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Bürokratieabbau: „One in, two out"

Der Kommentar von Chefredakteur Marc Oliver Pick

Keine Sorge, es handelt sich bei der griffigen Formel „One in, two out“ nicht etwa um eine neue Leitlinie zur Implantologie oder zur Extraktionstherapie, sondern um eine Strategie, um dem Verordnungs-, Normen- und Vorschriftendickicht radikal beizukommen.

Denn wenn ernsthaft von Bürokratieabbau die Rede sein soll, muss dieser auch von Anfang an konsequent und nachhaltig in Angriff genommen werden. Der Tausch einer Vorschrift gegen eine neue bringt im günstigsten Fall höchstens das ungebremste Verordnungswachstum zur Verlangsamung oder zum Stillstand, zu einem notwendigen Kahlschlag wird eine „One-in-one-out-Strategie“ nicht führen.

Zeit, die für Patienten fehlt

Gut, dass die Zahnärztekammer Nordrhein mit ihrer Forderung nach einem Bürokratieabbau nicht allein die Politik adressiert, sondern auch diejenigen, die direkt von der immer maßloseren Zeitverschwendung in Form teils unnötiger oder unsinniger Vorschriften und Normen betroffen sind: die Patienten. Auch wenn in erster Linie die Zahnärzteschaft und das rarer werdende Fachpersonal immer häufiger die Arbeit am Behandlungsstuhl und am Patienten mit der Arbeit am Schreibtisch tauschen müssen, am Ende fehlt vor allem die Zeit für den Patienten.

Nun könnte man meinen, in Zeiten rasch fortschreitender Digitalisierungsinitiativen sollte Verwaltungsarbeit im Praxisalltag, am besten weitgehend automatisiert, zu Kleinigkeiten herunterdigitalisiert werden können. Die Realität ist jedoch eine andere, was sowohl Praxisinhaber als auch Zahnmedizinische Verwaltungsangestellte leidvoll bestätigen können. 

Eine TI, die nicht ausgereift ist

Damit landen wir wieder einmal bei der Dauerbaustelle Telematikinfrastruktur (vergangene Woche Thema einer Podiumsdiskussion im Zahnärztehaus Münster). Die gute Nachricht zur TI: Sie funktioniert. Die schlechte Nachricht: Sie funktioniert nicht immer so, wie man es erwarten können sollte. Die Ursachen für eingeschränktes Funktionieren oder Totalausfall sind dabei so vielfältig wie bizarr.

Betrachten wir beispielhaft einen Bestandteil der für den Einsatz der TI nötigen Hardwarekomponenten: das Kartenterminal. Dazu ein kurzer Selbst-Check: Sollten Sie an Ihrem Kartenterminal nicht mehr als einen Schlitz zur Aufnahme der Versichertenkarte sehen, und sollte Ihr Lesegerät stets einwandfrei seinen Dienst verrichten: herzlichen Glückwunsch.

Sollten Sie allerdings vor nicht allzu langer Zeit gezwungen gewesen sein, wegen immer wieder auftretender Ausfälle des Terminals ein kleines Zusatzgerät auf den Kartenschlitz Ihres Geräts kleben zu müssen, hatten Sie zwar weniger Glück, befinden sich aber in guter Gesellschaft.

Denn nicht wenige Ihrer Kollegen haben ebenfalls nach dem Motto „Zugeschaut und mitgebaut“ ihr Terminal pimpen müssen, verfügen dafür aber jetzt über einen kleinen schwarzen Terminalaufbau sowie ein schickes Zusatzkabel mit USB-Anschluss. Nur um das Problem von Terminal-Ausfällen wegen elektrostatischer Aufladung der Versichertenkarten in den Griff zu bekommen (und das traf keinesfalls nur auf die wenigen Zahnarztpraxen mit Teppichbodenbelag im Bereich der Rezeption zu). 

Mancher Nachbar macht es besser

Dieses kleine, zusätzlich anzubringende Bauteil zur Eliminierung kleinster elektrischer Ladungen könnte als Sinnbild für das Gesamtkonstrukt TI dienen. Statt des großen Wurfs in typisch deutschem Perfektionswahn, umgesetzt in Rekordzeit, scheitern zentrale Komponenten des zukunftweisende Großprojekts TI bereits an den physikalischen Eigenschaften eines scheckkartengroßen Stücks Plastik. Stellen Sie sich mal vor, Geldautomaten hätten diese Art von Problemen, wir würden alle längst nur noch per Smartphone bezahlen, wie zum Beispiel in Schweden längst üblich.

Es ist wahrlich eine Krux: Auf der einen Seite bürokratische Auswüchse, die anderswo in Europa ihresgleichen suchen, auf der anderen Seite technisch-digitale Strukturen, die nicht nur (wie versprochen) keine Erleichterung bringen, sondern im Gegenteil den nicht zahnmedizinisch bedingten Aufwand in den Praxen noch weiter erhöhen.

Vielleicht sollte man nach der Devise „Gut kopiert ist besser als teuer (selbst) erfunden“ mal einen Blick auf Schweden werfen. Was da alles selbstverständlich per Smartphone geregelt werden kann ...