Die Deutsche Gesellschaft für DentalhygienikerInnen e.V. (DGDH) führte von Mitte März bis Ende Juni 2018 online eine anonyme Zufriedenheitsumfrage durch, die sich an die nicht zahnärztlichen Mitarbeiter in Zahnarztpraxen richtete. Ziel war es, ein „Stimmungsbild“ zu erhalten, um Konzepte gegen den Fachkräftemangel zu entwickeln. Insbesondere ging es aber auch darum, Ideen zu entwickeln, mehr Kolleginnen für die Tätigkeit als Dentalhygienikerin zu interessieren. In nachstehendem Interview beantwortet Sylvia Fresmann (1. Vorsitzende der DGDH) die Fragen von DZW-Redakteurin Birgit Strunk zu den Umfrageergebnissen.
Wie war denn der Anteil der verschiedenen Gruppen – welche war am stärksten vertreten, welche am geringsten?
Sylvia Fresmann: Die Teilnehmerstruktur machte deutlich, dass sich das gesamte Team an der Umfrage beteiligt hat. Stärkste Gruppe waren mit 116 Teilnehmerinnen die Zahnmedizinischen Fachassistentinnen (ZFA, 28 Prozent), dicht gefolgt von 107 Dentalhygienikerinnen (DH, 26 Prozent) und 86 Zahnmedizinischen Prophylaxeassistentinnen (ZMP, 21 Prozent). 29 Zahnmedizinische Verwaltungsassistentinnen (ZMV, 7 Prozent), 21 Praxismanagerinnen (5 Prozent) und sieben ZFA in Ausbildung (2 Prozent) komplettierten das Bild.
Was wurde insgesamt am positivsten bewertet? Wie groß war hier der Anteil?
Fresmann: Positiv aus Sicht der DGDH war, dass sich 410 Teilnehmer an der Umfrage beteiligt haben und bereit waren, sich den Fragen zu stellen. Und die Kollegen und Kolleginnen waren offen und ehrlich, haben ihre Nöte und Ängste beschrieben, aber waren durchaus auch konstruktiv. So war die Forderung nach mehr Struktur in der Praxis, die Durchsetzung der Zuständigkeiten im Team oder auch die optimierbare Kommunikation zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern oft zu lesen – ein klarer Appell an die Führungsrolle beziehungsweise Führungsaufgaben des Praxisinhabers. Aus meiner Sicht haben sich hier engagierte Kolleginnen Gedanken gemacht, wie und was in der Praxis verbessert werden könnte. Das finden wir sehr positiv – wir sollten diese Kolleginnen stärken und binden. Es gibt sie also, die engagierten Mitarbeiterinnen, die in den Praxen gute Arbeit leisten, manchmal jedoch – und das kommt im Nebensatz auch heraus – nicht wertgeschätzt werden.
Zu welchem Thema gab es die meiste Kritik?
Fresmann: Aus Sicht der Nachwuchsgewinnung, insbesondere unter dem Aspekt des bereits festzustellenden Fachkräftemangels, war bedenklich, dass mit 46 Prozent ein enorm großer Anteil der Befragten angab, dass der gewählte Beruf der Zahnmedizinischen Assistentin nicht der Traumberuf gewesen sei. Hauptkritikpunkte waren:
• fehlender Tarifvertrag
• zu geringes Einkommen (63,7 Prozent sind unzufrieden mit ihrem Einkommen.)
• mangelnde Anerkennung und Respekt
• mangelnde Personalführung der Chefs
• zu geringe Mitbestimmung
• Kommunikationsprobleme im Team und mit den Chefs
Welche Rahmenbedingungen waren den Teilnehmern am wichtigsten?
Fresmann: Dazu waren die Ergebnisse der Freitextfrage „Wenn ich drei Wünsche freihätte, in der Praxis etwas zu ändern, dann wäre das …“ aufschlussreich. Zusammengefasst kann man sagen, dass neben einigen nicht zu realisierenden Vorschlägen viele konstruktive Hinweise angeführt wurden, die sich mit der Struktur und der Entwicklung der Praxis auseinandersetzten. Visionen und Ziele wurden ebenso angesprochen wie konkrete Verbesserungsvorschläge und Lösungen für offensichtlich vorhandene Probleme und Konfliktstellungen, deren Umsetzung aber auch eingefordert wurde.
Andererseits wurden aus Sicht der Teilnehmer mit teils drastischen Worten gravierende Kritikpunkte angeführt, die in ihrer Deutlichkeit Anlass zur Besorgnis geben. Im Brennpunkt stehen dabei Kommunikationsprobleme innerhalb des Teams und mit den Chefs, einhergehend mit dem Gefühl mangelnder Wertschätzung und Respektlosigkeit.
Hier einige O-Töne:
• „den Praxisdrachen rauswerfen“
• „bessere Kommunikation untereinander beziehungsweise Vermeidung von Grüppchen in Hinsicht auf Mobbing“
• „besseres Betriebsklima“
• „Chefs sollten verpflichtet werden, sich in Mitarbeiterführung fortzubilden“
• „Mein Chef kommuniziert gleich null“
• „einen Chef, der seine Launen nicht immer am Personal auslässt“
• „einen freundlicheren Arbeitgeber“
• „Wertschätzung, wir sind kein Stück …“
Auch wenn man davon ausgeht, dass eine derartig offene Fragestellung zum Frustabladen einlädt, bin ich doch sehr besorgt, wie groß der Frust bei manchen Mitarbeiterinnen ist. Gutes und Schlechtes wird heute sehr schnell öffentlich gemacht, die sozialen Netzwerke tragen zu dieser Entwicklung entscheidend bei.
Interessant war auch in einer anderen Fragestellung die Gewichtung vorgegebener Punkte:
• Kollegialität spielt für die Teilnehmerinnen eine besondere Rolle und war ihnen am wichtigsten! Es folgten:
• gute Bezahlung
• ein gutes Verhältnis zu Vorgesetzten
• die tägliche Arbeit am und mit Patienten und
• Urlaubstage
Täglich dazulernen zu können wurde bei dieser Fragestellung als am wenigsten wichtig bewertet.
Wie wurden die Fragen nach dem Gehalt und einem Nebenjob beantwortet? Arbeiten viele noch neben ihrer Festanstellung?
Fresmann: Wie schon ausgeführt, sind 63,7 Prozent unzufrieden mit ihrem Einkommen. Aus unserer Sicht und mit Blick auf die erforderliche und wünschenswerte Mitarbeiterbindung sehr bedenklich ist, dass 32,2 Prozent der Teilnehmerinnen angeben, einen Nebenjob zu haben und sich etwas dazuverdienen wollen/müssen. Dabei ist die Bandbreite der Nebenjobs riesig. Sie reicht von Putzen, Kellnern, Arbeit in einem Nagel- oder Tattoo-Studio über private Trainertätigkeiten und Verkäuferinnentätigkeiten bis hin zu 450-Euro-Jobs in anderen Praxen.
Wenn die Rahmenbedingungen woanders erfolgversprechender wären, würden 67,4 Prozent in einer anderen Praxis anfangen wollen.
Kommunikation auf Augenhöhe – wie steht es um die Stimmung in den Praxen? Was wünschen sich die Teilnehmerinnen?
Fresmann: Diese Frage korrespondiert konsequenterweise stark mit den vorherigen Punkten „Kritik“ und „Rahmenbedingungen“. Zumeist wurden bessere Entlohnung, Anerkennung, gute und wertschätzende Kommunikation, Respekt und Kollegialität angeführt. Einige Teilnehmer der Umfrage hatten aber auch die Praxisbelange und die Patienten im Fokus – so standen moderne Geräte, eine mögliche Renovierung der Praxis und mehr Zeit für die Patienten auf der Wunschliste der Kolleginnen. Oft wurde auch ein konsequentes Prophylaxekonzept mit klarer Aufgabenverteilung genannt – ein Dauerthema, dessen sich die DGDH seit Jahren mit Seminaren, Workshops und Tagungen annimmt.
Für wie viele Teilnehmer ist ihr Beruf noch ihr Traumberuf?
Fresmann: 28,8 Prozent geben an, dass dies ihr absoluter Traumberuf ist. Diese Gruppe wollte in der Mehrheit schon immer medizinisch tätig sein, mit Menschen arbeiten und diesen helfen.
Leider ist für 46 Prozent der Befragten ihre Tätigkeit nicht der Traumberuf. Diese Gruppe besteht aber maßgeblich aus Mitarbeiterinnen, die früher nicht viele oder sogar keine anderen Optionen hatten. Hauptursächlich dafür waren beispielsweise ein schlechter Schulabschluss, ein zufälliges Praktikum, eine angebotene Lehrstelle.
Haben Sie mit diesen Ergebnissen gerechnet? Wie bewerten Sie diese?
Fresmann: Ehrlich gesagt, hätte ich mir ein positiveres Bild gewünscht. Mit Blick auf den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel müssen alle Beteiligten im Sinne der Patienten möglichst umgehend (weiter) an den zuvor genannten Optimierungsmöglichkeiten arbeiten. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass möglichst alle Mitarbeiterinnen in diesen Prozess mitgenommen und eingebunden werden. Allerdings muss auch die Bereitschaft auf Ebene der Mitarbeiter vorhanden sein, was nicht immer der Fall ist. Aber auch so mancher Praxisinhaber sollte sich überlegen, wie er seinen Führungsstil ändert und/oder optimiert – ich denke, für beide Seiten ist hier „Luft nach oben“.
Umso wichtiger ist es, motivierte und engagierte Kollegen und Kolleginnen zu „hegen und zu pflegen“, ihnen Entwicklungsmöglichkeiten einzuräumen und letztendlich auch ein auskömmliches Einkommen zu gewährleisten. Qualifiziertes und motiviertes Personal wird immer mehr zu einem Qualitätsmerkmal.
Was geschieht nun mit den Umfrageergebnissen? Wofür werden Sie diese nutzen?
Fresmann: Wir als DGDH werden weiter am Ball bleiben, die Umfrageergebnisse weiter analysieren und gemeinsam mit Zahnärzteschaft und Standes- und Berufsvertretungen versuchen, Optimierungsstrategien und -konzepte zu erarbeiten.
Aus den Umfrageergebnissen konnte man auch klar so manche Unsicherheit ablesen, wenn es um die Delegation von Leistungen ging. Überforderung war auch oft ein Thema. Ein Bereich, in dem wir sicher gemeinsam mit der Zahnärzteschaft weiterarbeiten müssen – ein klarer und bundeseinheitlicher Delegationsrahmenplan mit Zuordnung von objektiv erworbener Qualifikation und der delegierbaren Leistung. Also im Klartext: Wer darf was? Fort- und Weiterbildung muss sich lohnen – nicht nur finanziell!
Und nochmal – wir brauchen sie, die engagierten und wissbegierigen Mitarbeiterinnen in der Praxis – denn ohne sie ist eine moderne Praxis nicht zu führen.
Im Rahmen einer verstärkten Öffentlichkeitsarbeit werden wir zusammen mit zahnifinder.de, dem interaktiven Stellenportal für die Zahnmedizin, die diese Umfrage mit unterstützt haben, für unseren Beruf werben, mit weiteren Kampagnen den Nachwuchs stärken und um ein attraktives Berufsbild kämpfen.