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Streitfrage: Keine 2390 (Trepanation) neben 2410 GOZ (Wurzelkanalaufbereitung)?

Das Amtsgericht Düsseldorf hat ein schwer nachvollziehbares, zwiespältiges Urteil gesprochen, das die Berechnung der Trepanation eines Zahns nach Nummer 2390 GOZ vor der Wurzelkanalaufbereitung (Nummer 2410 GOZ) in derselben Sitzung ablehnt.

Das Urteil (AG Düsseldorf, Urteil vom 1. Juli 2016, Az.: 25 C 2953/14) folgt der besonderen Begründung des Bundesgesundheitsministeriums zum Novellierungsverfahren. Diese sagt: „Die Leistung nach der Nummer 2390 kann allenfalls im Rahmen einer Notfallbehandlung angezeigt sein. Sie ist nur als selbstständige Leistung berechnungsfähig und nicht zum Beispiel als Zugangsleistung zur Erbringung der Leistungen nach den Nummern 2410 und 2440.

Was heißt „Zugangsleistung“?

Das Besondere des verhandelten Falls: Nach der Trepanation war eine Kanalaufbereitung (2410) zunächst unmöglich, da eine ausgehärtete Wurzelkanalfüllung vorgefunden wurde. Die Kernfrage lautet: Welchen Stellenwert hat die Novellierungsbegründung des Bundesgesundheitsministeriums bezüglich der Nummer 2390 GOZ? Denn diese sogenannte Amtliche Begründung ist missverständlich und unklar, zudem widersprüchlich in sich, steht zum Teil im Gegensatz zur zahnmedizinischen Wirklichkeit und ist gebührentechnisch ein Fehlkonstrukt.

Eine kleine Kostprobe dazu. Also primäre Voraussetzung ist danach die Notfallbehandlung. Absolute oder relative? Was heißt Notfall? – Dann doch wohl eher subjektiver? Also ist es eigentlich kein Notfall, sondern ein Schmerzfall! Also kann ohne Schmerzen sowieso keine Trepanation angesetzt werden?

Oder doch, falls sie zum Pusabfluss bei „dicker Backe“ (zusätzlich) nötig ist, auch wenn keine Schmerzen (mehr) vorhanden sind? Aber ist das in dieser Fallgestaltung eine selbstständige Leistung? – Dazu sagen Kommentatoren grundsätzlich: Eine selbstständige Leistung ist eigenständig indiziert – hat also eine eigene Indikation – und ist in keiner anderen Leistung, die in derselben Sitzung erbracht wird, bereits enthalten.

Um enthalten zu sein, fordert nämlich der novellierte Paragraf 4 Absatz 2 GOZ in Satz 4: „Eine Leistung ist methodisch notwendiger Bestandteil einer anderen Leistung, wenn sie inhaltlich von der Leistungsbeschreibung der anderen Leistung (Zielleistung) umfasst und auch in deren Bewertung berücksichtigt worden ist.“

Das kann jeder bitte selbst einmal in der GOZ nachschauen: In keiner der Leistungen mit den Nummern 2360, 2380 und 2400 bis 2440 GOZ (Wurzelkanalbehandlung) ist eine Textstelle zu finden, die da lautet „einschließlich Trepanation des Zahns“. Oder „nicht neben einer Trepanation“ beziehungsweise umgekehrt „Trepanation (2390) nicht neben 2360, 2380, 2400–2440“.

Und im Novellierungsverfahren ist nirgendwo verlautbart, dass die Trepanation nun höher bewertet worden wäre wegen minimalisierter (gegen null tendierender) Ansatzmöglichkeiten. Es gibt unverändert seit 1987 im Mittel unmögliche 8,41 Euro dafür. Das reicht nur für eine Minute zahnärztlichen Zeitaufwand plus ein verbrauchtes Trepanationsinstrument (Hartmetall zum Beispiel). (Hier passt eigentlich nur noch ein sehr galliger Kurzkommentar, den wir uns aber verkneifen.)

Wille des Verordnungsgebers unergründlich

Zur Erbringung der Leistungen 2410, 2440: Die Krönung des Widersinns ist die Formulierung, Nummer 2390 (Trepanation) nicht „als Zugangsleistung zur Erbringung der Leistungen nach den Nummern 2410 und 2440“. Was bedeutet diese „amtliche“ Begründung? Vielleicht Folgendes: Wenn der betreffende Zahn nach der Trepanation irgendwann (natürlich nicht vor der Aufbereitung) abgefüllt wird, entfällt die Nummer 2390 GOZ?

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Zugangsleistung ist Zugangsleistung und bleibt jederzeit Zugangsleistung? Natürlich nicht; wir sind aber auch dumm: Da muss man doch gedanklich hinzufügen, nur wenn der Zahn in derselben Sitzung, in der er trepaniert wurde, auch noch aufbereitet wurde, dann kann die Trepanation zwar erbracht, aber nicht berechnet werden, ansonsten wohl. – Aha! Und wo steht das geschrieben? Jedenfalls nicht in der „amtlichen“ Begründung, auch nicht in der GOZ.

Positiv ist: Die Nummer 2360 GOZ „Vitalexstirpation“ ist nicht und nirgendwo schriftlich als ausgeschlossen nach erfolgter Trepanation erwähnt. Auch nicht die Milchzahnamputation (Nummer 2380) etc. Also im Effekt lediglich die Nummer 2410 Wurzelkanalaufbereitung. Möglich sind also

  • Sitzung: 2390 (Trepanation), 2360 (Vitalexstirpation), 2400 (Endometrie), 2420 (elektrophysikalisch-chemische Anwendung), 2430 (medikamentöse Einlage in Verbindung mit 2360) sowie 2020 (Verschluss).
  • Sitzung: 2400 (Endometrie), 2420 (elektrophysikalisch-chemische Anwendung), 2410 (vervollständigte Aufbereitung aus nicht-anatomischem Grund) sowie 2440 (Wurzelkanalfüllung).

Abschließende Feststellung dazu: Die Novellierungsbegründung zur Nummer 2390 GOZ ist wirr und unergründlich. Der Wille des Verordnungsgebers an dieser Stelle ebenfalls!

Zum Urteil des AG Düsseldorf

Die Erstattungsverweigerung der privaten Krankenkasse bezog sich auf die Berechnung der Trepanation. Der Kläger sagte, die Nummer 2390 GOZ sei im Sinne des Zielleistungsprinzips nicht Leistungsbestandteil der Ziffer 2410 GOZ, denn sie sei nicht bei jeder Wurzelbehandlung notwendig. Die Leistung sei im Sinne des Zielleistungsprinzips nur dann von einer anderen Leistung umfasst, sofern sie zwingender Bestandteil dieser Leistung sei. Die Begründung des Verordnungsgebers verwechsle die selbstständige Leistung mit einer alleinigen Leistung.

Der Beklagte (Versicherung) entgegnete, dass er der Ansicht sei, die Ziffer 2390 GOZ sei nur als selbstständige Leistung abrechenbar und dürfe nicht als Zugangsleistung zur Erbringung der Leistung nach Ziffer 2410 GOZ berechnet werden.

Im Urteil heißt es: „Die Ziffer 2390 GOZ ist neben anderen endodontischen Leistungen, zum Beispiel Ziffer 2410 GOZ, nicht abrechenbar. Der Beklagte (PKV) war berechtigt die Leistung insoweit zu verweigern.“

In der Urteilsbegründung führt das Gericht aus: „Nach den Ausführungen des Sachverständigen stellt die Trepanation eines Zahns nach Ziffer 2390 GOZ eine Maßnahme zur Eröffnung des Pulpencavums dar. Voraussetzung dafür ist, dass noch kein Zugang zum Pulpencavum vorhanden ist.“

Dabei gäbe es Fälle, zum Beispiel frakturierte oder tief kariöse Zähne, in denen durch die Fraktur oder die entsprechende kariöse Zerstörung des Zahns das Pulpencavum bereits eröffnet sei und nicht extra dargestellt werden müsse. In anderen Fällen, in denen die Zahnstruktur intakt sei, sei bei einer Behandlung im Bereich des Pulpencavums eine Eröffnung des Zahns erforderlich.

Diese Eröffnung und Darstellung des Pulpencavums sei eine selbstständige und eigenständige Leistung und keine Teilleistung der Wurzelkanalbehandlung. Es gäbe keine unumgängliche Notwendigkeit, nach einer Trepanation eine Wurzelkanalaufbereitung durchzuführen.

Fallabhängig könne eine Wurzelbehandlung auch ohne eine vorherige Trepanation durchgeführt werden. Die Trepanation sei deshalb nicht regelmäßig ein methodisch notwendiger Bestandteil der Aufbereitung des Wurzelkanals nach Ziffer 2410 GOZ.

Zahnmedizinisch-fachlich kontra gebührenrechtlich

Allerdings habe der Verordnungsgeber in der amtlichen Begründung zur Ersten Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte die fachlich zahnmedizinische Auffassung eingeschränkt und gebührenrechtlich einschränkend explizit ausgeführt, dass eine Leistung nach der Ziffer 2390 GOZ nur als selbstständige Leistung, zum Beispiel im Rahmen einer Notfallbehandlung, angezeigt und berechnungsfähig sei und nicht zum Beispiel als Zugangsleistung zur Erbringung der Leistungen nach den Ziffern 2410 und 2440. Die Trepanation sei daher zwar aus fachlicher, nicht aber aus gebührenrechtlicher Sicht neben der Gebührenziffer 2410 GOZ abrechenbar.

Zwar mag aus zahnmedizinisch fachlicher Sicht die Trepanation neben der Ziffer 2410 GOZ abrechenbar und deren Abrechenbarkeit wünschenswert sein. Entscheidend kommt es jedoch nicht auf die zahnmedizinisch-fachliche Sicht, sondern die gebührenrechtliche Abrechenbarkeit der Leistung an. Denn nach Paragraf 1 Absatz 1 GOZ richtet sich die Vergütung der Zahnärzte nach dieser Verordnung, welche den Willen des Verordnungsgebers zum Ausdruck bringt. – (Anm. d. Autors: Tatsächlich nach der Verordnung oder hier nach der Novellierungsbegründung?)

Die Klägerin weist darauf hin, dass die amtliche Begründung letztendlich in der GOZ selbst keinen Niederschlag gefunden habe. Denn sofern eine Leistung nicht neben einer anderen Leistung der GOZ berechenbar sei, sei in der Abrechnungsbestimmung ein entsprechender ausdrücklicher Leistungsausschluss formuliert. Ein solcher Leistungsausschluss finde sich jedoch für die Ziffer 2390 GOZ nicht.

Auch der Zusatz „als selbständige Leistung“ bedeute nicht, dass die Trepanation die einzige, das heißt alleinige an diesem Tag erbrachte Leistung sein müsse, sondern lediglich, dass sie nicht bereits Bestandteil einer anderen Leistung sein dürfe. Letzteres sei aus zahnmedizinisch fachlicher Sicht nicht der Fall.

Keine Korrektur unklarer Formulierungen

Das AG Düsseldorf sagt: Der Klägerin sei darin zuzustimmen, dass der Zusatz „als selbständige Leistung“ nicht dahingehend verstanden werden darf, dass die Trepanation lediglich „als alleinige Leistung“ abrechenbar ist. So haben bereits einzelne erstinstanzliche Gerichte entschieden, dass die Trepanation nach Ziffer 2390 GOZ neben anderen endodontischen Leistungen berechnungsfähig ist (vergleiche Verwaltungsgericht – VG –Stuttgart, Urteil vom 25. Oktober 2013, Az.: 6 K 4261/12; AG Dortmund, Urteil vom 31. August 2015, Az.: 405 C 3277/14).

Das Urteil des VG Stuttgart wurde hingegen durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit der Begründung aufgehoben, dass eine gesonderte Abrechnung der Trepanation sowohl dem Wortlaut der Regelung als auch der Absicht des Normgebers widerspreche.

Auch wenn aus zahnmedizinisch-fachlicher Sicht eine Abrechnung der Trepanation neben anderen endodontischen Leistungen sinnvoll erscheint, ist es nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht Aufgabe der Judikative, legislative Fehlgriffe – zum Beispiel durch unklare Formulierungen – zu korrigieren. Vielmehr obliegt es dem Verordnungsgeber, eine eindeutige und zweifelsfreie gesetzliche Grundlage zu schaffen. Die Ziffer 2390 GOZ ist daher neben anderen endodontischen Leistungen nicht abrechenbar.

Ausblick

Gleichzeitig wird ein neues, erfrischend kurzes und eindeutiges, die Novellierungsbegründung nicht achtendes Urteil des Amtsgerichts (AG) Bad Homburg (19. April 2016, Az.: 2 C 2200/14) bekannt: Die Berechnung der Gebührenziffer 2390 ist gerechtfertigt.

Die Bundeszahnärztekammer hat ihre Kommentierung zur gegebenen Berechnungsfähigkeit der selbstständigen Nr. 2390 neben 2410 GOZ nicht geändert. Die Auseinandersetzungen um die Trepanationsleistung nehmen zu, aber nach wie vor ist deren Berechnung neben der Wurzelkanalaufbereitung (2410) vertretbar (siehe diesbezüglich auch www.alex-za.de).