Die Deutsche Gesellschaft für Orale Implantologie (DGOI) hat mit ihrem 19. Jahreskongress am 7. und 8. Juli 2023 in Hamburg ein wahres Wissensfeuerwerk geboten. Der Einladung von Prof. Dr. Dr. Ralf Smeets, Vizepräsident und Fortbildungspräsident der DGOI, waren mehr als 35 Top-Referenten aus Hochschule und Praxis gefolgt. Sie kamen in der Factory Hammerbrooklyn zusammen, um ihr Expertenwissen im Mainpodium, in sechs Workshops und zwölf Table Clinics mit den rund 120 Teilnehmern zu teilen. Sowohl das moderne, kurzweilige Kongressformat sowie die offene Architektur der Loft-Location kamen bei den Besuchern sehr gut an und sprachen offensichtlich viele junge Zahnmediziner an.
„Wir haben in den vergangenen Jahren unser Kongressformat komplett modernisiert und noch weiter an den Bedürfnissen unserer implantologisch tätigen Kolleginnen und Kollegen in der Praxis ausgerichtet“, so Prof. Dr. Daniel Grubeanu, Präsident der DGOI. Und weiter: „Für sie bringen kürzere Vorträge mit klaren Take-home-Messages einen greifbaren Mehrwert, das haben wir dieses Jahr konsequent mit dem Programm umgesetzt.“
Aus Fehlern lernen
Unter dem Leitthema „Implantologie 2023 – wo stehen wir aktuell?“ diskutierten die Teilnehmer ein breites Themenspektrum in verschiedenen Foren. Es reichte von Fragen der Anamnese über Keramik- und kurze Implantate sowie Implantatdesigns, chirurgische Techniken für das Hart- und Weichgewebe, Blutkonzentrate, Parodontologie und Periimplantitis, den digitalen Workflow, Implantatprothetik bis zum Ausblick in die Zukunft. Doch was diesen Kongress besonders spannend machte, war der Untertitel mit der Fragestellung „Aus Fehlern lernen – was würde ich heute anders machen?“ So diskutierten die Referenten in überwiegend kurzen, fünfzehnminütigen Vorträgen eine konkrete Fragestellung. In dem Forum „Meine zehn wichtigsten Tipps zum Thema …“ gaben sie klare wissenschaftlich fundierte Anwendungstipps.
Der Samstag stand ganz im Zeichen der Fehleranalyse mit den Foren „Tops und Flops beim Thema …“ und „Die häufigsten zehn Fehler zum Thema …“. Hier benannten die Experten Fehlerpotenziale zu jeweils einer konkreten Fragestellung. Die Vorträge im Forum „Junge Implantolog:innen“ hielten wertvolle Tipps von der Behandlungsvorbereitung bis zur Implantatprothetik bereit.
Mit ihren Keynote Lectures stiegen Dr. Roland Glauser, Zürich (CH), Prof. Dr. Daniel Grubeanu, Trier, Dr. Galip Gürel, Istanbul (TR), und Dr. Marius Steigmann, Neckargemünd, bei ihren Themen in die Tiefe. Out-of-the-box-Themen über neu auftretende Infektionskrankheiten mit Prof. Dr. med. Marylyn Addo, Hamburg, und Methoden der Cyberkriminalität mit Cem Karakaya, München, gingen über den implantologischen Tellerrand hinaus. Informativ und kurzweilig zugleich präsentierten sich einige Industriepartner der DGOI in kurzen Slam Sessions.
Die Themen im Überblick
Anamnese: Zu den mehrfach genannten Tipps gehörte zum Beispiel die umfassende Anamnese, die in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden sollte. Vor chirurgischen Eingriffen mit Lokalanästhesie und/oder Lachgassedierung ist die Anamnese der Medikamente wichtig, ebenso ein regelmäßiges Monitoring des Blutdrucks. Auch ein CMD-Check vor Beginn einer Implantatbehandlung gehörte zu den Tipps.
Implantatdesign: Vorgestellt wurden die Ergebnisse einer bevölkerungsbasierten Studie aus Schweden, die den Schluss zulässt, dass die Überlebensrate von Implantaten auch vom Implantatdesign abhängt. So seien bei kompromittierten Patienten eher konservative Implantatdesigns zu wählen.
Implantatprothetik: Bei dem Thema festsitzende Implantatprothetik wurden keramische Aufbauten auf Titanimplantaten beleuchtet: Bei Zirkonoxid müsse beachtet werden, dass dieses Material nicht verschleißt und sich daher keine Kauschlifffacetten bilden. Sinnvoll ist daher, während der Provisoriumsphase eine Schiene anzufertigen, um Kaubelastungen und Kauüberlastungen zu erkennen und bei der Fertigung der definitiven Prothetik zu berücksichtigen.
Hart- und Weichgewebe: Spannende Ansätze für die Weichgewebechirurgie in der ästhetischen Zone wurden diskutiert und die klassische Chirurgie infrage gestellt. Zum Beispiel sollen vertikale Schnitte schaden.Als eines der entscheidenden Kriterien für erfolgreiches Hartgewebemanagement wurde die Fallauswahl genannt. Bei Patienten mit Diabetes, Parodontitis, Bruxismus, Rauchern und Patienten nach Bestrahlung ist das Komplikationsrisiko höher, ebenso bei Einnahme von Protonenpumpenhemmern, Antidepressiva und Antiresorptiva.
Periimplantitis: Die Regeneration am Implantat kann mit dem Galvosurge-Reinigungsgerät erreicht werden. So regenerieren die knöchernen Verhältnisse und es zeigen sich sehr gute Weichgewebeverhältnisse. Auch Hyaluronsäure für eine plastische PA-Therapie wurde diskutiert. Hier ist eine sinnvolle Fallauswahl wichtig. Mögliche Auslöser lokaler Periimplantitis können Titanpartikel sein. Ob ein Patient eine Unverträglichkeit gegenüber Titan hat, ist nur über einen Bluttest feststellbar.
Digitale Workflows: Digitale Workflows sorgen für mehr Vorhersagbarkeit und Präzision, so lautete die klare Botschaft. Die Möglichkeit digitaler Mock-ups, die direkt in der Praxis gefertigt werden, wurden als Gamechanger für das Smile Design bezeichnet. Doch lauern im digitalen Workflow auch Fehlerquellen, zum Beispiel bei der digitalen Planung. Da die Software nicht für den Behandler denken kann, müssen die Regeln für die richtige Implantatpositionierung beherrscht werden.
Der 20. Jahreskongress der DGOI wird am 5. und 6. Juli 2024 in München stattfinden.