Lange Zeit hat die Politik Investoren Tor und Tür zum Gesundheitswesen hierzulande weit aufgehalten. Und sie sind gekommen.
Investoren-MVZ: Positionspapier der BÄK und eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion
Knapp 290 Milliarden Euro betrugen die Ausgaben allein der GKV im Jahr 2022. Da wundert es wenig, dass hier und da die Dollarzeichen der Begehrlichkeiten in manchen Augen ins Leuchten kommen. Für Investoren in Zeiten von Krisen – und davon haben wir reichlich – ein sicherer Hafen steten Geldflusses.
Doch nun – hoppala – hat Prof. Dr. Karl Lauterbach, unser Bundesgesundheitsminister, befunden, dass nicht alle Mitspieler im Gesundheitswesen nur mit lauteren Absichten agieren. Markig kündigte er in der „Bild am Sonntag“ an: „Ich schiebe einen Riegel davor, dass Investoren mit absoluter Profitgier Arztpraxen aufkaufen“ und er werde im ersten Quartal 2023 einen Gesetzentwurf vorlegen, „der den Einstieg dieser Heuschrecken in Arztpraxen unterbindet“. Differenzierter geht es wohl nicht.
Positionspapier der BÄK
Auf 26 Seiten werden nun die „Positionen der Bundesärztekammer zum Regelungsbedarf für Medizinische Versorgungszentren zur Begrenzung der Übernahme von MVZ durch fachfremde Finanzinvestoren und zur Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen und umfassenden ambulanten Versorgung“ vorgestellt. Im Wesentlichen sind die hier vorgetragenen Positionen nicht neu oder speziell originell, aber sie enthalten sogar Formulierungen, wie die bestehenden Gesetzestexte modifiziert werden müssten, um die formulierten Positionen auch umzusetzen. Das wird die politische Wirksamkeit voraussichtlich erhöhen.
Wie positioniert sich nun die Bundesärztekammer? Sie fordert zuallererst die „ausschließliche Zulassung fachübergreifender MVZ“. Erst das unter Minister Hermann Gröhe 2015 eingeführte GKV-Versorgungsstärkungsgesetz hat fachgleiche MVZ ermöglicht und damit einen wahren MVZ-Boom ausgelöst. Vermutlich aber nicht ganz so wie gewollt. In der Folge entstanden viele auf
lukrative Leistungen ausgerichtete MVZ – das ist gerade auch für Investoren eine interessante Entwicklung. Heute haben Patienten vielerorts in der Augenheilkunde und Radiologie kaum mehr eine Alternative zu MVZ-Kette und investorenbetriebenen MVZ.
Konkrete Maßnahmen formuliert
Weiter fordert die BÄK den örtlichen wie fachlichen Bezug des Krankenhauses zum MVZ. So soll eine weitere Spaßbremse für allzu profitorientierte Unternehmer eingeführt werden. Derzeit werden auch Kapitalinvestoren durch den Erwerb eine x-beliebigen Krankenhauses in der Republik im ganzen Land MVZ-gründungsberechtigt. Hoch hängt die Hürde derzeit also nicht.
Rechtlich spannender ist die Forderung nach „Auslaufen der Bestandschutzregelungen“ in zehn Jahren. Prof. Dr. Ulrich Wenner, Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht a.D., kommt auf „Gesundheitsrecht.blog“ zu dem Schluss, dass eine nach Beseitigung der geschaffenen MVZ-Strukturen gesetzlich nicht möglich sei, da sie im Einklang mit geltendem Recht geschaffen wurden. Es folgen noch weitere Positionen wie etwa die „Begrenzung von Marktanteilen“ und die „Transparenz über Inhaberschaft“, die regulatorische Wirkung entfalten sollen. Das Positionspapier der BÄK trifft jedenfalls auf Lauterbachs Zeitgeist. Welche konkreten Auswirkungen das angekündigte „Heuschrecken“-Gesetzhaben wird, bleibt abzuwarten.
MVZ-Interessensvertreter natürlich empört
Die diversen MVZ-Bundesverbände reagierten prompt auf Lauterbachs „Heuschrecken“-Theorie. Susanne Müller, Geschäftsführerin vom Bundesverband medizinischer Versorgungszentren, spricht im „Oberserver 4.0“ von „MVZ-Mobbing“ und „gefühlter Evidenz“. Der Bundesverband Medizinische Versorgungszentren – Gesundheitszentren – Integrierte Versorgung e.V. sieht in der MVZ-Debatte einen „Anschlag auf die Sachlichkeit“. Die Vorsitzende des Bundesverbands der Betreiber medizinischer Versorgungszentren e. V., Sibylle Stauch-Eckmann, sieht in der Wortwahl „Heuschrecken“ puren Populismus: „Um Fehlentwicklungen im ambulanten Bereich zu vermeiden, hilft es nicht, diese an den Inhabern oder Trägern der MVZ-Gruppen als Sündenböcken festzumachen“.
Kleine Anfrage – kleine Antwort
Interessanterweise stellt die Fraktion der CDU/CSU eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung nach den „Auswirkungen investorengetragener Medizinischer Versorgungszentren auf das Gesundheitssystem in Deutschland“, sind doch etliche Gesetzte, die den Einstieg von Investoren in das Gesundheitssystem zumindest nicht entscheidend einschränken, unter CDU-Gesundheitsministern beschlossen worden. Aber heute ist Opposition und gerade scheinen besonders die zahnärztlichen Standesvertreter, hier eine offene Tür gefunden zu haben.
In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage bleibt die Bundesregierung jedenfalls deutlich hinter Lauterbachs lauter Ankündigung zurück (BT-Drucksache 20/5166). Auf die Frage „Welche Effekte beziehungsweise Auswirkungen auf die Versorgungsqualität der Leistungserbringung durch iMVZ sind der Bundesregierung bekannt?“, antwortet sie: „Der Bundesregierung liegen keine ausreichenden Erkenntnisse zur Beantwortung der Frage vor“ und „Das BMG beabsichtigt, einen Vorschlag zur weiteren Regulierung von MVZ zu erarbeiten.“ Wie weit der gehen wird, bleibt unklar. Jedenfalls heißt es noch von der Bundesregierung: „Der Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz vom 22. und 23. Juni 2022 beinhaltet die Bitte an das BMG, auch im Bereich des Berufsrechts Regelungen zu treffen, mit denen Fremdinvestoren mit ausschließlichen Kapitalinteressen von der Gründung und dem Betrieb ärztlicher und zahnärztlicher MVZ ausgeschlossen werden. Aus Sicht des BMG bestehen erhebliche Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für derartige Regelungen.“
Eine kleinlaute Antwort nach einer lautstarken Ankündigung.
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