Vier Tage lang drehte sich in Amsterdam im Kongresszentrum RAI alles um Parodontitis und Periimplantitis – und es wurde eine neue Paro-Klassifikation präsentiert.
Exakt 10.132 Fachbesucher aus insgesamt 111 Ländern informierten sich in der niederländischen Metropole über den Stand der Forschung zur „Volkskrankheit“ Parodontitis. Biologische Grundlagen, genetische Einflüsse, das Erregerspektrum und Möglichkeiten seiner Beeinflussung etwa durch Ernährung, Risikofaktoren wie Rauchen oder schlecht eingestellter Diabetes, aber auch Bluthochdruck und Übergewicht wurden diskutiert und neueste Forschungsergebnisse in zahlreichen Sessions präsentiert.
Zur neuen Klassifikation, den genetischen Fragestellungen und den Auswirkungen auf die tägliche Praxis gibt es hier ein Interview mit PD Dr. Moritz Kebschull, Universitätsklinikum Bonn.
Eine Zäsur und ein komplettes Umdenken im Verständnis des Krankheitsgeschehens und seiner Behandlung markiert die neue, global gültige Klassifikation parodontaler Erkrankungen (unter Einbeziehung der Periimplantitis), die am 21. Juni vorgestellt wurde. Sie ist das Ergebnis eines Workshops der American Academy of Periodontology und der European Federation of Periodontology (EFP), der vergangenen November in Chicago stattgefunden hatte. Mehr als hundert Experten aus Europa, Amerika, Australien und Asien hatten einen Konsens geschaffen, der die Behandlung von Parodontitis-Patienten weltweit standardisieren soll.
„Es war ein gewaltiges, aber sehr wichtiges Unterfangen, um erstmals eine gemeinsame Sprache für Behandlung, weitere Erforschung und Ausbildung sicherzustellen und den wissenschaftlichen Fortschritt der vergangenen 20 Jahre einfließen zu lassen.“
Prof. Iain Chapple, Generalsekretär der EFP
Parodontitis wird jetzt als chronische Erkrankung definiert, die eine lebenslange Begleitung durch den Zahnarzt erfordert und den Gesamtgesundheitsstatus des Patienten berücksichtigt. „Es war ein gewaltiges, aber sehr wichtiges Unterfangen, um erstmals eine gemeinsame Sprache für Behandlung, weitere Erforschung und Ausbildung sicherzustellen und den wissenschaftlichen Fortschritt der vergangenen 20 Jahre einfließen zu lassen“, sagte Prof. Iain Chapple, Generalsekretär der European Foundation of Periodontology (EFP).
Die bisherige Unterscheidung in aggressive Parodontitis und die chronische Parodontitis wurde aufgegeben, da keinerlei Belege für Unterschiede in den genetischen Voraussetzungen oder in der Zusammensetzung des Mikrobioms gefunden werden konnten, es sich also nicht um zwei unterschiedliche Erkrankungen handelt. Die neue Klassifikation lehnt sich an die TNM-Klassifikation von Tumoren an, bei der nach den Kriterien „Staging“ – Ausdehnung der Erkrankung, differenziert in die Stufen 1 bis 4 – und „Grading“ – festgestellte oder erwartete Progredienz der Erkrankung, eingeteilt in die Grade A (niedriges Risiko für eine Progression) bis C (höchstes Risiko für eine Progression) – unterschieden wird.Risikofaktoren wie Rauchen oder Diabetes werden im Grading als modifizierende Faktoren ebenfalls berücksichtigt. Das Besondere an der neuen Klassifikation ist, dass sie analog zur TNM-Klassifikation durch ein Standing Committee kontinuierlich an neue wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst und verfeinert werden kann – ein großer Fortschritt gegenüber der alten, unflexiblen Klassifikation.