Rotierend, reziprok, selbstadjustierend: Für die Wurzelkanalaufbereitung befinden sich unterschiedliche maschinelle Feilensysteme auf dem Markt. Welches Prinzip ist aber am besten geeignet? Reichen ein oder zwei (maschinelle) Feilen? Aktuelle Quintessenz-Artikel aus der ZMK-Klinik Münster und neue Studien geben Antworten.
Maschinelle endodontische Feilensysteme gibt es seit den Sechzigerjahren, zunächst mit Hub- und winkelbegrenzten Rotationsbewegungen (Giromatic, Endolift, etc.). Später wurden zahlreiche vollrotierende und zuletzt reziproke Produkte eingeführt, für die seit einigen Jahren – laut Anbietern – nur noch ein oder zwei Feilen notwendig sind.
Die etwa seit 2011 erhältlichen reziproken Feilen zeichnen sich durch kontinuierlichen Rotationswechsel aus. Sie arbeiten im Gegenuhrzeigersinn schneidend, im Uhrzeigersinn löst sich die Feile im Wurzelkanal. Diese Arbeitsteilung entlastet das Instrument. Selbstadjustierende Feilen (SAF) unterscheiden sich in ihrem Aufbau und ihrer Technik grundlegend von anderen Feilen. Ihr hohler, komprimierbarer Aufbau passt sich der Kanalform tendenziell an, ihre Oberfläche schleift die Kanalwand wie Schleifpapier ab.
Kanäle weigern sich, rund zu sein
Alle maschinellen Feilenprinzipien – ob mit ein, zwei oder mehr Feilen, ob rotierend, reziprok oder selbstadjustierend – eignen sich laut Dr. Sebastian Bürklein und Prof. Edgar Schäfer (beide: Zentrale Interdisziplinäre Ambulanz, ZMK-Klinik Münster) grundsätzlich für den Praxisalltag [1]. Auch stark gekrümmte Kanäle werden von allen vergleichbar gut gemeistert. Rein manuelle Techniken erhöhen dagegen erheblich das Risiko für Kanalbegradigungen. Auch schützen moderne maschinelle Systeme im Vergleich zu manuellen besser vor Aufbereitungsfehlern und Instrumentenfrakturen.
Für den eiligen Leser
- Alle maschinellen Feilenprinzipien sind grundsätzlich geeignet, auch für stark gekrümmte Kanäle.
- Reziproke Systeme und selbstadjustierende Feilen (SAF) scheinen gegenüber vollrotierenden insgesamt besser abzuschneiden.
- Je nach Kanalmorphologie müssen maschinelle durch manuelle Feilen ergänzt werden.
- Bei der Gleitpfadpräparation sind Handfeilen Goldstandard.
- Die wissenschaftliche Evidenz ist wegen fehlender Produktvergleiche und Langzeitstudien nur begrenzt.
Wurzelkanäle sind jedoch selten durchgehend rund, sondern zumindest in Abschnitten oval. Ihre Morphologie kann zudem in vielfältiger Weise komplex sein, zum Beispiel durch Isthmen und Korrespondenzen. Da jedoch alle Feilen mit Ausnahme der SAF einen runden Querschnitt haben, müssen maschinelle nach übereinstimmender Expertenmeinung sehr häufig durch manuelle Feilen ergänzt werden [1 bis 3].
Laut aktueller Studie scheinen reziproke Ein-Feilen-Systeme in Bezug auf präparationsbedingte Begradigungen besser abzuschneiden als vollrotierende [4]. Die klinische Bedeutung dieser Ergebnisse ist jedoch schwierig einzuschätzen: So enthält die Literatur nur mäßige Evidenz darüber, wie sich Begradigungen auf die langfristige Erfolgsrate auswirken [1].
Ein klinisch erfolgreiches und bis zu 50 Prozent schnelleres Arbeiten spricht derzeit für reziproke Single-Feilen [5, 6]. Allerdings könnte das Risiko für Dentinrisse im Rahmen der Aufbereitung mit diesen Feilen höher liegen als bei rotierenden Systemen [6]. Vollrotierende Mehrfeilensysteme und reziproke Single-Feilen scheinen Bakterien gleichermaßen effizient aus dem Kanal zu entfernen, aber auch hier ist die Studienlage nicht eindeutig [7, 8]. Innerhalb der Mehrfeilen-Systeme sind zudem Unterschiede feststellbar. So schnitten neue Feilen mit sehr hoher Flexibilität im Bereich Formtreue des Kanals besser ab [1].
Welche maschinelle Feile auch verwendet wird: Mindestens 25 Prozent der Kanaloberfläche werden von der Aufbereitung nicht erfasst. Aktuell scheinen bei diesem Merkmal selbstadjustierende Feilen mit ihrer flexiblen Nickel-Titan-Netzstruktur und integrierter Spülfunktion am besten abzuschneiden [9]. Ihnen fehlt im Gegensatz der feste Kern, sodass ovale und stark gekrümmte Kanäle offenbar besser gesäubert werden können (9). Zudem minimieren SAF durch ihren speziellen Aufbau und die hubartigen Bewegungen eine Verlagerung oder Begradigung des Kanals [9]. Beim Thema mechanische Reinigung der Kanalwände zeigen sich Studien jedoch kontrovers [10, 11].
Stichwort Gleitpfad: Für die initiale Erschließung des Kanals sind manuelle Feilen Goldstandard [1, 3]. Häufig sind viel Feingefühl und ein Vorbiegen der Handfeile notwendig, sodass maschinelle Gleitpfadfeilen nur bei unkomplizierten Fällen sinnvoll sind. Im zweiten und dritten Schritt wird der gesamte Kanal mit einer ISO-20-Handfeile koronal erweitert und initial geformt. Erst nach diesen drei bis vier Feilen sollten maschinelle Aufbereitungssysteme eingesetzt werden.
Überall spezifische Vor- und Nachteile
Das objektiv beste maschinelle Feilensystem ist schwer zu finden. Alle Prinzipien scheinen spezifische Vorteile zu haben – laut mäßiger wissenschaftlicher Evidenz mit gewissen Vorteilen für reziproke und SAF-Feilen. Neben der Literatur sind daher bei der Auswahl auch persönliche Vorlieben bedeutsam. Auf Handfeilen kann nach wie vor in vielen Fällen nicht verzichtet werden.
Literatur
[1] Bürklein S, Schäfer E: Endodontie 2015, 24(1):37-50.
[2] Hargreaves KM et al: Cohens Pathways of the Pulp, Tenth Edition, Mosby, 2011.
[3] Barfuß A: Dental-Magazin 2015, 33(7):16-32.
[4] Saber S. et al: Int Endod J 2015, 48(1):109-114.
[5] Bane K et al: Iran Endod J 2015, 10(2):135-139.
[6] Bürklein S: Die Quintessenz 2015, 66(10):1141-1148.
[7] Agarwal R. et al: J Clin Diagn Res 2015, 9(5):Zc06-10.
[8] Lu Y et al: BMC Oral Health 2015, 15:92.
[9] Metzger Z: J Conserv Dent 2014. 17 (5): 401-419.
[10] Topcu K. et al: Eur J Dent 2014. 8 (3): 326-329.
[11] Ahmetoglu F. et al: Scanning 2015. 37 (3): 218-225.