Dr. Susanne Fath ist niedergelassene Zahnärztin in Berlin und Präsidentin von Dentista e.V. – Verband der Zahnärztinnnen. Die dzw sprach mit ihr über Frauen in der Standespolitik, die dringlichsten Themengebiete aus Sicht der Zahnärztinnen und eine Vereinsfusion, die keine war. Die Fragen stellte Dr. Helge David.
Frau Dr. Fath, Ihr Verband hat jüngst sein Grundsatzprogramm veröffentlicht. Wo liegen Ihre Schwerpunkte?
Dr. Susanne Fath: Ja, das ist richtig – als Verband haben wir uns neu aufgestellt, die letzten Monate waren diesbezüglich sehr intensiv. Nun war es an der Zeit, mit einem Grundsatzprogramm die Eckpfeiler unserer Ziele, unserer Vision eines modernen Zahnärztinnen-Verbands zu formulieren und auch nach außen zu tragen. Basis dieses Grundsatzprogramms sind zehn Kernthemen, die die Weichen für die Zukunft aufzeigen: Die Sicherung der Rahmenbedingungen für freiberufliche Praxisausübung, Beratung und Hilfestellung bei allen Fragen rund um die Mutterschaft, den Aufbau eines Vertretungsnetzwerks, die Berücksichtigung der Belange Alleinerziehender, Parität in den zahnärztliche Gremien, der Erhalt der berufsständischen Versorgungswerke, eine erneute Beleuchtung der Notdienstregelungen, die Sicherung der Qualität in der fachzahnärztlichen Weiterbildung, das Engagement und die Förderung geschlechterspezifischer Forschung sowie die Ausweitung der internationalen Arbeit. All diese Punkte bilden die Arbeitsgrundlage der kommenden Jahre, vermutlich Jahrzehnte. Sie sind also unsere Dentista-DNA, wenn Sie so wollen.
Standespolitische Arbeit von Kolleginnen neben Praxis und Familie ermöglichen
Und welches Thema steht ganz oben?
Fath: Eine Vielzahl der Fragen, die unsere Mitglieder an uns richten – und die an uns auch über die sozialen Medien von zahlreichen Kolleginnen herangetragen werden – betreffen tatsächlich die Mutterschaft. Schwangerschaft, Beschäftigungsverbote, Elternzeit, Kündigungsschutz, Vertretungsnetz – eigentlich jede Praxis ist mit diesen Herausforderungen konfrontiert. Für uns als Verband ist es wichtig, die Balance zu wahren zwischen den berechtigten Interessen der Arbeitgeber/-innen und denen der angestellten Kolleginnen und Mitarbeiterinnen – wobei immer über allem der Schutz des Kindes stehen muss. Wir setzen uns hier für ein faires Miteinander in den Praxen ein – schließlich kann und sollte ein gutes Arbeitsverhältnis vor und nach der Geburt eines Kindes Bestand haben. Dies erfordert Verständnis auf beiden Seiten.
Die Fusion von Dentista e.V. mit dem VdZÄ ist ja nicht ganz geräuschlos vonstatten gegangen, es hat mit dem vzä+ eine Ausgründung gegeben. Wie ist der derzeitige Stand der Vereinsfusion?
Fath: Ich darf Sie hier korrigieren, lieber Herr David, der vzä+ ist keine Ausgründung von Dentista, es gab auch keine Vereinsfusion. Vielleicht wurde dieser Prozess im vergangenen Jahr nicht immer ganz klar in der Öffentlichkeit dargestellt. Erlauben Sie mir deshalb einen kurzen Abriss: Der Verband Dentista e.V. besteht schon seit 2007, im Jahr 2018 hat sich mit dem Verband der ZahnÄrztinnen (VdZÄ) ein zweiter, rein standespolitisch ausgerichteter Verband gegründet – als Ausgründung und Schwesternverband des Dentista e.V. Sehr bald war jedoch klar, dass wir alle mehr erreichen können, wenn wir geeint in einem Verband agieren – zumal die meisten VdZÄ-Mitglieder ohnehin auch bei Dentista organisiert waren. Der Auftrag unserer Mitglieder lautete, die Ausrichtung des Dentista e.V. um die standespolitische Komponente zu ergänzen und dies auch in der Namensgebung (Dentista e.V. – Verband der ZahnÄrztinnen) nach außen zu tragen – unsere Mitgliederversammlung fasste im Mai 2019 den entsprechenden Beschluss. Der VdZÄ hat die Liquidation beantragt, die im Sommer nun auch abgeschlossen wurde. Der von Ihnen angesprochene Verband vzä+, der sich nun erst kürzlich neu gegründet hatte, hat hier eine etwas andere Ausrichtung, die Kolleginnen waren mit einer eigenen Liste sehr erfolgreich bei der Kammerwahl in Nordrhein angetreten.
Sie streben die Parität in den Vertretungen der zahnärztlichen Gremien an. Wie wollen Sie das umsetzen?
Fath: Ja, die Parität in den zahnärztlichen Gremien ist tatsächlich eines unserer Kernarbeitsgebiete – und natürlich ist uns vollkommen klar, dass wir dieses Ziel nicht schon nächstes Jahr erreicht haben werden. Dennoch: Dass die Anzahl der Zahnärztinnen im Berufsstand beständig ansteigt, ist ja nun kein Geheimnis. Sollten denn nicht die Gremien, die unseren Berufsstand vertreten, auch ein Spiegel dieser Entwicklung sein? Genau hierfür setzen wir uns ein, nur so können die Belange der Basis auch in den Gremien und Körperschaften Gehör finden – und letztlich auch authentisch vertreten werden. Dasselbe gilt unserer Auffassung nach auch für den Altersdurchschnitt in diesen Gremien. Konkret bedeutet das für uns: Wir mischen uns ein, müssen gemeinsam Rahmenbedingungen schaffen, die eine standespolitische Arbeit neben Praxis und Familie für die Kolleginnen möglich machen. Und wir stellen nach und nach bei den bundesweiten Kammer-Wahlen Listen auf, um auf die angestrebte Parität hinzuarbeiten.
In welchem Zeithorizont soll das geschehen? Und wird das ohne Quote gehen?
Fath: Wenn Sie mich nach dem Zeithorizont fragen: So schnell wie möglich, es ist schon lange überfällig! Realistisch betrachtet werden wir jedoch noch die eine oder andere Wahl mehr benötigen, bis dieses Ziel erreicht ist. Dennoch: Der Prozess muss jetzt in Gang gebracht werden. Und ja, wir setzen hier auf die Gesetze der Demokratie: Wenn wir Zahnärztinnen uns zur Wahl stellen, können und werden wir auch die Sitze in den Gremien gewinnen.
Bei den Rahmenbedingungen der Berufsausübung lehnen Sie Investoren-ZMVZ ausdrücklich ab. Wie sehen Ihre Alternativen dazu aus, bieten doch diese ZMVZ gerade für angestellte Zahnärztinnen oft ein flexibles Arbeitsumfeld?
Fath: Möglicherweise scheint dies auf den ersten Blick so zu sein. Bei genauerem Hinsehen wird schnell klar, dass von fachfremden Investoren betriebene ZMVZs dauerhaft kontraproduktiv für die individuelle Arzt-Patienten-Beziehung sein müssen. Investoren wollen Gewinne maximieren, das ist ein Gesetz des freien Marktes. Das widerspricht jedoch klar unserer berufsethischen Auffassung, die die individuell richtige medizinische Diagnose und Therapie in den Fokus unseres zahnärztlichen Wirkens stellt. Dass also die für den Patienten beste Therapie nicht zwangsläufig auch die mit der höchsten Gewinnspanne ist. Dabei ist es mir aber wichtig, klar zu differenzieren: Wir sprechen uns gegen die Investoren-ZMVZs aus. ZMVZs, die durch Kollegen gegründet und betrieben werden, können in der Arbeitswelt von heute und morgen durchaus eine berechtigte Alternative zur Niederlassung in eigener Praxis bieten.
Lassen Sie uns nochmals auf das Thema Mutterschaft / Mutterschutz kommen: Die geltenden Mutterschutzregelungen sind derzeit für Zahnärztinnen eine hohe Hürde, als Arbeitgeberin und als Arbeitnehmerin. Wie können Abläufe in Zahnarztpraxen optimiert werden, um schwangeren und stillenden Zahnärztinnen ein Arbeiten zu ermöglichen?
Fath: Ja, da bin ich tatsächlich bei Ihnen – gerade in kleineren Praxisstrukturen kann das vorgeschriebene Beschäftigungsverbot einer angestellten schwangeren/stillenden Zahnärztin zu massiven Problemen und Unwägbarkeiten führen. Das ist für beide Seiten nicht einfach. Zudem gibt das Gesetz aufgrund fehlender Klärung in vielen Fällen keine konkrete Hilfestellung für ArbeitgeberInnen und schwangere/stillende Zahnärztinnen.
Wir setzen hier an verschiedenen Stellen an: Einerseits bringen wir diese Problemfelder in der Gesundheits- und Familienpolitik auf Bundesebene ein und sind in den relevanten Ausschüssen und Arbeitsgruppen präsent. Andererseits überarbeiten wir zurzeit unseren Ratgeber „Schwangerschaft“, um ganz konkret rechtskonforme Antworten auf die vielen Fragen von schwangeren/stillenden angestellten Zahnärztinnen und deren ArbeitgeberInnen, aber auch der selbständigen schwangeren/stillenden Zahnärztin zu geben.
Nun noch eine Frage in eigener Sache. Wir in der dzw diskutieren gerade über das sprachliche Gendern in unseren Beiträgen. Sind Sie für oder gegen das Gendern? Welche Sprachregelung würden Sie bevorzugen?
Fath: Ich glaube, dass es hier kein klares „dafür“ oder „dagegen“ geben kann. Manchmal entstehen durch das Gendern Wortkonstrukte, die nicht gerade dem besseren Verständnis des Inhalts dienen. Deshalb ist meine persönliche Meinung: Gendern immer gerne dann, wenn es die deutsche Sprache bzw. der Duden hergibt, z.B. Studierende (anstatt Studenten), Zahnmediziner (anstatt Zahnärzte), evtl. Teilnehmende. Solche zwanghaften Formulierungen wie Mitgliederinnen gehen meiner Meinung nach einfach am Kern der Sache vorbei – und führen ein an sich berechtigtes Interesse ad absurdum.