Der Kommentar von Chefredakteur Marc Oliver Pick
Was haben Zucker und Bürokratie gemeinsam? Genau, beides ist im Übermaß ungesund. Zucker gilt mehr denn je als einer der Risikofaktoren für Übergewicht und verschiedenste chronische Erkrankungen. Die Folgen eines zu hohen Zuckerkonsums bekommen Sie wahrscheinlich jede Woche in Ihren Praxen in Form kariöser Läsionen zu Gesicht.
Die Schuld für durch Karies geschädigte Zähne alleine auf die Patienten abzuwälzen würde aber zu kurz greifen, denn Zucker ist (fast) überall. Kaum ein industriell hergestelltes Lebensmittel kommt heute ohne Zuckerzusatz aus, auch wenn er sich oft hinter verklausulierten Bezeichnungen versteckt. Im Supermarkt zuckerfrei einzukaufen ist fast unmöglich.
Muss jeder Softdrink gezuckert sein?
Gut, Zucker hat als altbekanntes und bewährtes Konservierungsmittel durchaus seine Daseinsberechtigung. Aber warum muss dann jeder Softdrink auch noch gezuckert sein?
Kein Wunder, dass die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) die Bundesregierung mit Nachdruck auffordert, die Strategie der freiwilligen Zuckerreduktion aufzugeben und die Softdrink-Hersteller „endlich in die Pflicht zu nehmen“, etwa durch die Einführung einer Zuckersteuer. In Großbritannien habe das durchaus etwas bewirkt.
Die Uni Bonn hat kürzlich das Ergebnis einer Langzeitstudie vorgestellt, die den Zuckerkonsum von Kindern und Jugendlichen ausgewertet hat. Die gute Nachricht: Die Zuckeraufnahme von Heranwachsenden sinkt seit Jahren kontinuierlich. Die schlechte Nachricht: Sie liegt noch immer jenseits der von der WHO empfohlenen Menge.
Bürokratischer Nonsens ein weit verbreitetes Phänomen
Anders als beim Zuckerkonsum gibt derzeit keine Langzeitstudie, die eine kontinuierliche Verringerung der Bürokratielast nachweisen könnte, oder eine Organisation, die eine Obergrenze festgelegt hätte. Nun ist bürokratischer Nonsens nicht nur in Arzt- und Zahnarztpraxen zu finden, sondern scheint in Deutschland generell ein weit verbreitetes Phänomen zu sein.
Im Gesundheitswesen macht sich Zeitverschwendung durch unsinnige bürokratische Vorgaben allerdings besonders bemerkbar. Denn Zeit, die mit digitalen, weit häufiger aber noch mit analogen Formularen verbracht wird, fehlt für die Betreuung der Patienten. Und zwar laut KZV Nordrhein etwa 25 Prozent der Behandlungszeit. (Am Mittwoch, 25. September wird daher vielerorts protestiert.)
Auch wenn zu viel Bürokratie vielleicht nicht direkt krank macht (obwohl eine kaum noch nachvollziehbare und überfordernde Bürokratie zum Beispiel in den Burnout führen kann), kann sie zumindest das Gesundwerden verzögern, wenn in den Praxen immer mehr gestempelt statt behandelt wird.
Bürokratisch fehlbelastete Fachkräfte
Es wäre sicher interessant zu ermitteln, inwieweit bürokratisch fehlbelastete Fachkräfte Anteil am zunehmenden Fachkräftemangel in Deutschlands Praxen haben. Vielleicht ist der Fachkräftemangel ja in Wahrheit kleiner als vermutet ...
Übrigens sind Sie als Zahnärztin und Zahnarzt mit dem Problem „überbordende Bürokratie“ nicht alleine. Auch Ihren Systempartnern, den Zahntechnikern, geht es nicht viel besser. In den Dentallaboren sorgt die Umsetzung der MDR auch für vielfältigen Verdruss, so fordert auch der VDZI nach einer Entbürokratisierung der Zahntechnik.
Ja, Bürokratie ist lästig und einer der großen Zeitfresser in Praxen und Laboren. Andererseits dreht sich in Praxen und Laboren alles um das Thema Gesundheit. Deshalb wird man auch in Zukunft nicht ganz auf zum Beispiel die Dokumentation verzichten können.
Dieser, nennen wir sie „positive Bürokratie“, steht aber zu oft eine zumindest gefühlte Kontroll- und Misstrauensbürokratie gegenüber, vor allem dann, wenn das Thema Geld im Vordergrund steht. Ergänzt wird die Bürokratietypologie noch durch überflüssige, weil doppelte Nachweis- und Dokumentationspflichten, die ihre Existenz vermutlich schlicht in behördlich unzureichend gestalteten Prozessen haben.
Auch wenn Teile des ungeliebten „Verwaltungskrams“ also durchaus sinnvoll sind: Das Thema Bürokratie bietet ausreichend Potenzial für großzügiges Streichen. Zur Abwechslung mal im positiven Sinne.