Differenzialdiagnosen zu oralen Plattenepithelkarzinomen sind zum Beispiel traumatisch bedingte Ulzerationen, unkritische Hyperkeratosen, Aphthen und Warzen. Wird Krebs oder eine Vorstufe nicht erkannt, kann dies für den Patienten tödlich enden. Wichtigste Risikofaktoren bleiben starkes Rauchen, Alkoholabusus und die Kombination von beidem [1]. Ein Risikofaktor mit steigender Bedeutung sind Infektionen mit humanen Papilloma-Viren (HPV) Typ 16, besonders im Zusammenhang mit Zungen- und Rachenkrebs [1].
Abklärung durch den Spezialisten
Grundsätzlich sollten Patienten bei Verdacht auf ein Karzinom sofort zur Abklärung an einen Spezialisten geschickt werden [1]. Das sind in der Regel Oral- oder MKG-Chirurgen in eigener Praxis oder Kliniken. Zu den potenziell malignen Veränderungen zählen Leukoplakien (Entartung in 2 Prozent der Fälle) und oraler Lichen Planus (mindestens 0,5 Prozent) [2]. Ein erhöhtes Risiko besteht bei Läsionen in Patienten ohne erhöhten Tabakkonsum, großen Läsionen und in bestimmten Lokalisationen, zum Beispiel am Zungenrand. Auch die Genetik spielt eine Rolle, sodass familienanamnestisch gefragt werden sollte.
Der Chirurg oder die Chirurgin nimmt bei begründetem Verdacht zunächst ein MRT oder CT auf [1]. Erst dann erfolgt die Biopsie, wobei eine geeignete Entnahmestelle und entsprechende Erfahrung für die Aussagekraft von großer Bedeutung sind. Ebenso müssen beteiligte Pathologen in der Beurteilung oraler Veränderungen erfahren sein. Die gegebenenfalls folgende chirurgische Therapie hat eine hohe Rezidivrate, was in verstärktem Maße zum Beispiel für bukkale Plattenepithelkarzinome gilt (50 Prozent Medianwert nach einem Jahr) [3].
Bürstenbiopsie will gelernt sein
Laut Leitlinie zu manifesten Mundhöhlenkarzinomen (federführende Fachgesellschaft: DGMKG) sollte bei jedem Patienten eine „Inspektion der gesamten Mundschleimhaut“ durchgeführt werden. Zudem sollten Patienten besser „über Anzeichen, Symptome und Risikofaktoren des Mundhöhlenkarzinoms“ aufgeklärt werden. Die – nicht mehr aktuelle – Leitlinie zu Vorläuferläsionen von 2010, vorgelegt von der DGZMK und weiteren Fachgruppierungen, beschreibt weitere Maßnahmen und wann diese gegebenenfalls indiziert sind [4].
So wird die Indikation für eine Bürstenbiopsie erläutert, die zur zytologischen Abklärung an ein Fachlabor gesendet wird (Näheres dazu im Interview) [4]. Diese ist indiziert, wenn kein unmittelbarer Verdacht auf ein Malignom besteht und zunächst abgewartet werden soll, zum Beispiel nach Entfernen einer mechanischen Irritation. Im Gegensatz zur ungeeigneten Entnahme mit einem Watteträger werden dabei auch mittlere und tiefere Zellschichten erfasst.
Ein sehr wichtiger Faktor ist bei potenziell malignen Veränderungen die Zeit. Bei unklaren Läsionen muss, wenn sich diese nach zwei Wochen nicht gebessert haben, an Spezialisten überwiesen werden. Hinzu kommt, dass „… bei malignen Läsionen eine partielle Rückbildung durch Ausheilung einer überlagerten entzündlichen Komponente vorgetäuscht werden kann“ [4]. Auch hier gilt die Frist von zwei Wochen, nach der eine histologische Absicherung (Biopsie) beim Spezialisten erfolgen muss. Dort werden Patienten mit dysplastischen Leukoplakien (erhöhtes Malignitätsrisiko) dreimonatlich kontrolliert, mit Lichen planus mindestens alle vier bis sechs Monate, jeweils langfristig oder sogar lebenslang.
Biomarker als Perspektive
Viel Erfahrung erfordert die schon länger eingeführte Diagnostikmethode der Autofluoreszenz mit speziellen Lichtsystemen. Diese kann daher nach der alten Leitlinie (noch) nicht empfohlen werden [4]. Neue Entwicklungen gibt es auf dem Gebiet der Biomarker. So lässt sich zum Beispiel ausgeatmete Luft über Mikrosensoren analysieren. Stoffwechselprodukte können in Gewebeproben oder die MicroRNA im Speichel untersucht werden. Ein blutbasierter Test auf HPV16-Viren ist bereits kommerziell erhältlich. Es ist jedoch umstritten, ob er Patienten wegen des hohen Anteils positiver Resultate ohne vorliegende Krebserkrankung nicht unnötig verunsichert.
Zahnärzte und Zahnärztinnen sollten stets auch einen Blick für Veränderungen der Mundschleimhaut haben. Karzinome und ihre Vorläuferläsionen besitzen nur dann eine gute Prognose, wenn sie rechtzeitig erkannt werden.
Literatur
[1] DGMKG. Mundhöhlenkarzinom, Diagnostik und Therapie, AWMF-Register-Nummer 007- 100OL, Stand: 16.11.2012, gültig bis 15.11.2017; http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/007-100OL.html. 2012.
[2] van der Waal I. Oral potentially malignant disorders: is malignant transformation predictable and preventable? Med Oral Patol Oral Cir Bucal 2014;19:e386-390.
[3] Sagheb K, Blatt S, Kraft IS, Zimmer S, Rahimi-Nedjat RK, Al-Nawas B, et al. Outcome and cervical metastatic spread of squamous cell cancer of the buccal mucosa, a retrospective analysis of the past 25 years. J Oral Pathol Med 2016.
[4] DGZMK, DGMKG, AGKi, AKOPOM. Vorläuferläsionen des oralen Plattenepithelkarzinoms; S2K-Leitlinie, Stand: 01.03.2010; Gültigkeit abgelaufen. 2010.
[5] Schmidt-Westhausen AM, Daniel L, Ebhardt H. Die Bürstenbiopsie in der Diagnostik - eine retrospektive Studie basierend auf der S2k-Leitlinie der DGZMK. Dtsch Zahnärztl Zeitschr 2016;71:226-232.
Hinweis
Beiträge in der Rubrik ZahnMedizin kompakt können in keinem Fall die klinische Einschätzung des Lesers ersetzen. Sie sind keine Behandlungsempfehlung, sondern sollen – auf der Basis aktueller Literatur – die eigenverantwortliche Entscheidungsfindung unterstützen.