Rund 73 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland sind derzeit vollständig geimpft. Gut 43 Prozent haben bereits eine Auffrischungsimpfung erhalten.
Die Impfpflicht-Kontroverse mit Statements von BZÄK, KZBV, DGZMK, FVDZ
Ab dem 15. März 2022 gilt eine einrichtungsbezogene Impflicht, damit müssen alle Beschäftigte etwa in Kliniken, Arzt- und Zahnarztpraxen, sowie in Pflegeheimen vollständig geimpft oder genesen sein oder ein ärztliches Attest vorlegen, dass sie nicht geimpft werden können. Doch ein Ende der Pandemieist noch nicht wirklich in Sicht. Nun wird politisch diskutiert, was lange politisch kategorisch ausgeschlossen wurde: die allgemeine Corona-Impfpflicht.
Impfpflicht-Debatte oder Impfpflicht-Debakel?
Bundesgesundheitsministe Prof. Dr. Karl Lauterbach sagte am 13.
Januar 2022 im Deutschen Bundestag: „Daher ist für mich der sicherste und schnellste Weg aus der Pandemie heraus die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht in Deutschland. Die Impfpflicht ist medizinisch geeignet. Die Frage ist, ist sie auch moralisch zu vertreten? Aus meiner Sicht kann man es wie folgt bewerten: Wer sich dem Impfangebot verweigert, verletzt sogar das moralische Gebot des kategorischen Imperativs im Sinne von Immanuel Kant. Eine solche Verweigerung könnte nie die Maxime des Handelns für uns alle sein. … Mit der Kombination einer wirkungsvollen Impfung für alle Erwachsenen und einer ebenfalls wirkungsvollen medikamentösen Therapie derjenigen, die trotz Impfung einen unvermeidlichen schweren Krankheitsverlauf erfahren, haben wir eine realistische, maßvolle Möglichkeit, die Pandemie zu beenden. Diese Möglichkeit sollten wir dringend ergreifen.“
Nicht alle teilen diese Lauterbach- Meinung. Schon bei den Ampelparteien der Bundesregierung ist eine allgemeine Impfpflicht innerhalb der einzelnen Parteien durchaus umstritten. Eine eigene Mehrheit wäre nicht sicher. Daher soll ein Gesetzentwurf überparteilich aus der Mitte des Bundtages erfolgen. Die FDP ist grundsätzlich eher gegen diesen staatlichen Eingriff. Der gerne laut meinungsstarke FDP-Politiker Wolfgang Kubicki hat bereits einen Antrag gegen eine allgemeine Impfpflicht ins Parlament eingebracht. Die CDU/CSU-Fraktion will erst einen Antrag für eine Impfpflicht ab 50 einbringen – dann doch nicht. Die AfD ist sowieso dagegen, ist ein Gutteil der AfD-Abgeordneten scheinbar auch selbst nicht geimpft. Nur die Linke hat sich in einem Beschluss des Parteistandes eindeutig für eine Impfpflicht ausgesprochen.
Viele Ärztevertreter, viele Meinungen
Auch bei den Körperschaften und den Verbänden der Ärzteschaft herrscht lautstarke Kakophonie. Am weitesten aus dem Fenster gelehnt hat sich frühzeitig der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen, der nun noch einmal dramatisch nachlegte. „Wir werden unseren Ärzten nicht zumuten, eine Impfpflicht gegen den Willen der Patienten zu exekutieren“, sagte Gassen der „Bild-Zeitung“. „Die Praxen sind kein Ort, um staatliche Maßnahmen durchzusetzen, sondern leben vom Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient.“
Andere Ärzteverbände reagierten teils spöttisch auf Gassens Vorstoß. Der Bundesvorsitzende des Virchowbundes, Dr. Dirk Heinrich, ätzt zurück: „Die Durchsetzung einer Impfpflicht ist eine hoheitliche Aufgabe und keine Angelegenheit der Praxisärzte. Sie wird über Kontrollen durch Ordnungskräfte und über Bußgelder sanktioniert werden. Konstruierte Konstellationen wie jene der KBV-Vorsitzenden sind weder richtig noch zielführend und sie verdecken ein fehlendes Mandat für eine solch weitreichende Positionierung durch die KBV-Gremien. “
„Kein Mensch wird bei einer allgemeinen Impfpflicht in Praxen oder Impfzentren zwangsgeimpft werden. Das ist eine Selbstverständlichkeit“, stimmt Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, ein.
Auch der Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten (BDI) höhnt auf Twitter: „Meine Güte, Herr Gassen @kbv4u!! Wer berät Sie eigentlich kommunikativ? ‚Gegen den Willen der Patienten‘? Es wird keinen Impfzwang geben! Bei einer Impfplicht sind die Ärzt:innen auch nicht diejenigen, die sie umsetzen. Wir impfen/beraten alle Patient:innen, die es wollen. Fertig.“
In der Debatte über eine Impfpflicht hat Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt vor einem Impfzwang gewarnt. Wer den Impfnachweis nicht erbringe, müsse mit Restriktionen rechnen „Er darf aber nicht zur Impfung gezwungen werden. Dies würde auch dem ärztlichen Berufsethos fundamental widersprechen“, sagte Reinhardt dem Magazin „Der Spiegel“. Eine verfassungsrecht-lich gut abgesicherten und gesellschaftlich tragfähigen allgemeinen Impfnachweispflicht sei eine „Ultima Ratio“, die in der Abwägung zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen und dem Gesundheitsschutz gerade vulnerabler Gruppen gerechtfertigt sein könne.
Aus den Reihen der Zahnärzteschaft war bislang zum Thema Impfpflicht recht wenig zu hören. Die dzw hat nachgefragt und folgende Antworten erhalten.
BZÄK, KZBV, DGZMK-Statement
„Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) begrüßen eine baldmögliche Entscheidung zur allgemeinen Impfpflicht, damit für alle Beteiligten Klarheit geschaffen wird und die bestehenden Unsicherheiten, mit denen Praxen zu kämpfen haben, möglichst gut zu bewältigen sind. Eine abschließende Beurteilung ist erst dann möglich, wenn die genaue gesetzliche Ausgestaltung bekannt ist.
Eine allgemeine Impfpflicht kann durch eine erhöhte Immunisierung der Gesamtbevölkerung den Schutz von besonders vulnerablen Patientengruppen wie ältere oder pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit einer Beeinträchtigung erhöhen und insgesamt einen schnelleren Weg für alle aus der Pandemie und den mit ihr einhergehenden Beschränkungen ebnen.
Zudem könnte eine solche Impfpflicht dazu beitragen, bestehende Herausforderungen und Probleme zu bewältigen, die manche Zahnarztpraxis mit der derzeit einrichtungsbezogenen Impfpflicht hat. Mit einer allgemeinen Impfpflicht würden sich zum Beispiel Praxisteams nicht mehr benachteiligt und zurückgesetzt fühlen, die die schon immer überdurchschnittlich hohen Hygienestandards in Zahnarztpraxen auch in Pandemiezeiten erfolgreich aufrechterhalten haben. Auch etwaige Wechsel von Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) in andere Berufe, in denen keine einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt, werden durch eine allgemeine Impfpflicht in der Regel hinfällig.
Die anhaltenden und zum Teil auch kontrovers geführten Diskussionen im politischen und gesamtgesellschaftlichen Raum um die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht zeigen, dass sich alle handelnden politischen Akteure eine Entscheidung bei diesem Thema alles andere als leicht machen – zu Recht, denn eine allgemeine Impfpflicht ist und bleibt – unabhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung – in jedem Fall ein erheblicher Eingriff in das persönliche Selbstbestimmungsrecht und das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Ein solcher Schritt muss in seiner Wirkung und in allen seinen Konsequenzen daher gründlich diskutiert, durchdacht und abgewogen werden, um dann letztendlich in der Umsetzung ein Maximum an gesellschaftlicher Akzeptanz zu erreichen.“
FVDZ-Statement
„Der Freie Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ) sieht die Impfung gegen SARS-CoV-2 als das wichtigste Instrument auf dem Weg aus der Corona-Pandemie. Es gibt viele sehr gute Gründe, sich impfen zu lassen – zum eigenen Schutz, zum Schutz vulnerabler Menschen und, sofern sich eine ausreichende Zahl impfen lässt, dann auch zum Schutz aller anderen. Vollständig Geimpfte sind zudem mit großer Sicherheit davor geschützt, schwer an COVID-19 zu erkranken oder gar daran zu versterben. Als Freier Verband Deutscher Zahnärzte setzen wir aber weiterhin vor allem auf Information, Aufklärung und Überzeugungsarbeit, damit die Einsicht in die Fakten zu einer freiwilligen Teilnahme an der Impfung führt.
Darum haben wir die Impfkampagne frühzeitig aktiv unterstützt und eigene Wartezimmerplakate entworfen, die wir bereits seit Monaten allen Praxen zur Verfügung stellen. Die Aufforderung zum Impfen kann nach Auffassung des FVDZ immer nur ein Appell an die Vernunft und den gesunden Menschenverstand des Einzelnen sein. Eine gesetzliche Verpflichtung, sich gegen SARS-CoV-2 impfen zu lassen, ist ein schwerwiegender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und verfassungsrechtlich nur dann gerechtfertigt, wenn zuvor alle anderen Mittel ausgeschöpft sind. In der aktuellen Situation ist zudem zu befürchten, dass die aufgerissenen Gräben in unserer Gesellschaft dadurch weiter vertieft werden.
Eine selektive Impfverpflichtung (zum Beispiel für Menschen 50+, wie jetzt von Teilen der FDP ins Feld geführt) hält der FVDZ ebenfalls für wenig zielführend. Sollte die Einführung einer Impfpflicht als unumgänglich angesehen werden, müsste sie konsequenterweise für alle diejenigen gelten, die nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission geimpft werden können.
Auch die bereits bestehende Impfverpflichtung für Mitarbeitende in den Praxen, die von Mitte März an gilt, sieht der FVDZ kritisch. Dank hoher Hygienestandards und seit vielen Jahren etablierter Schutzmaßnahmen für Patienten und Behandelnde, finden in Zahnarztpraxen faktisch keine Übertragungen von Infektionskrankheiten statt. Alle in Zahnarztpraxen Tätigen nun qua Gesetz als Risikogruppe zur Infektionsausbreitung einzustufen, ist für den FVDZ schwer nachvollziehbar – unabhängig davon, dass wir die Impfung für alle Personen, bei denen keine medizinische Kontraindikation vorliegt, für richtig halten. Allerdings sollte auch hier der Grundsatz ‚Überzeugung statt Zwang‘ gelten.
Derzeit gibt es parteiübergreifend Befürworter und Skeptiker einer Impfpflicht – beide Seiten haben gute Argumente. Auch die Mitglieder des Deutschen Ethikrates sind in der Frage einer Empfehlung für eine Verpflichtung zur Impfung nicht einer Meinung. Im Deutschen Bundestag wird Ende Januar eine erste Orientierungsdebatte zu dieser Frage stattfinden. Die Parteien haben angekündigt, den Fraktionszwang aufzuheben und jeden Abgeordneten nach seinem Gewissen entscheiden zu lassen. Auf diese Entscheidung dürfen wir gespannt sein.“