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Seelische Gesundheit: Dem Burn-out auf der Spur

Burn-out: Wenn das Thema „Ich kann nicht mehr“ immer mehr Raum einnimmt.

Burn-out: Wenn das Thema „Ich kann nicht mehr“ immer mehr Raum einnimmt.

Jeder kennt einen, der einen kennt, der Burn-out hat oder zumindest kurz davorsteht. Und mitunter fühlt man sich selbst auf dem Weg dorthin. Deswegen kann bei Burn-out jeder mitreden. Und das führt dazu, dass sich inzwischen verschiedene Mythen um das Thema ranken. Burn-out bekommen weder diejenigen, die einen besonders strengen Chef haben, noch diejenigen, die gerne Verantwortung übernehmen. Es sind auch nicht überwiegend Menschen, die mit Leidenschaft bei einer Sache sind und die ihren Job lieben.

Doch was verbirgt sich hinter diesem Begriff genau und was sind die ersten Symptome des Burn-out?  Wenn man für etwas brennt – und die eigene Praxis ist durchaus ein Lebenswerk, das einem sehr viel abverlangt –, dann kann man sich daran auch entzünden und nach und nach innerlich ausbrennen. Wem es nicht gelingt, abzuschalten, andere Themen interessant zu finden und sich zu erholen, dessen Batterie ist einfach schneller leer, als bei demjenigen, der daran denkt, seine Ladekabel regelmäßig der Steckdose zu überlassen. Mit einem nahezu leeren Akku arbeitet es sich schlechter und irgendwann gar nicht mehr.

Gerade Menschen, die versuchen, immer und für jeden Patienten ihr Bestes zu geben, haben hohe Erwartungen an ihr Arbeitsergebnis. Es fällt ihnen dann sehr schwer, damit klarzukommen, dass ein Patient ihre Bemühungen nicht wertschätzt, unzufrieden ist oder gar ihnen die Schuld zuschiebt, wenn die Behandlung nicht den gewünschten Nutzen bringt. Das geht vielen Ärzten so und auch andere Berufsgruppen sind nicht geschützt.

Professionelle Distanz: Um über lange Jahre eine intensive Aufgabe gut bewältigen zu können, braucht es eine professionelle Distanz. Denn ohne die notwendige Distanz wirkt ein allzu großer Enthusiasmus schädigend für das eigene System. Und manchmal nervt es auch Kollegen, Mitarbeiter oder Patienten.

Wenn wir möchten, dass unsere Leistung anerkannt oder gar geachtet wird, dann erwarten wir eine bestimmte Reaktion von Patienten, die wir häufig nicht erhalten. Das führt zu Enttäuschung und Frustration. Und diese Frustration bis hin zur Resignation spüren auch Kollegen und Mitarbeiter. Die Stimmung sinkt und es macht einfach keinen Spaß mehr. Die Belastung aber bleibt gleicht, was zu depressiven Verstimmungen bis hin zur Depression führen kann. Burn-out wird von Psychiatern auch gerne als eine Form der Belastungsdepression gesehen.

Aber nicht nur für die Person selbst ist ein Burn-out unangenehm. Auch für das Umfeld ist es schwer zu ertragen, wenn sich die innere Leere breitmacht und die Person lustlos bis überanstrengt wirkt. Weder als Führungskraft noch als Partner oder Eltern ist man in einer solchen Situation eine angenehme Gesellschaft.

Vorstufen erkennen: Für den Zustand, in dem nichts mehr geht, gibt es einige Vorstufen. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt, könnte man meinen. Aber oft ist es nicht so einfach, weil man selbst noch lange das Gefühl hat, normal zu funktionieren. Das Umfeld spürt viel früher, dass etwas nicht in Ordnung ist, kann sich damit aber nicht gut verständlich machen. Denn der Betroffene selbst kann und möchte es nicht wahrnehmen.

In der Rückbetrachtung erkennt mancher Burn-out-Kandidat die vielen freundlichen und besorgten Hinweise von Mitarbeitern und Mitbewohnern, und dass sich selbst die Katze in der Nähe nicht mehr wohlfühlte, weil eine Überspannung von der Person ausging. Meist sind in die ersten Phasen vier Kernsymptome erkennbar:

  1. Erschöpfung: Das Gefühl, ausgelaugt und müde zu sein, dominiert den Alltag. Man mag immer gerne schlafen. Viele kleine anstehenden Aufgaben und Arbeiten erscheinen unangemessen groß.
  2. Enttäuschung: Die Praxis läuft nicht so, wie man sich das vorgestellt hat. Es gibt Konflikte im Team, unzufriedene Patienten, und/oder das wirtschaftliche Ergebnis lässt trotz hohem Engagement zu wünschen übrig.
  3. Authentizität lässt nach: Lebendige Arbeit weicht einem reinen Funktionieren. Die Person hört auf, sich selbst zu spüren und „spult“ nur routinierte Abläufe ab. Den Begegnungen mit Menschen fehlen das echte Interesse und die Tiefe.
  4. Mangelnde Leistungsfähigkeit: Das Gefühl, den Anforderungen des Alltags nicht mehr gewachsen zu sein. Das Thema „Ich kann nicht mehr“ nimmt immer mehr Raum ein.

Diesen vier Kernbereichen kann man gezielt entgegenwirken und sich Auszeiten gönnen und diese auch für sich nutzen. Neben kleinen Pausen und Abwechslungen in der Praxis ist es wesentlich, konsequent alle Tätigkeiten zu delegieren, die man nicht selbst erledigen muss. Auch auf die Gefahr hin, dass andere Menschen die Aufgaben anders erledigen.

Wer nicht aushalten kann, dass andere Menschen Aufgaben auf ihre Weise anders, aber auch akzeptabel erledigen, schwebt in akuter Ausbrenngefahr. Darüber hinaus helfen ein gutes professionelles Netzwerk zur Unterstützung und der Fokus auf das Unternehmen Praxis. Denn wenn am Ende betriebswirtschaftlich gesehen wenig übrigbleibt, macht man Fehler.

Echte Freizeit einplanen: Aber nicht nur in der Arbeit muss Leistung zurückgefahren werden. Oft ist auch der private Bereich durchgetaktet und effektiv strukturiert. Schon Freitagabend erwarten uns frisch und munter die ersten privaten Termine, und Sonntagabend, wenn man dann ganz müde ist, gilt es die neue Woche vorzubereiten. Selbst Sport, Musik, Kunst oder Familie und Freunde treffen werden zu einer mühsamen Verpflichtung und bringen nicht die gewünschte Ruhe und Entspannung.

Im fortgeschrittenen Fall unterdrückt man den Impuls, sich einfach aufs Sofa fallen zu lassen und die Augen zu schließen und hetzt seinen Verabredungen hinterher. Vielleicht ist es aber genau das, was wir jetzt am meisten brauchen: nichts.

In Kliniken, die Burn-out-Patienten unterstützen, lernen die Personen zunächst, einfach nichts zu tun. Das fällt den meisten ziemlich schwer, weil sie es doch gewohnt sind, immer aktiv zu sein und Dinge in die Hand zu nehmen. Aber das genau begünstigt Burn-out.

Prädisposition: Es gibt Menschen, die aufgrund ihres Grundcharakters für einen Burn-out stärker dispositioniert sind als andere. Der Arzt Jörg Peter Schröder, der sich intensiv mit dem Burn-out beschäftig hat, gibt unter anderen folgende Persönlichkeitsmerkmale an:
• Menschen, die sich mehr vornehmen, als sie schaffen können
• sehr gefestigte bis dogmatische Persönlichkeiten
• Menschen mit überzogenen Erwartungen an sich selbst und an andere
• Menschen, die sich nicht abgrenzen können
• Menschen mit hohem Idealismus
• die gerne alles selbst machen, damit es perfekt wird
• Menschen, die ihren Selbstwert überwiegend durch ihre Arbeit beziehen
• Menschen, die es anderen gerne recht machen wollen

• und Risiken nicht realistisch betrachten können
• Menschen, die unter einer hohen Anspannung leben

Und er nennt auch Ärzte, Selbstständige und Frauen mit Mehrfachbelastung als besondere Zielgruppe. Die Belastung, die von außen an eine Person herangetragen wird, kann also alleine noch keine Burn-out-Symptomatik auslösen. Sie muss sozusagen auf „fruchtbaren“ Boden fallen. Denn es gibt viele Menschen, die hohen Belastungen ausgesetzt sind und keinen Burn-out entwickeln. Es gibt also die äußere Belastung, die Persönlichkeit und das, was Psychologen Coping – die Antwortfähigkeit – nennen.

Wege heraus: Wie geht eine Person mit dieser besonderen Belastung um? Wie interpretiert sie die Anforderungen? Inwieweit kann sie sich ohne Schuldgefühle herausnehmen und entspannen?

Und diese Fragen führen auch aus dem Burn-out heraus. Kein Mensch muss auf bestimmte äußere Reize so reagieren, wie er es tut. Jeder kann umlernen, wenn er das möchte. Und neben dem Nichtstun lernen Patienten, anders mit den Anforderungen des Alltags umzugehen. Das beginnt bereits bei inneren Bewertungen von eigenen Erwartungen und Anforderungen anderer Personen. Jede Muss- und Sollvorstellung wird hier konsequent hinterfragt:
• Warum muss das so sein?
• Welche Alternativen gibt es?
• Warum ist das wichtig, dass es so läuft, wie Sie sich das wünschen?
• Was würde passieren, wenn es anders funktionierte?

Und immer wieder beschäftigen sich die Patienten mit der Frage, wie sie sich entlasten können. Auch, wenn es dann nicht perfekt läuft. Und das gilt es erst einmal aushalten zu lernen.

Dr. Susanne Klein, Offenbach