Gesundheitspolitische Entscheidungen stellen zahlreiche Praxen immer wieder vor Herausforderungen. Ein Beispiel ist die PAR-Richtlinie, die 2021 als vorbildliche und wissenschaftlich abgesicherte Strategie gegen die Volkskrankheit Parodontitis eingeführt wurde. Diese wegweisende Behandlungsstrecke als Teil des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung wurde dann im Sommer 2022 im Zuge des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes „kassiert“. Seit dem sind die Leistungen der PAR-Therapie, obwohl anders versprochen, wieder der Budgetierung unterworfen.
PAR-Budgetierung: Und nun?
Der Budgetdeckel in der PAR-Behandlung und die damit verbundenen Unsicherheiten bereiten vielen Praxen planerisch und abrechnungstechnisch Probleme. Die dzw hat deshalb in der BFS-Loge im Signal Iduna Park in Dortmund mit Janine Schubert, Director Erstattungsservice Zahnärzte/MKG bei BFS health finance, gesprochen. Als gelernte Prophylaxeassistentin und studierte Betriebswirtin kennt Janine Schubert die Zahnarztpraxis sowohl aus behandelnder wie auch aus wirtschaftlicher Perspektive. Seit 20 Jahren ist sie im Bereich Abrechnung und Gebührenrecht aktiv. In ihrer Funktion bei BFS health finance berät sie gemeinsam mit ihren 65 Mitarbeiterinnen Zahnärztinnen und Zahnärzte in ganz Deutschland bei allen Fragen rund um die externe Abrechnung und den Erstattungsservice. Im ersten Teil waren Analogleistungen das Thema, im zweiten Teil des Gesprächs (zum Videointerview geht's hier) wollten wir von ihr wissen, was hinter dem im Dezember 2022 beschlossenen Budgetdeckel steckt und was das konkret für die Praxen bedeutet.
BFS- & dzw-Marktumfrage
Um die Herausforderungen und die Erwartungen der Zahnarztpraxen an Hilfestellungen einordnen zu können, führen wir gemeinsam mit BFS eine Umfrage durch. Dazu bitten wir Sie um Ihre Mithilfe, indem Sie uns Ihre wichtigsten Anliegen nennen. Die Umfrage erreichen Sie unter dzw.de/klartext-umfrage.
Janine, bei unserem letzten Treffen ging es um Analogleistungen. Heute sprechen wir über das Thema Budgetdeckel. Was bedeutet Budgetierung auf bestimmte Leistungen?
Janine Schubert: Beziehen wir das Ganze doch einfach mal auf den Bereich PAR-Abrechnung. Dort haben wir mit der Einführung der neuen PAR-Richtlinie zum 1. Juli 2021 aus wirtschaftlicher Sicht eine sehr positive Entscheidung für die Praxen – und die Patienten – erlebt. Wir hatten mit der neuen PAR-Richtlinie plötzlich eine Leistung, die als extrabudgetäre Leistung eingeordnet wurde, also keinem Budgetzwang unterlag. Eine Leistung, die deutlich besser bewertet war als in den Jahren zuvor, kombiniert mit einer Leistungsbewertung, die der Behandlung entspricht – und zwar einer Behandlung, die medizinisch/zahnmedizinisch den state of the art abbildete.
Heute stehen die Praxen durch die Wiedereinführung der Budgetierung, die sich auf den Bereich PAR bezieht, vor großen Herausforderungen. Sie sehen sich mit der Frage konfrontiert, wie viel Geld ihnen für die Behandlung eigentlich zur Verfügung steht. Oder im Umkehrschluss: Das, was ich als Praxis im vergangenen Jahr an PAR-Leistungen abgerechnet habe – das sogenannte Ausgabevolumen –, steht mir auch in diesem Jahr wieder zur Verfügung. Eine ganze Reihe von KZVen hat zu diesem Thema gute Online-Seminare mit wertvollen Empfehlungen angeboten. Ich empfehle den Praxen deshalb, alle Informationen, die ihre KZV momentan zum Thema Budgetierung anbietet, genau anzuschauen.
Klartext
Unter dem Motto „Klartext“ sind BFS health finance als Factoring- und Abrechnungsspezialist und die dzw – Die ZahnarztWoche eine Medienpartnerschaft eingegangen. Ziel der Kooperation ist es, angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen 2023 Strategien und Lösungen zu entwickeln, die Zahnarztpraxen helfen sollen, auch in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld erfolgreich zu sein. Mehr unter meinebfs.de/klartext
Also gibt es je nach KZV unterschiedliche Budgetregelungen?
Janine Schubert: Ja, das ist richtig. Wenn ich mich mit meinem zahnärztlichen Kollegen unterhalte, dessen Praxis in einem anderen KZV-Gebiet liegt, dann kann er durchaus anderen Regelungen unterworfen sein. Nehmen wir als Beispiel Bayern. Die KZV Bayern hat die Vorgabe gemacht, dass sie das PAR-Budget in Leistungen nach PAR1 und nach PAR2 einordnet. PAR1 umfasst alle Leistungen rund um das Thema AIT, PAR2 alle Leistungen rund um die UPT. Es gibt also einmal einen Euro-Betrag für den Fall PAR1 und einmal einen für den Fall PAR2.
In Westfalen-Lippe gibt es dagegen ein behandlerbezogenes PAR-Budget. Ein Beispiel: Wenn ich im vergangenen Jahr 36.000 Euro an PAR-Leistungen abgerechnet habe, stehen mir auch in diesem Jahr wieder diese 36.000 Euro zur Verfügung. Wir alle wissen aber, dass sich eine Behandlungsstrecke über zwei Jahre erstreckt. Das heißt, Patienten, die heute in der Praxis behandelt werden, kommen nächstes und übernächstes Jahr in die UPT. Kommen dann weitere Patienten hinzu, wird das ursprüngliche Volumen von 36.000 Euro vielleicht nicht mehr ausreichen. Die Folge: Ich bekomme die Behandlung dieser Patieten nicht mehr zu 100 Prozent bezahlt. Insofern ist es für jede Praxis wichtig zu wissen, wie hoch ihr Budget ist und welche Leistungen ihr zur Verfügung stehen. Sie müssen im Jahresverlauf genau beobachten, wo sie tatsächlich stehen.
2021 hieß es aber explizit, dass es keine budgetäre Begrenzung gibt. Es wurde empfohlen, die zur Verfügung gestellten Möglichkeiten auszuschöpfen. Heute müssen Praxen also wieder mit Budgets haushalten?
Janine Schubert: Ursprünglich war die PAR-Behandlung extrabudgetär. Dann wurde mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz die Budgetierung wieder eingeführt – nicht nur für den konservierend-chirurgischen Bereich, sondern auch für den parodontologischen Bereich. Wenn ich als Zahnarzt mit Kassenzulassung einen Patienten habe, der aufgrund seiner Taschentiefen therapiebedürftig ist, kann ich die Parodontitisbehandlung aber auch nicht einfach privat erbringen, denn der Patient hat ja einen Anspruch auf die Sachleistung.
Vier Wege aus der Budgetierung – Teil 1 PAR & UPT
Es ist DAS Thema in Deutschlands Zahnarztpraxen: Die im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz enthaltene strikte Budgetierung für 2023 und 2024!
Dazu gibt es viele Fragen: Wie kannst du jetzt Schadensbegrenzung betreiben? Welche Weichen sollten in der Praxis gestellt werden, um weiterhin erfolgreich behandeln zu können? Antworten geben die kostenlosen BFS-Online-Seminare. Näheres zu Inhalten und Anmeldung gibt es unter meinebfs.de/veranstaltungen/
Wie können die Praxen denn überhaupt verlässlich einschätzen, für wie viele Patienten das Budget reichen wird? Wir sprechen ja von einer mindestens zweijährigen Behandlungsstrecke inklusive der Option, die Behandlung gegebenenfalls darüber hinaus zu verlängern.
Janine Schubert: Diese Bewertung treffe ich aber erst nach Abschluss der eigentlichen UPT. Vorher kann ich das in der Praxis gar nicht berücksichtigen. Zunächst steige ich in die initiale Therapie ein. An diese AIT schließt sich die Befundevaluation an, womit dann die UPT-Strecke beginnt – mit dem entsprechenden Recall-Intervall, je nachdem, ob es sich um eine Parodontitis Grad A, B oder C handelt. Am Ende der UPT beurteile ich dann, ob der Patient gegebenenfalls eine UPT-Verlängerung braucht oder nicht. Die Behandlung selbst erstreckt sich also unter Umständen über mehrere Jahre. Der Maßstab für die Größe des Geldtopfs, der mir zur Verfügung steht, stammt aber aus dem Jahr 2022. Für Zahnärzte in Westfalen-Lippe hat die KZV eine sehr schöne Grafik erstellt, aus der deutlich hervorgeht, wo der Budgetdeckel einer Beispielpraxis liegt und was an PAR-Leistungen aufgrund der Laufzeit der Behandlung darüber hinausgeht.
Das bedeutet, die wahre Herausforderung liegt weniger im zahnmedizinischen Bereich, sondern vielmehr im Bereich Abrechnung?
Janine Schubert: Ja, es ist tatsächlich viel stärker ein wirtschaftliches Thema. Wir haben einen Budget-Topf, der endlich ist. Ist die Geldmenge im Topf erschöpft, bekomme ich die Leistung nicht mehr bezahlt, obwohl sie erbracht wurde und obwohl meine Praxiskosten entsprechend weiter laufen.
Was bietest Du als Abrechnungsexpertin der BFS mit Deinem Team den Praxen an zusätzlicher Unterstützung an?
Janine Schubert: Die Herausforderung für die Praxen liegt darin, dass wir 17 unterschiedliche KZVen mit 17 unterschiedlichen Regelungen haben. Da unsere Kunden über ganz Deutschland verteilt sind, gehen wir selbstverständlich auf deren spezielle Bedürfnisse ein. Dazu bieten wir als BFS eine Reihe von Online-Seminaren und informieren auf unserer Website meinebfs.de
Im nächsten Teil geht es um das Thema Inflation. Paul Sobottka sprach dazu mit einem Finanzexperten Stefan Lehmann, Koordinator der Berliner Sparkasse für das Thema Heilberufe, über die Perspektive aus Bankensicht.
Alle Teile der dzw-Serie „Klartext“ finden Sie hier:
Teil 1: „Klartext – der Zukunft einen Schritt voraus“ – Teil 1
Teil 2: „Klartext – der Zukunft einen Schritt voraus“ – Teil 2
Teil 3: „Klartext – der Zukunft einen Schritt voraus“ – Teil 3
Teil 4: „Klartext – der Zukunft einen Schritt voraus“ – Teil 4
Teil 5: „Klartext – der Zukunft einen Schritt voraus“ – Teil 5