Der Kommentar von Chefredakteur Marc Oliver Pick
Von der Politik haben Ärzte und Zahnärzte meistens nicht viel zu erwarten, zumindest wenig Gutes. In vielen Fällen wird diese Berufsgruppe nur dann auf der politischen Bühne erwähnt, wenn es wieder einmal um alternativlose Sparmaßnahmen oder sonstige notwendige Anpassungen im Gesundheitssektor geht.
Lob ein seltenes Ereignis
Dass ein Politiker die Ärzte- und Zahnärztschaft für geleistete Arbeit lobt, ihnen Anerkennung zollt – zuletzt konnte man Positives immerhin einige Male während der ersten Phase der Corona-Pandemie vernehmen – ist ein seltenes Ereignis.
Aber die Corona-Krise ist vorbei, neue und weniger neue Probleme schieben sich in den Vordergrund. Gleich zwei Politiker meinen deshalb, sich aus jeweils ganz unterschiedlicher Perspektive einmal zu den Ärzten und einmal zu den Zahnärzten äußern zu müssen. Beide scheuen dabei selbst vor den durchsichtigsten populistischen Äußerungen nicht zurück.
Bürger für eigene Zwecke instrumentalisieren
Beiden Politikern gemein ist, jeweils nicht die ganze Wahrheit ausgesprochen zu haben, beiden gemein ist, Bürger für die eigenen Zwecke instrumentalisieren zu wollen, wenn auch mit unterschiedlichem Ansatz. Beide Male wird versucht, die leider allzu menschliche Schwäche Neid zu aktivieren, um von jeweils eigenen, wenn auch ganz unterschiedlichen Schwächen abzulenken.
Der eine ist Oppositionsführer der CDU und buhlt um Aufmerksamkeit, egal womit. Er meint, für diesen Zweck wirklich jedes Mittel heiligen zu können, und seien es plumpe Halbwahrheiten, die schnell als Blödsinn enlarvt wurden. Seine Äußerungen, um die ihn niemand gebeten hat und die erwiesenermaßen falsch sind, wurden von vielen zu Recht kritisiert – auch von Mitgliedern der eigenen Partei. Ein klares Statement dazu gab neben anderen der „Verband der ZahnÄrztInnen Plus e. V.“ ab, der den Zugang zur zahnärztlichen Gesundheitsversorgung als grundlegendes Menschenrecht betont, erst Recht im Schmerzfall, unabhängig von rechtlichem Status oder Herkunft. „Eine pauschale Verurteilung oder Vorverurteilung von Asylbewerbern oder Flüchtlingen in Bezug auf eine übermäßige Inanspruchnahme zahnärztlicher Leistungen ist unangebracht und unethisch“, stellt der Verband klar. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Lauterbach spielt die Neidkarte
Kommen wir vom reinen Blödsinn über den reinen Ertrag zum Reinertrag. Den Reinertrag ärztlicher Praxen verwandelte der amtierende Bundesgesundheitsminister kurzerhand und medienwirksam in ärztliches Einkommen – und spielte damit ebenfalls die Neid-Karte. Seinen Keil platzierte er allerdings zwischen Ärzten auf der einen und Patienten auf der anderen Seite. Damit lenkte er zumindest für eine kurze Zeit von den eigentlichen und eigenen Problemen ab, indem er diese auf die Ärzteforderungen nach auskömmlichen und notwendigen Honoraren projiziert. Er übersieht, dass es bei den Forderungen der Ärzte- (und Zahnärzte-)schaft vor allem darum geht, adäquate Mittel für eine zukunftssichere medizinische Versorgung zu erhalten, und zwar auf adäquatem Niveau.
Im Kern leidet das Gesundheitswesen nicht an zu wenig Geld, sondern an zu wenig Plan und an zu wenig Effizienz. Es leidet an einer strukturellen Ratlosigkeit, und es fehlt an allen Ecken und Enden: an Konzepten für die Herausforderungen einer alternden Gesellschaft, an funktionierenden und von den Anwendern akzeptierten digitalen Angeboten, an einer sinnvollen Verzahnung zwischen medizinischen Disziplinen und und und.
Der einzelne Zahnarzt und Arzt hat es nicht in der Hand, vorhandene Strukturen zu verändern oder zu verbessern, das ist nicht seine Aufgabe, da ist die Politik gefragt. Allerdings weniger mit populistischen Nebelkerzen, sondern mit echtem Gestaltungswillen.