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Migranten: Zahnarztbesuch als Herausforderung

Fehlende Informationen und Sprachbarrieren

Es befinden sich derzeit viele vor Kriegen und humanitären Krisen geflüchtete Menschen in Deutschland. Wie zahlreiche andere Migranten stehen sie vor einer Vielzahl von Hindernissen, insbesondere in Bezug auf die Sprache. Für einen Arztbesuch ergeben sich laut Informationsstelle für Kariesprophylaxe (IfK) dadurch Probleme von der Terminvereinbarung über die Äußerung der Beschwerden bis hin zur Nachsorge. Das merken auch zahnärztliche Praxen in Deutschland.  

Regelmäßige Zahnarztbesuche sind nicht nur bei akuten Beschwerden ratsam, sondern vor allem, bevor Karies und Co. entstehen. „Wünschenswert wäre, dass auch die in Deutschland lebenden Migranten dieses Präventionsangebot intensiver nutzen. Hier stellen wir nach wie vor Defizite fest“, erklärt Professor Stefan Zimmer, Sprecher der Informationsstelle für Kariesprophylaxe und Lehrstuhlinhaber für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin an der Universität Witten/Herdecke. 

Prof. Dr. Stefan Zimmer ist Leiter des Departments für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universität Witten/Herdecke.

Wesentliche Hinderungsgründe dafür seien oft Sprachbarrieren und fehlende Informationen. Neben Faktoren wie einem niedrigen Bildungsniveau oder niedrigem Sozialstatuts beeinflussen auch eine Migrationserfahrung und geringe Deutschkenntnisse eine geringe Gesundheitskompetenz [1]. Daher sollten sich Praxisteams in der interkulturellen Kommunikation üben, um den Patienten mit seinem Hintergrund und möglichen Ängsten besser zu verstehen. „Kulturelle Unterschiede können sich schon beim Empfang zeigen“, erklärt Zimmer. „Während beispielsweise hier in Deutschland ein Lächeln erwünscht ist, könnte es bei anderen Patienten als unprofessionelles Verhalten gewertet werden.“

Studien zur Gesundheitsvorsorge von Migranten

Ob Zuwanderer Gesundheitsvorsorgeangebote annehmen und welche Hürden sie dabei überwinden müssen, untersuchte die „Berliner Migrantenstudie“ [2]. Die 302 Befragten kamen aus 65 verschiedenen Ländern: etwa jeder Dritte aus der Europäischen Union, die restlichen vor allem aus den Regionen Naher und Mittlerer Osten (überwiegend Iran, Türkei und Syrien) oder Osteuropa (beispielsweise Ukraine). Die Teilnehmer waren zu rund zwei Dritteln weiblich und hatten ein hohes Bildungsniveau sowie Deutschkenntnisse, mit denen sie sich im Alltag verständigen konnten. Die Ergebnisse: Seit ihrer Ankunft in Deutschland nahmen die Befragten Zahnuntersuchungen im Vergleich zum Herkunftsland zwar um etwa 15 Prozent häufiger in Anspruch (71 vs. 57 Prozent).

Jedoch zeigte die Studie damit auch, dass dennoch fast jeder Dritte nicht zum Zahnarzt ging. „Möglicherweise wäre dieser Anteil noch höher ausgefallen, wenn ein Kollektiv mit schlechteren Deutschkenntnissen und geringerem Bildungsstand befragt worden wäre“, kommentiert Zimmer die Untersuchungsergebnisse. Denn als wesentliche Hinderungsgründe, warum Vorsorgemaßnahmen nicht in Anspruch genommen wurden, nannten die Migranten auch hier Sprachbarrieren (59 Prozent) und fehlende Informationen (29 Prozent).

Dabei tragen die Bemühungen der deutschen Kariesprophylaxe durchaus Früchte, wie eine Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf zeigt: Die Karieslast ist bei Kindern mit Migrationshintergrund und aus benachteiligten Familien immer noch signifikant höher, geht jedoch auch bei diesen deutlich zurück [3].

Zimmers Resümee der Studienergebnisse: „Es ist positiv, dass auch diese Gruppen seit dem Untersuchungsbeginn in den 1970er-Jahren von den Maßnahmen zur Kariesprävention in gleichem Maße profitiert haben. Dennoch bedarf es weiterer Verbesserungen – denn Ziel ist es schließlich, dass sie genauso gute Zähne haben wie der Durchschnitt.“

Wunsch nach Gesundheitsinformationen

Wie in der Allgemeinbevölkerung ist der Wunsch nach Gesundheitsinformationen auch bei Menschen mit Migrationshintergrund groß: Eine Studie der Universität Bielefeld zeigt, dass gerade bei geringen Deutschkenntnissen und einer eigenen Mi­grationserfahrung ebenso auf andere Sprachenkompetenzen zurückgegriffen wird. 64 Prozent der Befragten mit ex-sowjetischem Migrationshintergrund bezogen Gesundheitsinformationen auch oder ausschließlich auf Russisch, 45 Prozent der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund dasselbe auch auf Türkisch [3].

Speziell hierfür biete die IfK Broschüren in unterschiedlichen Sprachen an: Die multilinguale Broschüre „Gesunde Zähne haben gut lachen – in vier Schritten zu gesunden Zähnen“ beinhaltet Informationen zur Kariesprophylaxe in Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Russisch, Türkisch, Rumänisch und Arabisch. Neu sei der in leichter Sprache verfasste „Eltern-Brief: Rund um Zähne“, der sich speziell an Menschen mit geringen Deutschkenntnissen oder Lernschwierigkeiten richtet.

Das Informationsmaterial der IfK gibt es für Praxen und Gesundheitsämter kostenfrei. Auch steht jede Broschüre zum kostenfreien Download zur Verfügung.

Literatur  

[1] Behrens E-M et al.: Gesundheitskompetenz von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland:  Ergebnisse des HLG-MIG. Bielefeld: Universität, Interdisziplinäres Zentrum für Gesundheitsforschung; 2022. doi: 10.4119/unibi/2960131
[2] Zahn P, Sindel AC, Müller SD: Erste „Berliner Migrantenstudie“: Zugang zum Gesundheitswesen und Leistungsinanspruchnahme von Migranten in Berlin. Monitor Versorgungsforschung 2016; 3: 39–42; doi: 10.24945/MVF.03.16.1866-0533.1962
[3] Schiffner U: Caries Decline in Preschool Children from Low Social Classes and with Migration Background in Hamburg, Germany: Outcome from Repeated Cross-Sectional Caries Epidemiological Studies. J. Clin. Med. 2022; 11: 4251. doi: 10.3390/jcm11154251

Titelbild: Halfpoint - stock.adobe.com