Die zahnärztliche Schlafmedizin umfasst derzeit die Themenbereiche der schlafbezogenen Atmungsstörungen wie das obstruktive Schlafapnoesyndrom (OSAS), das Schnarchen und die schlafbezogenen Bewegungsstörungen wie den schlafbezogenen Bruxismus.
Bruxismus
Beim schlafbezogenen Bruxismus werden zum Schutz des Kausystems vor Destruktionen Schutzschienen, zum Beispiel die Michiganschiene, die Nti-tss-Schiene oder auch Tiefziehschienen mit verschiedenen Okklusionskonzepten angewandt. Bestand der Bruxismus bereits länger, und wurden die Zähne nicht geschützt, sind die typischen Destruktionen der chronischen Überbelastung des Kauorgans, wie vermehrte Attritionen, eine Schädigung des Zahnhalteapparats, ein Senkbiss und häufig vorzeitige Zahnverluste zu befunden.
Die Rehabilitation eines derart geschädigten Gebisses ist prothetisch sehr komplex und belastend für den Patienten (Abb. 1 und 2). Vor der prothetischen Rehabilitation ist es sinnvoll, das Ausmaß und die Intensität des Bruxismus in einem Schlaflabor in einer Polysomnographie zu dokumentieren. In ausgeprägten Fällen kann medikamentös ein Behandlungsversuch eingeleitet werden. Aufgrund der jedoch erheblichen allgemeinen Nebenwirkungen, ist diese Behandlung unbedingt kontrolliert durch einen Schlafmediziner einzuleiten (Carra MC. et al. 2012).
Seit der Einführung einer den Unterkiefer nach anterior verlagernden Schiene durch Meyer-Ewert 1984 zur Behandlung des obstruktiven Schlafapnoesyndroms und des Schnarchens hat sich das Wissen um diese Behandlungsform wesentlich vermehrt. Das Grundprinzip der Behandlung, durch eine Unterkiefervorverlagerung im Schlaf die retropharyngealen Atemwege zu erweitern und an einer Verlagerung im Schlaf zu hindern, ist jedoch unverändert geblieben.
Behandlung mit Zweischienensystemen
Waren es zu Beginn Monoblockapparaturen, die lose im Mund lagen und mehr einer Orthothese oder vom Konstruktionsprinzip eines Aktivators beziehungsweise Bionators abgeleitet waren, sind es heute Zweischienensysteme, die mit einer Protrusionsmechanik verbunden sind. Unterkieferprotrusionsschienen (UPS) zur Behandlung von schlafbezogenen Atmungsstörungen stellen mittlerweile einen eigenständigen Gerätetyp dar, die spezifische Kriterien erfüllen. Sie erlaubt eine begrenzte Bewegung des Unterkiefers im Schlaf, was wesentlich zum Tragekomfort im Schlaf und zur Vermeidung von Nebenwirkungen an den Kiefergelenken und Zähnen beiträgt.
Die Retention der Apparaturen an den Zähnen ist ein weiteres wichtiges Kriterium. Die Befestigung mittels Klammern wurde bei den meisten Schienen durch hart-weiche Kunststoffschienen ersetzt, die eine hinreichende Retention gewährleisten. Diese hart-weichen Kombinationskunststoffe hatten früher eine reduzierte Beständigkeit; sie verloren die Retention, verfärbten sich und begannen übel zu riechen. Die klinischen Eigenschaften der angewandten Kunststoffe haben sich wesentlich verbessert. Für die Anfertigung werden spezielle Herstellungstechniken benötigt, die teilweise patentiert sind. Aus diesem Grund ist es von Vorteil, die individualisierten UPS von spezialisierten Fachlaboren zu ordern.
Eine Besonderheit stellt die Naval-Schiene der Firma ResMed (Martinsried) dar. Hierzu werden die Abdrücke dreidimensional eingescannt und die Schienen mit einem CAD/CAM-Verfahren gefräst. Eine zukünftige Neuerung werden intraorale optische 3-D-Scanner bringen. Diese ermöglichen es, den Abdruck digital im Mund zu nehmen und die Daten via Internet zu den Fachlaboren oder über eine Cloud-Lösung zu übermitteln. Dort werden die Schienen direkt gefräst, beziehungsweise erst über einem 3-D-Ausdruck der Modelle hergestellt. Das Anpassen der Schiene am Patienten erfolgt durch den Zahnarzt. Unvermeidlich sind kleine Korrekturen an der Basis, die trotz der präzisen Verfahren weiterhin durchgeführt werden müssen, um eine exakte, komfortable Passung zu gewährleisten. Das Einstellen der definitiven Protrusion bedarf einer Zusammenarbeit zwischen den Schlafmediziner und des Zahnarztes.
Bei allen unterschiedlichen Schienensystemen ist es erstaunlich, dass eine aktuelle systematische Metaanalyse aufgezeigt hat, dass derzeit keine der angebotenen individualisierten, laborgefertigten Schienen einen Vorteil bezüglich der Wirksamkeit besitzen. Es sind verschiedene Faktoren, die die Wirksamkeit einer UPS beeinflussen, hierzu zählen eine präzise Indikationsstellung, der Schweregrad der OSAS, das Material und das Herstellungsverfahren der Schienen, der Schienentyp (Monoblock versus Zweischienensysteme) und das Ausmaß der Unterkieferverlagerung, sowohl in der Sagittalen als auch in der Vertikalen (Ahrens et al. 2011).
UPS aus dem Schlaflabor
Mehrere Gruppierungen, Organisationen und Interessensvereine haben Empfehlungen zur Indikation eine UPS publiziert. Es bestehen leichte Differenzen mit unterschiedlichen Fokussierungen. Allgemein gilt: Eine UPS ist bei leichtem bis mittelgradigem OSAS, bei habituellem Schnarchen und bei mittelschweren bis schweren OSAS angezeigt, wobei bei Letzterem eine Therapie mit einem CPAP vorangegangen sein sollte. Bei Therapieversagen mit einem CPAP, bei Kontraindikationen und bei einer mangelnden Adhärenz kann im Schlaflabor kontrollierte eine UPS für den Patienten angefertigt werden (Lim J. et al. 2006, Rantherath WJ. et al. 2011, Qassem A, et al. 2013).
Für spezielle Diagnosen, wie ein ausschließlich im REM-Schlaf auftretendes OSAS, ein OSAS kombiniert mit periodischen Bewegungsstörungen, ein nicht rein, sondern gemischtförmiges zentrales-obstruktives OSAS, sind derzeit keine eindeutigen Empfehlungen ausgesprochen worden. Auch hier sollte die Therapieaufnahme mit einer UPS unbedingt zusammen mit einem Schlaflabor durchgeführt werden. Der Anfangsdiagnostik im Schlaflabor sollte eine polygraphische Kontrolle mit eingesetzter Schiene folgen, dies auch zur Justierung der Unterkiefervorverlagerung.
Der gewählte Unterkiefervorschub wird vor der Herstellung des Geräts mit einem Konstruktionsbiss festgelegt. Dabei gilt, je weiter die Protrusion erfolgt, desto stärker sind die reziproken Kräfte auf die Zähne und die möglichen dentalen Nebenwirkungen (Cohen-Lew J. et al. 2013). Hielt man in der Vergangenheit einen weiten bzw. weit maximalen Vorschub des Unterkiefers für eine maximale Effektivität angebracht, wird derzeit eine Ersteinstellung von einer halben bis Dreiviertelstrecke des maximalen Vorschubs favorisiert. Der gewählte Vorschub muss komfortabel sein und vom Patienten dauerhaft im Schlaf toleriert werden. Damit der Konstruktionsbiss reproduziert eingestellt werden kann, empfiehlt sich der Einsatz einer Konstruktionsbisshilfe, wie zum Beispiel die George-Bissgabel o.ä.
Apps nehmen das Schnarchen auf
Neuerungen hat auch die Überwachung der Therapieeffektivität hervorgebracht. Mit Apps, zum Beispiel SnoreLab, lassen sich per Smartphone das Schnarch-Geräusch einfach und zuverlässig abschätzen. Hierdurch ist es dem habituellen Schnarcher möglich, die Wirksamkeit der Schiene, aber auch von anderen schlafhygienische Maßnahmen zur Reduktion des Schnarchens, wie die Gewichtsreduktion, eine Alkoholkarenz etc., zu überprüfen. Dieses einfache Screening kann dem Patienten Hinweise über die dauerhafte Wirkung beziehungsweise über ein Nachlassen der Effektivität geben.
Beim Vorliegen eines OSAS ist eine Polygraphie zur Therapiekontrolle angezeigt, um ein Placebo- oder den Halo-Effekt auszuschließen. Beide Phänomene sind auch bei der UPS-Therapie beschrieben worden. Während der Halo-Effekt einen Beurteilungsfehler bzw. Wahrnehmungsfehler des Patienten beschreibt, zeigt der Placebo-Effekt bei einer uneffektiven Maßnahme, wie ein nicht richtig eingestellter Unterkiefervorschub, dennoch eine positive Reaktion. Im Gegensatz zur nachweislichen Wirkung verliert sich der Placebo-Effekt mit der Zeit.
Die dauerhafte Anwendung der Schienen stellt ein Problem bei der Behandlung der Patienten dar. Frühere Studien gehen davon aus, dass die UPS nach fünf Jahren eine Compliance von 40 bis 60 Prozent haben. In der CPAP Behandlung wird die richtige Anwendung des Geräts von der Software erfasst. Hierdurch ist eine erfolgreiche Therapie durch den Arzt und die Krankenkassen kontrollierbar. Neuerlich können in die UPS Registrierchips, zum Beispiel Theramon (Abb. 4), eingebaut werden, die die Tragezeit der Schienen im Mund über einen Temperatursensor aufzeichnen.
Bei Patienten, die aufgrund eines erheblichen beruflichen Risikos eine adäquate Behandlung den Behörden oder Krankenkassen nachweisen müssen, kann die Adhärenz zweifelsfrei dokumentiert werden. Es hat sich gezeigt, dass auch bei der CPAP Anwendung bestimmte Adhärenz-Muster bestehen. Einige Patienten tragen die Schiene lediglich am Wochenende – nur 50 Prozent – oder legen zum Beispiel in den Ferien eine Therapiepause ein. Für die Patientenführung und die Aufklärung ist ein Chip ein zusätzlicher Nutzen.
Zusammenfassung
Die Effektivität der Therapie des OSAS und des Schnarchens mit UPS ist in der Vergangenheit wesentlich gesteigert worden. Durch die klare Umschreibung der einzelnen die Therapie beeinflussenden Parameter ist die Behandlung für den Patienten und den Behandelnden angenehm und zuverlässig durchführbar. Die Literaturliste kann beim Autor angefragt werden.