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Deutschland ist zu langsam

Deutliche Kritik am Tempo der Digitalisierung in Deutschland wurde auf dem Europäischen Gesundheitskongress München geäußert.

Deutliche Kritik am Tempo der Digitalisierung in Deutschland wurde auf dem Europäischen Gesundheitskongress München geäußert.

Hochrangige Fachleute haben auf dem Europäischen Gesundheitskongress München Ende September diskutiert, warum Deutschland mit der Digitaliasierung des Gesundheitswesens nicht beziehungsweise nur langsam – zu langsam – vorankommt. Vergleicht man beispielsweise das Tempo Deutschlands mit einigen internationalen und europäischen Ländern, dann belegt Deutschland unter anderem laut einer Auswertung des Hasso Plattner Instituts (HPI) in der Digitalisierung des Gesundheitswesens weit abgeschlagen den letzten Platz – noch deutlich hinter der Türkei.

Die Ursachen für das viel zu niedrige Tempo der Digitalisierung in Deutschland sind vielfältig und beinhalten strukturelle und organisatorische Hürden gleichermaßen. An der fehlenden Zustimmung durch die Bürger zu einem digitalisierten Gesundheitssystem – die elektronische Patientenakte wird beispielsweise mehrheitlich begrüßt – liegt es alo nicht. Sorgen bereiteten den Fachleuten auf der Münchener Veranstaltung vielmehr die viel zu komplizierten Rahmenbedingungen in Deutschland.

Allzu kleinteilige Strukturen bremsen

Andreas Storm, Chef der drittgrößten deutschen Krankenkasse DAK, formulierte es so: „Wir sind jetzt langsamer als die staatlichen Gesundheitssysteme. Und wir sind auch wesentlich langsamer als die marktorientierten Länder wie etwa die USA.“ Als Ursachen nannte er Probleme, die sich aus dem Föderalismus ergeben, die er aber auch in den Strukturen der Selbstverwaltung findet. Zwar sei die Selbstverwaltung ein Erfolgsfaktor des deutschen Gesundheitswesens, mache es aber auch wesentlich komplizierter als in anderen Ländern. Bis in den langwierigen Abstimmungsprozessen endlich ein Konsens erreicht werde, sei die Technik oft schon wieder veraltet, und der Kreislauf beginne von neuem.

Der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, kritisierte den deutschen Hang zur Überregulierung. Gesetzliche Vorgaben seien detailliert, aber zu unflexibel: „Wir haben permanent mehr Regulierungen im System, die dazu führen, dass wir nicht mehr wissen, ob innovative Versorgungsangebote in den kommenden Jahren überhaupt noch leistbar sein werden.“ Dies aber bremse Investitionen und Innovationen in das Gesundheitswesen.

Die Industrie sieht vor allem unzureichende Standards als Bremse. Stefan Schaller, der Deutschland-Chef von Siemens Healthcare, sieht zwar Vorteile der freien Arzt- und Kassenwahl in Deutschland, aber auch negative Aspekte: „Wir bezahlen für diese Fragmentierung der Landschaft auch einen Preis.“ Es gebe zu viele verschiedene technische Standards in digitalen Systemen, die nicht miteinander kompatibel seien. Damit stünden diagnostische Daten für einen Patienten kaum über längere Zeit zur Verfügung – das aber sei die Basis für eine personalisierte, optimierte Medizin.

Gottfried Ludewig, Digitalisierungsstratege im BMG und Berater von Jens Spahn, rief zu einer beschleunigten Nutzung digitaler Technologien im deutschen Gesundheitswesen auf. Er forderte, Deutschland müsse sich „dramatisch entwickeln“, denn sonst seien Veränderungen von außen nicht mehr aufzuhalten, die Rahmenbedingungen würden dann von anderen bestimmt.

Beim Thema Datenschutz sieht auch Ludewig Probleme, die aus der föderalen Struktur in Deutschland resultieren: Seit 18 Monaten versuche etwa die Medizininformatik-Initiative des Bundes, mit 16 Landesdatenschutzbeauftragten eine einheitliche Einverständniserklärung für medizinische Forschung hinzubekommen. „Das kann nicht angehen. Wir müssen schneller werden! Die Welt wartet nicht darauf, dass wir ein einheitliches Einverständnisformular haben.“