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Kooperationsverträge mit Pflegeeinrichtungen – ­wohin geht die Reise?

Mund Seniorin

Bereits am 1. Juli 2008 trat Paragraf 119 b SGB V im Rahmen des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes in Kraft. Hierdurch wurde stationären Pflegeeinrichtungen die Möglichkeit gegeben, Kooperationsverträge mit dafür geeigneten niedergelassenen Zahnärzten und/oder Ärzten zu schließen. Kann die Pflegeeinrichtung einen solchen Kooperationszahnarzt nicht finden, ist die Kassenzahnärztliche Vereinigung zur Sicherstellung einer ausreichenden zahnärztlichen Versorgung durch die Vermittlung derartiger Kooperationen verpflichtet.

Paragraf 119 b zielt darauf ab, die oftmals unzureichend beschriebene ambulante ärztliche Betreuung von Pflegebedürftigen in Pflegeheimen zu verbessern, Schnittstellenprobleme abzubauen und gleichzeitig der Gesetzlichen Krankenversicherung unnötige Transport- und Krankenhauskosten zu ersparen, indem der Zahnarzt den Pflegebedürftigen dort behandelt, wo sich dieser befindet. Die Realität zeigte jedoch, dass zu wenige Kooperationen geschlossen wurden. Laut Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung (KZBV) hatten Ende 2016 3218 Zahnärzte einen Kooperationsvertrag mit einer stationären Pflegeeinrichtung abgeschlossen, was einer Quote von 24 Prozent entspricht.

Am 1. August 2018 wurde der Gesetzentwurf zur Stärkung des Pflegepersonals beschlossen; das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) trat zum 1. Januar 2019 in Kraft. Neben dem in der Presse ausführlich dargestellten Aspekt der zusätzlichen Finanzierung von 13.000 Pflegekräften führt der Entwurf auch zu Änderungen des Paragrafen 119 b SGB V.

Um die Entwicklung der Kooperationen zu beschleunigen, formulierte der Gesetzgeber die Verpflichtung der Pflegeeinrichtungen, Kooperationsverträge mit geeigneten vertragszahnärztlichen Leistungserbringern zu schließen, verbindlich. Die bisherige „Soll-Regelung“ wird durch eine „Muss-Regelung“ ersetzt.

Zudem werden die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen verpflichtet, bei Vorliegen eines Antrags einer Pflegeeinrichtung zur Vermittlung eines Kooperationsvertrags einen entsprechenden Vertrag innerhalb einer Frist von drei Monaten zu vermitteln. Die Evaluation dieser Kooperationsverträge ist künftig für den zahnärztlichen Bereich verpflichtend.

Konsequenz bei Verstößen:
Da nunmehr die Verpflichtung von Pflegeeinrichtungen verbindlich geregelt wurde, stellt sich die Frage, welche Konsequenzen ein Verstoß gegen die Vorgaben des Paragrafen 119 b SGB V hat.

Was passiert also, wenn eine Einrichtung keinen Zahnarzt sucht?

Bereits vor dem 1. Januar 2019 lag die Bedeutung der Regelung nicht darin, den Abschluss solcher Vereinbarungen zu ermöglichen; dazu waren Pflegeheime und die Zahnärzte schon seit dem 1. Juli 2008 berechtigt. Zweck der Regelung war es, dem Abschluss von Kooperationsverträgen Vorrang vor einer Ermächtigung der Pflegeeinrichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung einzuräumen. Folglich bestand ein Anspruch auf Ermächtigung nur dann, wenn ein Kooperationsvertrag – auch nach Vermittlung durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) – nicht geschlossen werden konnte.

Durch die Änderung des Paragrafen 119 b SGB V im Rahmen des PpSG hat sich diese Zielsetzung nicht geändert, lediglich der Zeitraum, innerhalb dessen die KV vermittelnd tätig werden muss, wurde von sechs Monate auf drei Monate verkürzt. Kommt es trotz der Bemühungen der KV nicht zum Abschluss eines Kooperationsvertrages, besteht seitens der Pflegeeinrichtung ein Anspruch auf Ermächtigung durch den Zulassungsausschuss.

Zudem wurde mit Inkrafttreten des PpSG die Verpflichtung zum Abschluss eines Kooperationsvertrags für alle Pflegeeinrichtungen geregelt. Eine solche gesetzliche Verpflichtung bestand ursprünglich nicht, da die Norm lediglich bei einem entsprechenden Bedarf den Abschluss eines Kooperationsvertrags vorsah. In späteren Versionen der Norm bestand dann regelmäßig eine Verpflichtung zum Abschluss eines Kooperationsvertrages, es sei denn, es lag ein Ausnahmefall vor.

Keine Folgen hat die Gesetzesänderung für den niedergelassenen Zahnarzt, da dieser nicht Adressat der Norm ist und somit nicht zum Abschluss von Kooperationsverträgen verpflichtet wird. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass kein Anspruch auf Abschluss eines Kooperationsvertrages mit einer Pflegeeinrichtung besteht.

Kooperationsverträge und freie Arztwahl:
Trotz des Kontrahierungszwangs ist die freie Arztwahl gemäß Paragraf 76 Abs. 1 SGB V zu beachten. Bewohner stationärer Pflegeeinrichtungen müssen sich daher nicht von dem Zahnarzt behandeln lassen, mit dem die Einrichtung einen Kooperationsvertrag geschlossen hat. Wobei zu beachten ist, dass durch die Inanspruchnahme eines anderen als den Kooperationsarzt entstehende Mehrkosten (Paragraf 76 Absatz 2 SGB V) sowie Fahrtkosten (Paragraf 60 Absatz 1 SGB V) gegebenenfalls durch den Bewohner zu tragen sein können.

Vertragszahnärztliche Evaluation:
Welche Auswirkungen die Verpflichtung aller Pflegeeinrichtungen zum Abschluss von Kooperationsverträgen mit Zahnärzten hat, muss nun von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen evaluiert werden. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll insbesondere die Anzahl der abgeschlossenen Kooperationsverträge, die Anzahl der daran beteiligten Zahnärzte und stationären Pflegeeinrichtungen, sowie die Art und Anzahl der abgerechneten Leistungen nach Paragraf 87 Abs. 2 j erfasst werden (BT-Drs. 19/4453, 74). Über das Ergebnis der Evaluation haben die Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung erstmals bis zum 30. Juni 2019 und sodann regelmäßig im Abstand von drei Jahren an die Bundesregierung zu berichten.

Fazit
Es bleibt abzuwarten, ob durch die Verpflichtung zum Abschluss von Kooperationsverträgen tatsächlich die Verbesserung der ambulanten Betreuung von Pflegebedürftigen in Pflegeheimen erreicht werden kann. Bereits jetzt lässt sich jedenfalls feststellen, dass durch den Kooperationszwang, flankiert mit einer geänderten Vergütung der Leistungen des Zahnarztes im Pflegeheim, die Anzahl geschlossener Kooperationsverträge wächst. In Anbetracht der demografischen Entwicklung und des damit auch zukünftig weiter steigenden Bedarfs an zahnärztlicher Versorgung in Pflegeeinrichtungen können solche Kooperationen einen wirtschaftlichen Mehrwert für die eigene Praxis darstellen.

Guido Kraus, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Hannover