15 neue Gesetze plant das BMG in diesem Jahr. Das klingt nicht nach verbesserten Rahmenbedingungen, sondern nach Systemumbau.
Gespräch mit einigen Spitzen im BMG
Immerhin traf sich Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach nach den Protestaktionen und Schließungen etlicher Praxen zwischen den Jahren am 9. Januar überraschend zeitnah zum „Krisengipfel“ um Budgetierung, Bürokratie und Digitalisierung mit Vertreterinnen der Ärzteschaft – KBV, BÄK, SpiFa, BVKJ und Hausärzten – und des GKV-Spitzenverbandes. Die Zahnärzteschaft durfte drunten im Tal bleiben und von vornherein kleine Brötchen backen. Der Gipfel gipfelte dann in Verlautbarungen unterschiedlicher Höhenwahrnehmung.
Fangen wir ganz oben an. Am höchsten flog, nicht überraschend, Karl Lauterbach. „Wir haben uns getroffen, um gemeinsam über Entlastungen im Praxisalltag der ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte zu sprechen. Unnötige Bürokratie bauen wir ab. Zudem werden wir bei der hausärztlichen Versorgung eine Entbudgetierung vornehmen und die Art und Weise, wie die Praxen vergütet werden, verändern“, so der Minister im Anschluss. Die Entbudgetierung im hausärztlichen Bereich war bereits im Koalitionsvertrag der Ampel beschlossen und wartet nun noch immer auf ihre Umsetzung. Zudem sind noch eine hausärztliche Vorhaltepauschale sowie eine jahresbezogene Versorgungspauschale für chronisch erkrankte Patienten geplant. Laut weiteren Plänen aus dem BMG soll schon mit dem Versorgungsgesetz 1 eine Bagatellgrenze bei den Wirtschaftlichkeitsprüfungen von ärztlich verordneten Leistungen in Höhe von möglicherweise 300 Euro eingeführt werden. Damit gäbe es etwa vier von fünf Regressverfahren weniger. Auch eine Anpassung der GOÄ kam auf dem Gipfel wieder ins Gespräch.
Auch beim Gipfel nur wenig Lichtblicke
Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth, die Vorsitzende des Verbands der Hausärztinnen und Hausärzte, war nach dem Gipfel verständlicherweise zufrieden mit den Ergebnissen. Weit weniger zufrieden zeigten sich die Vertreter der KBV und der anderen Verbände. „Das war leider viel zu wenig und trotz erster Lichtblicke insgesamt enttäuschend. Vor dem Hintergrund der drängenden Probleme der ambulanten Versorgung hätten wir uns mehr und deutlich konkretere Lösungs- und Umsetzungsschritte gewünscht. Zu vieles ist unverbindlich und offen geblieben. Immerhin: Die hausärztliche Entbudgetierung soll in diesem Jahr kommen. Das begrüßen wir! Das kann und darf aber nun nicht alles sein. Im nächsten Schritt muss nun die Entbudgetierung der Fachärzte rasch folgen“, erklärten die KBV-Vorstände Dr. Andreas Gassen, Dr. Stephan Hofmeister und Dr. Sibylle Steiner unisono.
Und der „doppelte“ Dr. Dirk Heinrich reagierte als Bundesvorsitzender des Virchowbundes: „Mit dem heutigen Gesprächsergebnis sind wir jedenfalls völlig unzufrieden. Wir beobachten, dass die Wut an der Basis weiter steigt. Daher ist für uns klar, dass die Proteste weitergehen müssen, wenn nicht die gesamte ambulante Versorgung durch Haus- und Fachärzte in den Blick genommen wird.“ Und legt als Vorstandsvorsitzender des SpiFa noch einen drauf: „Dass der Minister noch nicht einmal die Entbudgetierung der Facharztgruppen vorsieht, die häufig unmittelbar in Anspruch genommen werden müssen, wie z.B. der Augenheilkunde und Frauenheilkunde, ist besonders enttäuschend. Wir haben auch weitere Vorschläge wie z.B. die Entbudgetierung aller überwiesenen Patientinnen und Patienten, das Einziehen einer Mindestauszahlungsquote und die Entbudgetierung von Ärztinnen und Ärzten in sozialen Brennpunkten ins Gespräch gebracht. Aber auch für diese Patientinnen und Patienten wollte der Minister nichts tun“, so Heinrich.
Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, sagt in seiner Rolle als Vorsitzender des Hartmannbundes: „„Das Paket enthält für die hausärztliche Versorgung zielführende und perspektivisch ausbaubare Maßnahmen. … Im fachärztlichen Bereich greift das Paket deutlich zu kurz! Vergleichbare Maßnahmen wie im hausärztlichen Bereich müssen zwingend auch hier implementiert werden. Sie sind kurzfristig mit den Verbänden abzustimmen.“ Und begrüßt im Anschluss die Zusage des Ministers Lauterbach, „mit den Koalitionsfraktionen zur Umsetzung der GOÄ-Novelle in den Dialog zu gehen“.
Schattig bleibt es im Tal
Noch vor dem Krisengipfel hatte sich die KZBV aus dem Tal der vertragszahnärztlichen Versorgungstränen mit einem deutlichen Appell an die an die politisch Hochfliegenden gewandt und eine Ende der Budgetierung gerade für die präventionsorientierte Parodontitistherapie gefordert. „Betroffen davon sind vor allem Patientinnen und Patienten, die an der Volkskrankheit Parodontitis leiden. Dies ist umso fataler, da diese Krankheit unter anderem unmittelbar in Wechselwirkung zu Diabetes mellitus steht und Einfluss auf weitere schwere Allgemeinerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und rheumatische Erkrankungen nimmt. Um langfristige negative Folgen für die Mund- und Allgemeingesundheit der Bevölkerung noch abzuwenden, muss die Politik daher jetzt handeln und adäquate Bedingungen schaffen, die es dem zahnärztlichen Berufsstand erlauben, die bewährten inhabergeführten Praxisstrukturen zu erhalten und eine wohnortnahe, flächendeckende Versorgung sicherzustellen“, so der KZBV-Vorstandsvorsitzende Martin Hendges. Und auch die KZV Bayerns begrüßt zwar die Verbesserungen, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach den Hausärzten in Aussicht gestellt hat, fordert aber zugleich das Ende aller Budgets in allen Bereichen des Gesundheitswesens. „Dieses leistungsfeindliche und planwirtschaftliche Steuerungsinstrument wurde vor 30 Jahren vom damaligen Gesundheitsminister Horst Seehofer eingeführt und seitdem immer wieder aus der politischen Mottenkiste geholt. Jedem Politiker muss einleuchten, dass es für begrenzte Mittel nur begrenzte Leistungen geben kann. Die Rationierung von Leistungen für gesetzlich Versicherte ist im deutschen Gesundheitswesen längst traurige Realität, auch wenn Karl Lauterbach das nicht wahrhaben will“, so Dr. Rüdiger Schott, Vorsitzender des Vorstands der KZVB.
Ob das sinnvolle Anliegen der Zahnärzteschaft auf offene ministerielle Ohren stoßen wird, darf leider bezweifelt werden. Saßen die Fachärzteverbände zumindest noch mit an der Gipfeltafel, wenn auch ohne ein Entbudgetierungsstück des GKV-Kuchens abzubekommen, durften die Zahnärztevertreter nur von Ferne zuschauen.
Und der GKV-Spitzenverband signalisierte auch an den Minister im Anschluss zum Gipfel wenig weitere Verhandlungsbereitschaft. „Insgesamt ist die finanzielle Situation der niedergelassenen Ärzteschaft gut. In diesem Jahr steigen die Honorare der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte bereits um rund zwei Milliarden Euro. In Zeiten, in denen alle Menschen unter höheren Energiepreisen und der Inflation leiden, ist es nicht angemessen, dass die Honorare zu Lasten der Beitragszahlenden noch weiter steigen“, positionierte sich Stefanie Stoff-Ahnis, Vorständin des GKV-Spitzenverbandes.
So blieb es ein Spitzengespräch mit wenigen Höhen für die (Zahn)Ärzteschaft.
Titelbild: Prof. Dr. Karl Lauterbach