Eine zahngesunde, ausgewogene Ernährung hilft, gemeinsam mit einer sorgfältigen Zahnpflege und dem Gebrauch von Fluoriden, Kinderzähne vor Zahnerkrankungen zu schützen. Allerdings essen Kinder in Deutschland, insbesondere die 11- bis 17-Jährigen, heute signifikant weniger Gemüse als noch vor zehn Jahren. Mehr als einen halben Liter zuckerhaltige Getränke konsumieren die 3- bis 17-Jährigen im Durchschnitt pro Tag. 15,4 Prozent dieser Altersgruppe sind übergewichtig (KiGGS Welle 2, 2014–2017).
„Ich will kein Gemüse!“
Aber warum ist es so schwer, eine zahngesunde Ernährung für alle Patienten zu etablieren? Dieser Frage ging Dentalhygienikerin Luisa Winkler in dem CP-Gaba-Webinar „‚Ich will kein Gemüse!‘ – Tipps für Ernährungslenkung bei Kindern“ nach, das Mitte Februar 2023 stattfand. Winkler geht es um Ursachenbeseitigung statt Symptombehandlung. Was in frühester Kindheit an unausgewogenen Ernährungsgewohnheiten erlernt werde, setze sich häufig über das Jugend- und Erwachsenenalter fort. „Würden Sie Ihrem Haustier Gummibärchen füttern? Auch für uns Menschen ist das nicht artgerecht“, betonte sie.
Erste Geschmackspräferenzen werden bereits in der Schwangerschaft geprägt
Bereits in der Schwangerschaft und beim Stillen werden erste Geschmackspräferenzen geprägt, schließlich beeinflusst die Ernährung der Mutter den Geschmack des Fruchtwassers und der Muttermilch. Später schauen sich Kinder die Ernährungsgewohnheiten ihrer Bezugspersonen ab. DH Winkler erklärte, dass ein Kind bis zu zehn Kontakte mit (nicht süßer) Nahrung braucht, um diese zu akzeptieren und riet, nicht zu schnell aufzugeben sowie frühzeitig auf eine große Vielfalt zu setzen. Hierbei sei allerdings das gute Vorbild der Familienmitglieder wichtig: „Eltern wecken die Neugier des Kindes, wenn sie Speisen abwechslungsreich, appetitlich und kindgerecht anrichten und selbst genussvoll mitessen.“
„Wenn du aufisst, scheint morgen die Sonne“
Natürlich gibt es auch Gerichte, die ein Kind nicht mag. Winkler riet, das Kind mitentscheiden zu lassen, welches Obst und Gemüse es mag, dass die Entscheidung aber, was auf den Tisch kommt, weiterhin bei den Eltern liegt. Aus den verschiedenen Bestandteilen könne das Kind entscheiden, was und wie viel es davon essen mag. Sätze wie „Iss den Teller leer“, „Wenn du aufisst, scheint morgen die Sonne“, „Du bist zu dünn/zu dick, du musst mehr/weniger essen“, „Wenn du dein Gemüse aufisst, gibt es Nachtisch“ oder „Zur Belohnung gibt es Schokolade“ sollten vermieden werden. Prinzipiell sollte Essen nicht als Sanktion dienen: „Essen ist keine Leistung“, so die Referentin, die empfahl, auch in schwierigen Situationen keinen Druck auszuüben.
Ernährungslenkung in der Praxis
Winkler zitierte im Zusammenhang damit, dass Kinder nicht zum Essen gezwungen werden sollten, Gregory Bateson (Einführung in die systemische Pädagogik von K. L. Holtz, S. 84): „Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber man kann es nicht zum Trinken zwingen. Das Trinken ist seine Sache. Aber selbst wenn das Pferd durstig ist, kann es nicht trinken, solange Sie es nicht zum Wasser führen. Das Hinführen ist Ihre Sache.“
„Wir zwingen niemandem unsere Ideologien auf"
„Unsere Aufgabe in der Zahnarztpraxis ist es, den Eltern und den Kindern den Weg zu zeigen, Möglichkeiten zu erläutern, wie gesunde Ernährung aussehen kann. Wir geben hier aber keine dogmatischen Ratschläge“, so Winkler. Ob Eltern/Kinder die Ratschläge dann umsetzen, das sei immer deren Entscheidung. „Wir akzeptieren das, wir zwingen niemandem unsere Ideologien auf.“ Sie betonte, dass die Zielsetzung der Praxis nicht der prinzipielle Zuckerverzicht sei, sondern eine Zuckerreduzierung, die Senkung der Zuckerfrequenz und der Verzicht auf saure/süße Getränke zwischen den Mahlzeiten.
Das Wissen um gesunde Ernährung reicht laut Winkler nicht aus: „Wir brauchen eine patientenorientierte Kommunikation, die dieses Thema einfach und verständlich aufgreift und die Eltern sowie die kleinen Patienten miteinbezieht, ihnen aber auch Entscheidungsfreiheit lässt.“
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Luisa Winkler
Im Jahr 2015 verbrachte Luisa Winkler drei Monate in Indonesien und Namibia und war unter anderem für Zahnärzte ohne Grenzen (DWLF) Gruppenprophylaxe und Gesundheitserziehung aktiv. Anschließend kehrte sie in die Zahnarztpraxis zurück, schloss 2017 ihre Weiterbildung zur ZMP, 2019 zur Dentalhygienikerin und 2020 zur Ernährungsberaterin ab. Als Trainerin und Dozentin für die Swiss Dental Academy (SDA, EMS) führte sie zwei Jahre individuelle Praxisschulungen und Seminare durch. Seit Anfang 2022 ist sie nun als freie Referentin mit ihrem Unternehmen „Zahngesund Leben“ tätig und unterstützt Zahnarztpraxen dabei, Ernährungslenkung in deren Praxen erfolgreich zu etablieren.