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Endodontie: Viel spülen hilft viel


Oralmedizin kompakt – Update: Altbewährtes und Neues zur ­endodontischen ­Spülung

Wie bei anderen oralmedizinischen Fragestellungen gibt es zu endodontischen Spülprotokollen überwiegend produktbezogene Studien. Dies macht einen Vergleich schwierig, und bisher existieren keine systematisch entwickelten klinischen Empfehlungen. Entsprechend unterscheiden sich zum Beispiel die jeweils im Jahr 2021 publizierten Protokolle der Dubai Health Authority und der American Association of Endodontists (AAE) in einigen Details [1–3]. Letztere zitiert interessanterweise nur drei Studien, die nach 2014 publiziert wurden und kein einziges systematisches Review.

Für schnelle Leser

  • Auf systematischer Literatur­auswertung basierende klinische Empfehlungen zur endodontischen Spülung fehlen bisher.
  • Natriumhypochlorit, EDTA und CHX bilden weiterhin die Basis.
  • Neue, darunter natürliche Spüllösungen zeigen zum Teil vielversprechende Ergebnisse.
  • Großes Spülvolumen und lange Spüldauer gelten als erfolgskritisch, besonders bei Revisionen.
  • Je nach Diagnose (Vitalextirpation, Nekrose, Revision) sollte differenziert vorgegangen werden.
  • Aktivierung, zum Beispiel mit Ultraschall oder mechanischen Spülsystemen wird allgemein empfohlen.

Basis sind bei allen aktuellen Emp­fehlungen die klassischen Substanzen Natriumhypochlorit (NaOCl), der Chelator Ethylendiamin-Tetra-Essigsäure (EDTA) und Chlorhexidin (CHX). Bei ausreichend langer Spülung von insgesamt mindestens 30 Minuten und großen Spülvolumina kann eine niedrige NaOCl-Konzentration gewählt werden. Die genaue Sequenz und Spüldauer hängt auch vom Ausgangsbefund ab (siehe Kasten). So wird ein Chelator laut AAE bei stark kalzifizierten Kanälen als besonders wichtig bewertet, in Kombination mit NaOCl könnte EDTA jedoch bei dünnen apikalen Dentinstrukturen wegen möglicher Schwächung problematisch sein [2].

Empfehlungen

Prof. Dr. Michael Hülsmann, Berliner Zahnärztetag 2020

  1. Vitalexstirpation: Natriumhypochlorit für Gewebeauflösung und Desinfektion (1–3 Prozent; kein Zusatznutzen durch höhere Konzen­tration), dann EDTA 15–17 Prozent oder Zitronensäure zur Schmierfilm­entfernung, abschließend NaOCl
  2. Pulpanekrose/apikale Parodon­titis: siehe Vitalexstirpation, aber Spülzeit verlängern und medikamentöse Einlage (Kalziumhydroxid)
  3. Revision: siehe Punkt 1, danach Alkohol oder EDTA, dann Chlorhexi­din (gegen E. faecalis und Candida), abschließend Einlage Kalzium­hydroxid

Alternative Spüllösungen

Diskutiert und auch klinisch untersucht wird eine Reihe weiterer Lösungen und Kombinationen von Lösungen, darunter Etidronsäure [4]. Eine Reihe von Produkten und Substanzen auf natürlicher Basis ist nach einer in diesem Jahr publizierten Übersicht effektiv, wird aber noch nicht als Alternative zu NaOCl bewertet [5]. Die meisten Lösungen wirken sich nach einer neuen systematischen Übersicht nicht negativ auf den Mineralgehalt von Dentin aus und können insofern als biokompatibel eingestuft werden [6]. Dies steht im Widerspruch zum oben genannten Hinweis der AAE in Bezug auf fragile apikale Dentinstrukturen [3]. Zitronensäure wird als biokompatibler bewertet als das in Bezug auf Abwasser problematische EDTA [7].

Aktivierungsoptionen

Mehrere im Jahr 2023 publizier­te systematische Review-Artikel untersuchen Aktivierungsmethoden für Spülflüssigkeiten, wobei Ultraschall und Unterdruckverfahren in geraden Kanälen die besten Ergebnisse erreichen [8]. Im direkten Vergleich zeigten auch Laseraktivierung und eine Schallmethode (EDDY) ähnliche Ergebnis­se wie Ultraschall [9]. In Bezug auf das hoch problematische Bakte­rium Enterococcus faecalis wird der Laseraktivierung eine überlegene Effektivität bescheinigt [10]. Im Vergleich zu einfacher Spülung mit Spritzen reduzierte Ultraschallaktivierung Mikroorganismen effektiver [11].

Fazit

In den vergangenen zehn Jahren haben sich klinische Empfehlungen zur Wurzelkanalspülung nicht wesentlich verändert. Eine Reihe neuer systematischer Reviews lässt aber erwarten, dass Fachgesellschaften wie die European Society of Endodontology bald auf besserer Evidenz basierende und damit zuverlässigere Protokollemp­feh­lungen vorstellen werden. Das gilt zumindest für die Aktivierung von Spüllösungen, sollte aber in­dika­tionsbezogen auch für Art und Konzentration der Lösungen und die Anwendungsreihenfolge und -dauer gelten.

Dr. Jan H. Koch, Freising

Hinweis: Beiträge in der Rubrik „Oralmedizin kompakt“ können nicht die klinische Einschätzung des Lesers ersetzen. Sie sollen lediglich – auf der Basis aktueller Lite­ratur und/oder von Expertenempfehlungen – die eigenverantwortliche Entscheidungsfindung un­terstützen.

Dr. Jan H. Koch

Dr. med. dent. Jan H. Koch ist approbierter Zahnarzt mit mehreren Jahren Berufserfahrung in Praxis und Hochschule. Seit dem Jahr 2000 ist er als freier Fachjournalist und Berater tätig. Arbeitsschwerpunkte sind Falldarstellungen, Veranstaltungsberichte und Pressetexte, für Dentalindustrie, Medien und Verbände. Seit 2013 schreibt Dr. Koch als fester freier Mitarbeiter für die dzw und ihre Fachmagazine, unter anderem die Kolumne Oralmedizin kompakt.

Mitglied seit

6 Jahre 11 Monate

Literatur

[1] American Association of Endodontists; recommendation. 2011.
[2] www.aae.org/specialty/update-on-irrigation-disinfection/. 2021.
[3] Government of Dubai.; Guide­line for Endodontics, pages 57-63. 2021.
[4] Erik, C. E., et al.; Odontology 2019. 107 (2): 190-195.
[5] Susila, A. V., et al.; Clin Oral Investig 2023. 27 (5): 1831-1849.
[6] Kazeminejad, E., et al.; Eur Endod J 2023. 8 (2): 114-124.
[7] Donnermeyer D. Zahnmedizin Report 2022 (9).
[8] Kumar, R. S., et al.; Saudi Dent J 2023. 35 (1): 1-23.
[9] Chu, X., et al.; BMC Oral Health 2023. 23 (1): 155.
[10] Kurian, A. H., et al.; Lasers Med Sci 2023. 38 (1): 81.
[11] Chalub, L. O., et al.; Clin Oral Investig 2023. 27 (4): 1343-1361.