Auf der außerordentlichen Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) am 4./5. Juni 2021 in Berlin fanden die Wahlen zum geschäftsführenden Vorstand statt. Die Delegierten wählten Prof. Dr. Christoph Benz zum neuen Präsidenten sowie Konstantin von Laffert zum neuen Vizepräsidenten und Dr. Romy Ermler zur neuen Vizepräsidentin.
100-Tage-Bilanz des geschäftführenden Vorstands der BZÄK
Gut 100 Tage später ziehen sie im dzw-Interview eine erste Zwischenbilanz. Die Fragen stellten dzw-Chefredakteur Marc Oliver Pick und Dr. Helge David.
Herr Prof. Benz, Frau Dr. Ermler, Herr von Laffert, Sie drei sind nun seit annähernd 100 Tagen als neuer Geschäftsführender Vorstand der Bundeszahnärztekammer im Amt. Was ist Ihre erste Zwischenbilanz?
Professor Dr. Christoph Benz: Das, was ich von Anfang an dachte, hat sich deutlich bestätigt: Wir sind ein tolles Team. Wir haben uns intensiv absprechen können und gemerkt, dass wir ähnlich denken. Wir wollen keine Kopfgeburten oder einen Elfenbeinturm. Wir wollen aus der Praxis für die Praxis arbeiten. Unser größtes Ziel ist es, dass die Kolleginnen und Kollegen sagen „Das habt ihr gut gemacht, das hat uns geholfen.“ Und auf diesem Weg sind wir jetzt. Wir haben vieles angeschoben, viele Gespräche geführt sowie Strukturen und Abläufe modernisiert, die unnötig Zeit verschwenden. Wir werden alte Zöpfe abschneiden und Bürokratie abbauen Schließlich ist Sparsamkeit auch eins unserer großen Ziele. Das Geld der Kolleginnen und Kollegen wird nicht verschwendet.
Dr. Romy Ermler: Wir waren schnell ein Team und haben eine gute Arbeitsteilung gefunden – auch in Bezug darauf, welche Interessen auf Länderebene eingebracht werden und wie wir das sowohl auf Länder- als auch auf Bundesebene anschieben. Es sind Themen wie Bürokratieabbau und die Förderung junger Kolleginnen und Kollegen, die mir persönlich sehr am Herzen liegen, angefangen beim Studium übers Angestelltenverhältnis bis zur Niederlassung – der gesamte Lebenszyklus. Wir sehen uns als Ansprechpartner für die gesamte Zahnärzteschaft und als kollegiales Team an der Spitze.
Konstantin von Laffert: Es macht sehr viel Spaß. Natürlich waren die letzten drei Monate auch eine sehr anstrengende Zeit. Meine Frau behauptet, ich hätte das erste Mal in meinem Leben richtig gearbeitet, was natürlich eine bösartige Unterstellung ist (lacht). Aber das Wichtigste ist tatsächlich, dass wir uns in den Sitzungen mit Spaß, Respekt und Freude begegnen. Wir wollen und müssen wirklich einiges anpacken und bewegen. Dieser Spirit treibt uns an, und das wird auch aus der Kollegenschaft zurückgespiegelt. Viele sprechen uns an und sagen „Toll, dass Ihr da seid“. Wir werden in den kommenden Wochen noch viele weitere Gespräche mit unterschiedlichen Verbänden und Fachgesellschaften führen. Man bekommt dabei nochmal ganz andere Einblicke. Das ist Arbeit, aber es ist auch spannend und vielseitig.
Welche Schwerpunkte werden sie in den kommenden vier Jahren setzen?
Benz: Ich denke das große Thema, das uns allen demnächst vor der Nase stehen wird, ist die neue Bundesregierung, von der keiner genau weiß, was sie sich in den Koalitionsvertrag schreiben wird. Die Bürgerversicherung scheint ja nach den Sondierungen bereits vom Tisch. Und das ist gut so. Wir werden aber mit Argusaugen darüber wachen, dass das Thema nicht durch die Hintertür doch wieder aufgemacht wird. Wir sehen schließlich, dass sich das duale System gerade in der Pandemie, wo sehr viele Gesundheitssysteme in anderen Ländern in die Grätsche gegangen sind, bestens bewährt hat. Und es wäre einfach schade und dumm, an diesem System jetzt herumzuschrauben, ohne Not. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir Zahnärztinnen und Zahnärzte uns irgendwann trauen, auch über Geld zu reden. Man erlebt da immer ganz schnell, dass wir zurückweichen und uns entschuldigen, dass wir das Wort überhaupt in den Mund genommen haben. Draußen steht bei uns in den allermeisten Fällen kein Porsche, sondern eine Familienkutsche. Es wird eine Familie ernährt von diesem Einkommen und wir sind am unteren Rand der ärztlichen Pyramide angekommen mit unserem Einkommen. Wir müssen da eine neue Sprechweise finden, dass wir uns das auch wirklich trauen, für unsere absolut berechtigten Interessen einzutreten.
Ermler: Ich würde mir wünschen, dass wir in Zukunft mehr als Mediziner gesehen werden, als ZahnMediziner. Die Pandemie hat gezeigt, dass wir zu Beginn nicht für voll genommen wurden. Jetzt wissen wir alle, die Zahnmedizin kann auch Vorbild sein, was Hygiene und Hygienekompetenz betrifft. Zudem haben wir etliche Schnittstellen mit Bezug zur Medizin. Gerade jetzt ist PAR mit der neuen Richtlinie ein wichtiges Thema. Auch da besteht die Verknüpfung zur Allgemeinmedizin. In den Bereichen wie Diabetes und Herzkreislauf-Erkrankungen werden wir uns künftig klarer positionieren. Wir werden die Zusammenarbeit mit der Ärzteschaft aktiv einfordern. Das würde ich als ein zentrales Thema der Zukunft sehen.
Von Laffert: Drei Punkte stehen ganz oben auf meiner Agenda für die nächsten vier Jahre: das Thema Fremdkapital-Aligner, der Satz „Zahnmedizin ist kein Gewerbe“ und der Bürokratieabbau. Wir haben uns jetzt schon an die Politik gewandt und dort sowohl im Bereich Fremdkapital, Investoren-MVZ als auch im Bereich Aligner Handlungsbedarf eingefordert. Mit dem Thema Bürokratieabbau setze ich mich seit 20 Jahren auseinander. In vielen Bereichen ist das sicher auch ein Verteidigungskampf, nicht noch mehr Bürokratie über uns kommen zu lassen. Einige Kolleginnen und Kollegen werden sicher nicht mitbekommen haben, was wir in den letzten zehn Jahren an Bürokratie verhindert haben. Dennoch ist es bereits jetzt zu viel für die Praxen. Es ist auch eine Lehre aus der Pandemie, wenn ich in meiner Praxis ein Fax aus dem BMG bekomme, in dem steht, dass ich jetzt FFP2-Masken im Ofen aufbereiten darf. Zugegeben, das war eine Notfallsituation, aber wenn so etwas möglich ist und ich dann vergleiche, welche unglaublichen Vorschriften, Validierungen und Dokumentationsvorschriften es bei uns gibt, dann sollten wir uns daran ein Beispiel nehmen und manches ein bisschen herunterfahren.
Ein weiteres Herzensthema für mich ist Zucker und Prophylaxe. Da lasse ich nicht locker. Eine freiwillige Vereinbarung mit der Industrie und eine solch geringfügige Absenkung von Zuckergehalten und teilweise verstecktem Zucker in Nahrungsmitteln kann auf Dauer nicht ausreichen. Wir wünschen uns von dem neuen Minister oder der neuen Ministerin deutlich mehr Mut und bieten Zusammenarbeit an, zeitnah nach der Regierungsbildung eine neue Initiative zu starten. Wenn man die Konstellation sieht, die jetzt vielleicht an die Regierung kommt, erhoffe ich mir da mehr Offenheit und Mut.
Herr Prof. Benz, welche Erwartungen haben Sie aus BZÄK-Sicht an die kommende Bundesregierung?
Benz: Also eine Wunschkoalition werden wir natürlich nie formulieren. Wir arbeiten in allen Ländern mit den Gesundheitsministerinnen und -ministern zusammen, die aus allen Parteien kommen, und das funktioniert zum Teil sehr gut. Im Bund haben wir erlebt, dass scheinbare Nähe nicht gute Arbeit bedeuten muss. Und deshalb ist unser Wunsch eigentlich gar nicht groß, sondern es muss einfach eine Regierung sein, die auch wirklich bereit ist, Themen anzugehen. Wir freuen uns auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit – egal mit wem. Wir werden auch schauen, wo wir unsere Themen platzieren können. Sie sind eigentlich alle angeklungen. Es ist immer dieses Thema „Deutsche-Lust-am-Prüfen“, irgendwelche technischen Parameter in den Raum zu stellen und Leute loszuschicken, die vermutlich noch in drei Durchläufen pro Jahr mit irgendwelchen komischen Regeln im Hintergrund prüfen sollen. Wir wollen etwas mehr Vertrauen in unseren Beruf. Wir haben in der Pandemie gezeigt, dass wir dieses Vertrauens absolut würdig sind. Die Kollegen und Kolleginnen haben sich kompetent darstellen können, und das verdient einfach Vertrauen.
Frau Dr. Ermler, die Zahnärzteschaft wartet seit mehr als 30 Jahren auf die überfällige Anpassung der GOZ. Schon einige BZÄK-Präsidien haben sich an diesem Thema die Zähne ausgebissen. Was wollen Sie in den kommenden vier Jahren anders machen?
Ermler: Wenn das duale System die Chance bekommt, die es auch wirklich verdient, dann sollten wir es als BZÄK an der Spitze in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten weiterentwickeln. Wir müssen daran arbeiten – auch im Hinblick auf Qualität in der Zahnmedizin. Wichtig ist sicherlich eine Dynamisierung. Das ist in anderen Branchen schon üblich, die Beamtenschaft bekommt regelmäßig mehr Geld, die Tariflöhne werden regelmäßig angepasst, sogar die Zahntechnikerinnen und Zahntechniker erhalten regelmäßig eine Anpassung. Ich denke, dass da durchaus Spielraum ist. Sicher ist da ein dickes Brett zu bohren, und ich kann und möchte mir nicht herausnehmen zu sagen, dass wir es besser machen als andere oder unsere Vorgänger, aber vielleicht bekommen wir gerade jetzt nach der Wahl die Chance, etwas anders zu machen.
Herr von Laffert, die Standespolitik warnt unermüdlich vor der Gefahr einer Kommerzialisierung des Gesundheitswesens, etwa in Form der sogenannten Investoren-MVZ. Ist angesichts einer Zahnärzteschaft, die mehrheitlich älter als 50 Jahre ist, eine flächendeckende Versorgung ohne Fremdkapital denkbar?
Von Laffert: Ich glaube, ja. Fremdkapital wird auch zukünftig kein Jungbrunnen für die Deutsche Zahnärzteschaft sein – vermutlich eher das Gegenteil. Fremdkapital-MVZ oder Investoren-MVZ bedeuten gerade für junge Kolleginnen und Kollegen oft Frust. Ich sehe das vor allem in meiner Funktion als Kammerpräsident in Hamburg, dass wir doch diverse negative Rückmeldungen vor allem von jungen Kolleginnen und Kollegen bekommen, die in solchen Strukturen arbeiten. Das ist es, was wir befürchtet hatten im Bereich Fremdkapital. Es sind immer wieder die Faktoren Druck und Umsatzgespräche, und die Kolleginnen und Kollegen fühlen sich in ihrer Freiheit eingeschränkt – das ist der eine Aspekt. Der andere ist das, was wir von den KZVen hören, dass Investoren-MVZ 30 bis 40 Prozent höhere Abrechnungszahlen haben. Man kann sicherlich darüber diskutieren, wie so etwas entsteht – aber für uns ist das schon eine recht alarmierende Zahl. Da wird Geld aus dem Topf genommen, das dem niedergelassenen Kollegen, der niedergelassenen Kollegin an der ein oder anderen Ecke fehlt – wir haben immer noch eine gedeckelte Gesamtvergütung. Der dritte Punkt, der die Zahnärzteschaft emotional packt und wütend macht, ist, dass viele Fremdkapital-MVZ ihre Steuern nicht in Deutschland zahlen. Das ist zwar nur ein Nebenaspekt, aber ein sehr emotionaler an der ganzen Geschichte.
Unsere erste Maßnahme war die gemeinsame Formulierung eines Briefs an alle Mitglieder des Gesundheitsausschusses des Bundestags, an alle Staatssekretäre und natürlich an Minister Spahn. Darin fordern wir eine stärkere Regulierung in Form einer Änderung des Zahnheilkundegesetzes – mit Beispielen für verschiedene Parameter, die geändert werden sollten. Etwa, dass Zahnärztinnen und Zahnärzte die Mehrheit an einer solchen Unternehmung haben, dass kein Gewinn an Dritte abfließen darf und dass Zahnärztinnen und Zahnärzte dort fachlich weisungsfreier arbeiten können. Das sind nur drei von insgesamt zwölf Forderungen. Wenn sich die Strukturen in Berlin geformt haben – und es wird im Gesundheitsausschuss nach unseren Informationen offensichtlich einen relativ großen Wandel geben – werden wir an die neuen Damen und Herren im Ausschuss herantreten und auch an den neuen Minister oder die neue Ministerin und das Thema erneut und intensiv vorbringen.
Das TSVG reicht also nicht aus beziehungsweise war als Regulativ von Anfang an unzureichend?
Von Laffert: Eindeutig. Das TSVG hat von Anfang an eigentlich nicht gereicht, denn es ist im Grunde nur eine Monopolregelung. Sie schließt aus, dass ein Konzern mehr als 10 Prozent (mit Randregelungen) des Marktes übernimmt. Das reicht uns aber nicht. Im schlimmsten Fall könnten sich mehrere Unternehmen absprechen und dann 100 Prozent des Marktes übernehmen. Das hilft uns nicht weiter. Für uns ist die Regelung ein zahnloser Tiger.
Die Zahnärzteschaft hat sich in der Corona-Krise gut aufgestellt gezeigt. Von der Politik fühlte sie sich aber als Mediziner „zweiter Klasse“ behandelt. Was muss unternommen werden, damit sich dies nicht in der nächsten Krise wiederholt?
Benz: Um das noch einmal klar zusammenzufassen: Wir waren der sicherste Gesundheitsberuf. Wir haben 2020/21 in dieser üblichen Inzidenzrechnung 35 Infizierte pro 100.000 Berufsangehörige gehabt. Das ist der mit Abstand beste Wert und natürlich ein grandioser Erfolg, bei dem wir gezeigt haben, dass wir die Basis der Medizin perfekt beherrschen. Wir haben wesentlich mehr Respekt verdient, als wir bekommen haben. Das muss sich ändern. Aber es ist auch ein Appell an uns selber, klar zu sagen, es gibt nur eine „echte“, „eine wahre“ Zahnmedizin: Prävention, Ästhetik, das sind Dinge, die eine ganz zentrale Rolle spielen. Ich würde der DGZMK vollkommen folgen und sagen, es gibt nur eine Zahnmedizin, und sie dient der Mundgesundheit insgesamt. Wir sind vielleicht die erfolgreichste Arztgruppe in der Vorbeugung, der Prävention. Gerade das Thema Parodontitis zeigt, dass dort eine Assoziation zu den allermeisten und vor allem wichtigsten Krankheiten im Körper besteht. Und wir sehen die Patienten viel früher und häufiger, als andere Ärztinnen und Ärzte. Unsere Zukunft liegt weniger in der mechanischen, sondern vielmehr in der vorbeugenden, präventiven Ausrichtung.
Ermler: Das muss im Prinzip schon in der Ausbildung anfangen. Wir müssen wieder – und das gibt die neue Approbationsordnung her – die gemeinsame Ausbildung mit der Medizin stärken. Damit wir auch im Studium nicht so abgekoppelt sind. Sonst heißt es weiterhin, ihr kümmert euch ja nur um den Kopf, ihr habt einen kleinen Arbeitsbereich. Naja, wir haben vielleicht einen kleinen Arbeitsbereich, aber ich sage immer „an jedem Zahn hängt auch ein ganzer Mensch“ – und das sollte auch nach außen und in die Politik getragen werden, und vor allem in die Ausbildung.
Die Niederlassung junger Zahnärztinnen und Zahnärzte soll – insbesondere im ländlichen Bereich – attraktiver werden. Welche Förderinitiativen planen Sie konkret, um die junge Zahnärzteschaft zur Niederlassung zu ermutigen?
Ermler: Studien der letzten Jahre zeigen, dass sich junge Kolleginnen und Kollegen niederlassen wollen. Sie lassen sich vielleicht später nieder, aber die Einzelpraxis oder die kleine Gemeinschaftspraxis sind keine Auslaufmodelle. Wir haben nicht zu wenige Zahnärzte und Zahnärztinnen, sondern das von Ihnen angesprochene Verteilungsproblem. Ich selbst komme aus Brandenburg, als Flächenland ein typisches Beispiel. Wir kämpfen schon seit Jahren gegen dieses Versorgungsproblem, das wir noch nicht haben, aber zukünftig haben werden, wenn wir nichts dagegen tun. Gerade ist der ländliche Raum durch die Corona-Pandemie wieder etwas beliebter geworden, wir merken die Stadtflucht aus Berlin. Die Leute wollen raus, sie wollen aufs Land, auch da kann man ansetzen. Aber das schaffen wir nicht alleine. Wir müssen mit Landratsämtern zusammenarbeiten und Bedingungen schaffen, die den ländlichen Raum attraktiver machen – mit Möglichkeiten für Homeoffice, mit einem gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr, mit Bahnverbindungen, die geschaffen werden müssen – das ist der eine Punkt.
Der andere Punkt ist die Work-Life-Balance der jungen Kollegenschaft. Da bietet der ländliche Raum ein positives Umfeld. Man hat auf dem Land nicht denselben Konkurrenzdruck wie in der Stadt. Auch die Patientenbindung ist auf dem Land eine ganz andere. Es gibt schon sehr viele Vorteile, die wir mehr hervorheben müssen, aber das Umfeld muss eben stimmen. Es bringt nichts, wenn man eine große Praxis und einen großen Patientenstamm hat, aber man weiß nicht, wie man von A nach B kommt oder wo die eigenen Kinder zur Schule oder Kita gehen können. Es besteht in der Politik in solchen ländlichen Regionen noch ein sehr großer Rede- und Handlungsbedarf.
Benz: Das ist ja auch das Ziel der Famulatur-Praxen für die Approbationsordnung, dass man den Studentinnen und Studenten, die oft nur in den großen Städten studieren, zeigt, wie man auch auf dem Land höchst erfolgreich und sehr modern Zahnmedizin umsetzen kann. Ich habe in Thüringen bei der 30-Jahr-Feier erlebt, wie genial die das machen, wie gut sie die Praxen über das Land verteilen. Das ist unser Appell, dass die anderen Länder es genauso machen.
Das Phänomen Fachkräftemangel macht vielen Praxen das Leben schwer. Haben es die Zahnärztinnen und Zahnärzte nicht selbst in der Hand, den Beruf der ZFA etwa durch bessere Bezahlung oder Aufstiegsmöglichkeiten attraktiver zu machen und den Mangel zu überwinden?
Von Laffert: Sie haben es zu einem gewissen Teil in der Hand, aber nicht zu einem Großen. Dieses Problem ist in meinen Augen wohl das allergrößte, das wir im Moment haben. Das sage ich aus meiner Großstadtperspektive. In etwas ländlicheren Gebieten ist das vielleicht noch nicht ganz so extrem, aber bei uns in Hamburg herrscht absoluter Notstand, was ausgelernte ZFAs angeht. Bei Azubis geht es noch, aber bei den Ausgelernten ist es katastrophal. Wenn wir dann darüber reden, ob wir Tariflöhne zahlen oder nicht, ist die Realität in Hamburg eine ganz andere. Hier wird man im Bewerbungsgespräch ausgelacht, wenn man unter Tarif bezahlt und hat keine Chance, eine Mitarbeiterin zu bekommen. Aus meiner Sicht ist das auch richtig so. Hamburg ist eine teure Stadt, da kann man nicht existieren, wenn man unter Tarif bezahlt wird. Viele verdienen hier auch darüber hinaus. Das ist in einer Großstadt normal. Insofern regelt sich die Gehaltsthematik fast von selbst, weil der Markt der Markt ist.
Wie wir mehr Nachwuchs für die Praxen bekommen können? Das ist eine schwierige Frage und auch eine Frage der Schulpolitik. Unsere Praxen werden getragen von den guten Realschülerinnen und Berufsschülern, die heute noch an der Rezeption arbeiten. Es sind oft Realschülerinnen und Realschüler, die für uns die wichtigsten Teammitglieder in der Praxis sind. Heute machen viele junge Menschen Abitur, einige noch den Hauptschulabschluss. Bewerbungen mit mittlerem Schulabschluss hat man heutzutage nur noch sehr, sehr wenige. Bewerbungen mit einem Abitur bekommen wir auch nur sehr wenige, eher solche mit Hauptschulabschluss, die die Anforderungen, die in den Praxen immer komplexer werden, teilweise nicht mehr erfüllen können. Das muss man auch sagen. Wir müssen uns bemühen, gut auszubilden und auch Menschen mit Migrationshintergrund oder sprachlichen Problemen in den Praxen zu unterstützen und zu fördern. Anders sehe ich keine Chance für die Zukunft.
Benz: Wir müssen vielleicht auch anfangen, an manchen Stellen neu zu denken. Ich erlebe das oft – das ist kein Vorwurf, sondern eine Feststellung –, dass die Anzahl der Köpfe, die in einer Praxis arbeiten, manchmal auch ein Statussymbol ist. Wir müssen uns darüber Gedanken machen, ob man mit den neuen Zielen – etwa Prävention und Aligner-Zahnmedizin – wirklich noch so viel Personal braucht, wie wir es gebraucht haben, als wir noch sehr viel mechanisch gemacht haben. Und wir müssen jetzt nicht so weit gehen wie die Kolleginnen und Kollegen in Frankreich, die in der Regel allein arbeiten und denen nur im Ausnahmefall am Stuhl assistiert wird, aber da kann man auch mal darüber nachdenken. Wir haben uns leider angewöhnt, gerade den präventiven Bereich wegzudelegieren. Die große Frage ist, ob das in Zukunft noch Sinn macht.