorptiva behandelt werden. Hier verweisen die Experten auf entsprechende Leitlinien und empfehlen, die Indikation für eine Sofortimplantation kritisch zu stellen, wenn Patienten aufgrund systemischer Risikofaktoren oder einer medikamentösen Therapie eine reduzierte Knochenumbau- und Knochenneubildungsrate aufweisen.

Risiko Parodontalerkrankung

“Das unbehandelte parodontal infizierte Restgebiss ist generell und unabhängig vom Implantationszeitpunkt ein Risiko für den Implantaterfolg. Darum sollte es vor der Implantation behandelt werden”, empfehlen die Autorinnen und Autoren der Leitlinie. Eine parodontale Erkrankung sollte entsprechend der Leitlinie für die Behandlung von Parodontitis Stadium I bis III erfolgen.

Sofortimplantation und 3-D-Röntgendiagnostik

Unter Hinweis auf die aktuelle S2k-Leitlinie zur dentalen digitalen Volumentomographie sowie auf Indikationen zur implantologischen -3D-Röntgendoagnostik und navigationsgestützter Implantologie stellen die Fachleute fest, dass ein 3-D-Röntgenbild über die genaue Darstellung der Knochendimension und mögliche lokale Pathologien hinaus wertvolle Hinweise zur lokalen Situation liefern könne.

Gleichwohl gibt es derzeit keine randomisierten oder kontrollierten Studien, die den Nutzen einer 3D-Diagnostik in Abhängigkeit vom Implantationszeitpunkt belegen. Darum müsse der Zusatznutzen dieser Untersuchung im Hinblick auf die erhöhte Strahlenbelastung im Vergleich zur konventionellen Röntgenuntersuchung abgewogen werden.

Sofortimplantation: technisches Vorgehen und lokale Faktoren

Die Vorhersagbarkeit des Erfolges einer Sofortimplantation hängt von der lokalen Ausgangssituation ab. Darum empfehlen die Fachleute, die Zahnextraktion chirurgisch so atraumatisch wie möglich zu gestalten. Darüber hinaus soll nach der Extraktion das Granulationsgewebe in der Alveole sorgfältig entfernt und eine Kürettage des Alveolarknochens vorgenommen werden. Bei ausgedehnten knöchernen Defekten, die eine Primärstabilität des Implantats verhindern, raten die Experten von einer Sofortimplantation ab. Sie betonen auch die Bedeutung der korrekten dreidimensionalen Position und Stabilisierung des Implantats in der Extraktionsalveole. In der Oberkieferfront sollte die achsengerechte und positionsgerechte Implantatinsertion palatinal orientiert sein.

Sofortimplantation ohne Augmentation

Bei einem dicken Gingivatyp und dicker und intakter vestibulärer Knochenlamelle und einem geringen horizontalen Spalt zwischen Implantat und Knochenlamelle kann laut Empfehlung der Fachleute bei der Implantation auf eine simultane Augmentation verzichtet werden.

Sofortimplantation mit Augmentation

Eine simultane Augmentation/Optimierung des hartgeweblichen und/oder weichgeweblichen Implantatlagers sollte demgegenüber bei einem dünnen Gingivatyp, beziehungsweise bei dünner vestibulärer Knochenlamelle und vertikalem Gewebedefizit erfolgen. Die Sofortimplantation kann bei diesen Patienten Resorptionsphänomene nach der Zahnextraktion nicht verhindern. Es besteht auch bei dieser Ausgangslage das Risiko für vestibuläre Rezessionen. Darum lehnen viele Autorinnen und Autoren bei gleichzeitigen weich- und hartgeweblichen Defiziten eine Sofortimplantation insbesondere in der Frontzahnregion ab.

Sofortimplantation bei chronischer Infektion

Bei einer chronisch infizierten Alveole ohne akute klinische Symptomatik ist eine Sofortimplantation unter sorgfältiger Abwägung der Indikationen möglich. Dabei soll vor der Implantatinsertion das infizierte Gewebe vollständig entfernt und eine perioperative systemische Antibiotikagabe durchgeführt werden. Zur Vermeidung von Komplikationen in der Einheilphase soll bei einer Sofortimplantation darüber hinaus eine engmaschige klinische Nachsorge erfolgen, vornehmlich dann, wenn die Implantation in Kombination mit einer Sofortversorgung erfolgt.

Fazit

Die Wahl des besten Implantationszeitpunkts hängt von verschiedenen, individuellen Faktoren ab. Dieser reicht von einem Tag bis zu über vier Monaten. Die richtige Auswahl der Indikation und die Therapieplanung haben oberste Priorität. Bei Sofortimplantaten sind die Verlustraten nach Aussagen von Prof. Walter und Dr. Sagheb etwas höher als bei später gesetzten Implantaten. Die Sofortimplantation im Frontzahnbereich gehöre zu den anspruchsvollsten und komplikationsträchtigsten Therapien in der Implantologie und erfordere eine hohe Expertise.

Die neue Leitlinie gibt dem Behandler mehr Sicherheit in der Diskussion mit Patienten und Kostenträgern und über die kompakte Wissensvermittlung lässt sich ein besseres Ergebnis für die Patienten erzielen. Die S2k-Leitlinie von DGI und DGZMK referenziert auf die Empfehlungen von EAO und ITI. Voraussichtlich bei der nächsten Auffrischung wird die Leitlinie zu einer S3k-Leitlinie aufgewertet, also eine Leitlinie mit höchster Evidenz werden.

Portrait von Prof. Dr. Dr. Christian Walter

Der Koordinator der Leitlinie Prof. Dr. Dr. Christian Walter (Mainz)